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Verhaltensorientierte Arbeitssicherheit: Ziel, Prinzipien und Voraussetzungen

Maßnahmen und Methoden zur Arbeitssicherheit gehören ohne Zweifel zu den wichtigsten Bausteinen zur Schaffung einer sicheren und produktiven Arbeitsumgebung. Arbeitssicherheit bedeutet unter anderem, Mitarbeiter mit der passenden Sicherheitsausrüstung auszustatten und sie regelmäßig zu schulen, um die Unfallzahlen im Betrieb zu reduzieren und Unfälle zu vermeiden. Unternehmen, die das Thema Arbeitssicherheit nicht ernst nehmen, riskieren die Gesundheit ihrer Mitarbeiter. Neben den oftmals gravierenden gesundheitlichen Folgen für die Beschäftigten kann dies zusätzlich zu Geldstrafen beim Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften und zu einem Reputationsverlust führen. Dieser Artikel beschäftigt sich im Detail mit der verhaltensorientierten Arbeitssicherheit, die im Fachbegriff ebenfalls als Behavior Based Safety (BBS) bezeichnet wird. Die Abhandlung stellt die Ziele und die Prinzipien der verhaltensorientierten Arbeitssicherheit vor und thematisiert zusätzlich, welche Mehrwerte die individuelle Umsetzung der BBS Betrieben in Bezug auf die Unternehmenskultur bringt.
Inhaltsverzeichnis

Was bedeutet verhaltensorientierte Arbeitssicherheit?

Verhaltensorientierte Arbeitssicherheit, auch Behavior Based Safety (BBS) genannt, ist ein professioneller Ansatz der Verhaltenswissenschaft, der sich auf eine Adaption des Verhaltens der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz konzentriert. Anstatt nur umwelt- oder ausrüstungsbedingte Gefahren zu identifizieren, untersucht BBS das Verhalten der Mitarbeiter in Bezug auf Risiken und Sicherheitsmängel.

Behavior Based Safety (BBS) fokussiert sich als Ansatz der Verhaltenswissenschaft demnach auf eine Verhaltensänderung und deckt Risikoverhalten, beispielsweise das Nichttragen von Schutzkleidung oder das Ignorieren von Sicherheitsprotokollen auf. In der Folge zielt BBS darauf ab, das alltägliche Verhalten der Mitarbeiter in Bezug auf den Arbeitsschutz und die Arbeitssicherheit signifikant zu verbessern. Mitarbeiter werden ermutigt, ihr eigenes Verhalten und das ihrer Kollegen zu beobachten und Feedback zu geben, um sichere Arbeitsbedingungen für alle zu fördern. Darüber hinaus setzen einige Unternehmen Anreize oder Belohnungssysteme ein, um gewünschte Verhaltensweisen zu steigern. 

Was ist das ABC-Modell bei der BBS? 

Beim ABC-Modell, das dem Prinzip der verhaltensorientierten Arbeitssicherheit zugrunde liegt, handelt es sich um ein „Antezedenz-Verhaltens-Konsequenz-Modell,“ mit dem sichere Verhaltensweisen am Arbeitsplatz gefördert werden. Als Antezedenz bezeichnet man dabei Gründe, Voraussetzungen oder Ursachen einer Entscheidung oder eines Ereignisses. 

Im Fachbereich der Arbeitssicherheit betrachtet das ABC-Modell im Rahmen des Behavior Based Safety (BBS) eine Antezedenz oder einen Aktivator sowie Verhaltensweisen und Konsequenzen mit dem Ziel, positive Verhaltensänderungen zu fördern, Arbeitsunfälle zu vermeiden und die Sicherheit am Arbeitsplatz zu steigern.

Was sind Antezedenzien in Bezug auf die Arbeitssicherheit? 

Antezedenzien sind individuelle Umgebungs- oder Organisationsbedingungen, die die Entscheidungen und Handlungen der Arbeitnehmer beeinflussen. Dazu gehören beispielsweise Schulungsprotokolle, Betriebsanweisungen, Warnsignale oder Vorgaben von Vorgesetzten und Weisungsbefugten in Bezug auf Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit. 

Verhaltensweisen im ABC-Modell – was ist das? 

Verhaltensweisen sind die spezifischen Aufgaben oder Aktivitäten, mit denen die Arbeitnehmer täglich interagieren und die von den Antezedenzien direkt beeinflusst werden. Beispiel: Die Betriebsanweisung verpflichtet die Mitarbeiter dazu, bei der Bedienung einer Maschine Sicherheitshandschuhe zu tragen. 

Was bedeutet die Komponente Konsequenzen im ABC-Modell? 

Die Konsequenzen im ABC-Modell beziehen sich auf die positiven oder negativen Folgen des Verhaltens der Beschäftigten. Tragen die Mitarbeiter im oben genannten Beispiel Sicherheitshandschuhe, wenn sie eine bestimmte Maschine bedienen, verhalten sie sich regelkonform. Neben dem Umstand, dass sie vor Unfällen gesichert sind, könnte eine Prämie für die Vermeidung von Arbeitsunfällen eine positive Konsequenz des kongruenten Verhaltens der Mitarbeiter sein. Konsequenzen bei negativem Verhalten können von Feedback und Schulungsmaßnahmen bis zu eindeutigen Disziplinarmaßnahmen bei Verstößen gegen die Sicherheitsvorschriften reichen. 

Unternehmen, die sich im Rahmen des Behavior  Based Safety (BBS) auf die drei Aspekte Antezedenzien, Verhalten und Konsequenzen konzentrieren, können langfristig ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem unsichere Handlungen vermieden werden und dass sich auf Prinzipien und Prävention fokussiert. 

Was ist das Ziel von BBS?

Das vorrangige Ziel von Behavior Based Safety (BBS) besteht darin, ein sicheres Arbeitsumfeld für die Mitarbeiter zu schaffen, indem positive Verhaltensweisen wie die Befolgung von Sicherheitsprotokollen und die Verwendung der richtigen Ausrüstung gefördert werden. Positives Feedback, aktives Zuhören und die Anerkennung von Verhaltensänderungen zielt bei BBS darauf ab, Unfälle und Verletzungen, die durch unsichere Handlungen verursacht werden, zu reduzieren und den Arbeitsschutz zu erhöhen. Darüber hinaus trägt eine verhaltensorientierte Arbeitssicherheit zu einer professionellen Sicherheitskultur bei, die proaktive Maßnahmen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichermaßen vorantreibt.

Was sind die Prinzipien der verhaltensorientierten Arbeitssicherheit? 

Die fünf Wirkprinzipien der verhaltensorientierten Arbeitssicherheit beziehen sich auf:

  1. Definition,
  2. Beobachtung des Verhaltens,
  3. Positives und konstruktives Feedback,
  4. Setzen von verhaltensbezogenen Zielen,
  5. Einsatz von positiven Verstärkungen im Arbeitsalltag.

Statt Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit mit Verboten, Gefahren und einem negativen Image zu verbinden, sollen die fünf Prinzipien Arbeitssicherheit in einen positiven und erstrebenswerten Kontext rücken und echte Verhaltensänderungen bewirken, die im Unternehmen gesehen und bemerkt werden. Der Psychologe Scott Geller bringt die Umsetzung der fünf Wirkprinzipien wie folgt auf den Punkt: 

„Es ist, viel effizienter, Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen über das sichere Verhalten zum sicheren Denken zu bringen als zu versuchen, sie durch sicheres Denken zum sicheren Handeln zu bringen.“ 

Die Umsetzung der fünf Wirkprinzipien von BBS kann Arbeitgebern dabei helfen, eine Kultur zu schaffen, die die Sicherheit in den Vordergrund stellt und proaktive Maßnahmen zur Verringerung von Unfällen und Verletzungen am Arbeitsplatz belohnt.

Definition

Das erste Wirkprinzip der verhaltensorientierten Arbeitsweise fokussiert sich darauf, eine klare Definition arbeitssicheren Verhaltens festzulegen. Erst wenn fixiert wurde, was arbeitssicheres Verhalten am Arbeitsplatz in seinen Einzelheiten bedeutet, kann dieses im Rahmen des BBS beobachtet und gemessen werden. 

Zur Definition ist es wichtig, klare Kriterien zu benennen und im Kontext von SMART-Zielen darauf zu achten, dass ein Aspekt der Arbeitssicherheit erreichbar und überprüfbar, spezifisch und messbar sowie realistisch und terminiert ist. Schwammige und zu allgemein gehaltene Definitionen werden von Mitarbeitern missverstanden oder ignoriert. 

Beobachtung des Verhaltens 

Die Beobachtung des Verhaltens der Mitarbeiter im täglichen Arbeitsalltag ist der Kern der fünf Wirkprinzipien. Statt erst zu handeln, wenn Arbeitsunfälle sichtbar werden, geht es bei der Beobachtung darum, in positiver Hinsicht zu konstatieren, wie Arbeitssicherheit im Betrieb gelebt wird. Zu bemerken, welche Ansätze, Maßnahmen und Methoden umgesetzt werden und diese positiv zu „highlighten,“ spornt Mitarbeiter an und macht Arbeitssicherheit zu einem positiven und erstrebenswerten Ziel. Gleichzeitig fallen Punkte und Herausforderungen auf, die verändert oder verbessert werden müssen. 

Positives und konstruktives Feedback

Jegliches Feedback im Unternehmen sollte nach Möglichkeit sachbezogen und nicht personenbezogen vorgenommen werden. Das gilt ebenfalls im Bereich der verhaltensorientierten Arbeitssicherheit. Positives Feedback, das darstellt, wie die Maßnahmen der Arbeitssicherheit im Betrieb umgesetzt werden, motiviert. Gleichzeitig muss riskantes Arbeitsverhalten nutzenorientiert und konstruktiv angesprochen werden. Konstruktives, spezifisches und unmittelbares Feedback wirkt in diesem Fall verhaltensändernd, solange es freundlich, offen und nicht fordernd, negativ und anklagend überbracht wird. 

Setzen von verhaltensbezogenen Zielen

Ähnlich wie beim ersten Prinzip „Definition“ geht es beim Setzen von verhaltensbezogenen Zielen darum, messbare und erreichbare Ziele zu setzen, die sich auf das Verhalten der Mitarbeiter beziehen. Untersuchungen zeigen, dass die Mehrzahl der Arbeitsunfälle entsteht, weil jeder Mensch eine andere Risikobereitschaft an den Tag legt und über ein subjektives Sicherheitsempfinden verfügt. Selbstüberschätzung sowie ein lascher Umgang mit Methoden und Prinzipien führen zu einem nicht angepassten Verhalten, dass letztlich Arbeitsunfälle begünstigt. 

Das Setzen von verhaltensbezogenen Zielen bedeutet für die Praxis, die Nachteile falschen Verhaltens sowie die Vorteile angepassten Verhaltens aufzuzeigen und aus den Vorteilen erreichbare Ziele zu definieren. Ein Verhalten, dass als Erfolg erlebt wird, wird weitergeführt und entwickelt sich langfristig und unbemerkt zu einer Gewohnheit.

Einsatz von positiven Verstärkungen im Arbeitsalltag

Beobachten Vorgesetzte positives Verhalten und Verhaltensänderungen und kommunizieren diese regelmäßig mit Anerkennung und Wertschätzung, führt dies zu einer vertrauensvollen Arbeitsatmosphäre, in der Arbeitssicherheit nicht als notwendiges Übel, sondern als essenziell und erstrebenswert angesehen wird. 

Was sind die Vorteile der verhaltensorientierten Arbeitssicherheit? 

Zu den Vorteilen der verhaltensorientierten Arbeitssicherheit gehören unter anderem:

  • geringere Risikobereitschaft der Mitarbeiter,
  • weniger Arbeitsunfälle, Beinaheunfälle und Sicherheitsereignisse sowie sinkende Unfallzahlen, 
  • Implementierung einer offenen Sicherheitskultur im Sinne des Arbeitsschutzes,
  • höhere Produktivität aufgrund von weniger Unfällen und Verletzungen,
  • weniger Kosten durch Arbeitsunfähigkeit oder Schadenersatzansprüche,
  • eindeutige Verhaltensänderung in Bezug auf Arbeitssicherheit im Job und in der Freizeit,
  • Etablierung einer Kultur, in der Arbeitnehmer proaktiv Vorschläge für mehr Arbeitssicherheit machen,
  • Arbeitssicherheit als positives und proaktives Gesprächsthema.

Was sind die Voraussetzungen für den Erfolg verhaltensorientierter Arbeitssicherheit?

Damit die verhaltensorientierte Arbeitssicherheit in einem Unternehmen erfolgreich ist, sind folgende Voraussetzungen im Rahmen des Arbeitsschutzes zu erfüllen:

  • starkes Engagement und die Unterstützung des Managements,
  • eine wirksame Kommunikation der Erwartungen und Ziele,
  • fortlaufende Schulungen für Mitarbeiter und Vorgesetzte,
  • klares Feedback zur Leistung sowie Anreize oder Belohnungen für gewünschte Verhaltensweisen und eine konsequente Umsetzung,
  • Mut, risikobehaftete Verhaltensweisen schnell durch Korrekturmaßnahmen oder Disziplinarmaßnahmen abzustellen,
  • allgemein eine offene, vertrauensvolle Unternehmenskultur, die Sicherheit wertschätzt und proaktive Maßnahmen zur Reduzierung von Unfällen und Verletzungen am Arbeitsplatz fördert.

Zusammenfassend ist die Umsetzung einer verhaltensorientierten Arbeitssicherheit im Arbeitsalltag in der Regel erfolgreich, wenn Führungskräfte, das Management und die Mitarbeiter konstruktiv zusammenarbeiten und die Prinzipien des BBS dauerhaft etablieren.

Kann man sich als BBS-Spezialist zertifizieren lassen?

Es ist an verschiedenen Weiterbildungsinstituten möglich, eine Weiterbildung zur Spezialistin/Spezialist für Behavior Based Safety zu absolvieren. Die Weiterbildung kann nebenberuflich oder berufsbegleitend durchgeführt werden. Voraussetzung für die Zulassung zum BBS-Kurs ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium und/oder eine Berufsausbildung mit einschlägiger Berufserfahrung. Die Kosten für den BBS-Kurs belaufen sich in etwa auf 2.500 Euro bis 3.000 Euro.