Gewalt am Arbeitsplatz vorbeugen & bekämpfen
- Was bedeutet Gewalt am Arbeitsplatz?
- Erscheinungsbilder: Welche Arten von Gewalt am Arbeitsplatz gibt es?
- Welche Folgen hat Gewalt am Arbeitsplatz für die Betroffenen?
- Was sind die Risikofaktoren von Gewalt am Arbeitsplatz?
- Wer kann Gewalt am Arbeitsplatz ausüben?
- Wie kann Gewalt am Arbeitsplatz vermieden werden?
- Was können Vorgesetzte und Mitarbeiter bei Gewalt am Arbeitsplatz tun?
- Ist eine Kündigung wegen Gewalt am Arbeitsplatz möglich?
- Wie weit ist Gewalt am Arbeitsplatz verbreitet?
Was bedeutet Gewalt am Arbeitsplatz?
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) definiert Gewalt am Arbeitsplatz nach den Kriterien der International Labour Organization (ILO). Die ILO teilt Gewalt am Arbeitsplatz wie folgt ein:
- „Als eine Bandbreite von inakzeptablen Verhaltensweisen und Praktiken oder deren Androhung, gleich, ob es sich um ein einmaliges oder ein wiederholtes Vorkommnis handelt,
- Die auf physischen, psychischen, sexuellen oder wirtschaftlichen Schaden abzielt, diesen zur Folge hat oder wahrscheinlich zur Folge haben wird.
- Gewalt am Arbeitsplatz umfasst auch geschlechtsspezifische Gewalt und Belästigung“.
- „Jede Handlung, Begebenheit oder von angemessenem Benehmen abweichendes Verhalten, wodurch eine Person in Verlaufe oder in direkter Folge ihrer Arbeit schwer beleidigt, bedroht, verletzt oder verwundet wird.“
Erscheinungsbilder: Welche Arten von Gewalt am Arbeitsplatz gibt es?
Grundsätzlich muss bei der Gewalt am Arbeitsplatz zwischen externer und interner Gewalt differenziert werden.
- Externe Gewalt: Wird die Mitarbeiterin der Arbeitsagentur von einem Kunden beleidigt oder bedroht oder wird ein Kunde gegenüber einer Verkäuferin übergriffig und belästigt sie, handelt es sich bei diesen Fällen eindeutig um externe Gewalt am Arbeitsplatz, die von Kunden, Geschäftspartnern und anderen Tätern verübt wird, die nicht zum festen Mitarbeiterstamm des Unternehmens gehören.
- Interne Gewalt: Interne Gewalt am Arbeitsplatz wird im Gegensatz ausschließlich von Mitarbeitern des Betriebs verursacht. Die Beleidigung eines Kollegen, fortlaufendes Mobbing und verbale Übergriffe gegenüber einem Beschäftigten mit Migrationshintergrund sowie die sexuelle Belästigung durch einen Vorgesetzten sind typische Arten von interner Gewalt am Arbeitsplatz.
Gewalt am Arbeitsplatz kann die folgenden Ausprägungen haben:
Körperliche Angriffe am Arbeitsplatz
Körperliche Angriffe können jede Form von physischem Kontakt beinhalten, der Angst oder Schaden verursachen soll, wie z. B. Schlagen, Stoßen oder Werfen von Gegenständen, was zu einem schwerwiegenden Arbeitsunfall führen kann.
Sexueller Missbrauch und sexuelle Belästigung auf der Arbeit
Sexueller Missbrauch und Vergewaltigungen gehören zu den schlimmsten Formen von Gewalt am Arbeitsplatz. Sexueller Missbrauch oder fortlaufende sexuelle Nötigung durch verbale, nonverbale oder körperliche Belästigung ist am Arbeitsplatz grundsätzlich verboten. Bei einer sexuellen Nötigung oder bei einer Vergewaltigung sowie bei sexuellem Missbrauch sollte umgehend die Polizei eingeschaltet werden.
Gewaltandrohungen auf der Arbeit
Gewaltandrohungen umfassen gesprochene oder geschriebene Worte, die die Absicht andeuten, jemandem am Arbeitsplatz zu schaden.
Verbale Belästigungen und Beschimpfungen
Belästigungen umfassen verbale Äußerungen, die darauf abzielen, jemanden aufgrund seines Geschlechts, seiner Rasse, seiner Religion oder seiner sexuellen Orientierung zu beleidigen. Vor allem in der Kunden-Mitarbeiter-Beziehung gehören Beleidigungen zu den häufigsten Formen von Gewalt am Arbeitsplatz.
Einschüchterungen und Stalking
Als Einschüchterung kann ein Verhalten bezeichnet werden, bei dem eine Person mit Worten oder durch Handlungen verängstigt, terrorisiert oder verunsichert wird. Als Stalking bezeichnet man ein widerrechtliches und absichtliches Verfolgen einer Person gegen deren Willen. Eine Mitarbeiterin könnte zum Beispiel von einem Kunden gestalkt werden. Neben dem physischen Verfolgen der Person endet Stalking häufig in körperlicher und psychischer Gewalt und ist eine Straftat.
In einer modernen Welt kann digitales Stalking ebenfalls zur psychischen Gewalt am Arbeitsplatz gehören. Hierbei installiert ein Täter unbemerkt eine App oder eine Schadsoftware auf einem Computer oder einem mobilen Endgerät und spioniert das Opfer aus. Erhält er Zugang zu sensiblen Daten oder Informationen, droht er mit Veröffentlichung.
Mobbing am Arbeitsplatz
Mobbing am Arbeitsplatz ist ein wiederholtes, feindseliges Verhalten, das ein bedrohliches oder unangenehmes Arbeitsumfeld schafft. Mobbing geht mit öffentlichem Lästern, Herabsetzen und Ausgrenzen einher und kann einer Person am Arbeitsplatz schwere seelische Schäden zufügen.
Bossing
Als Bossing bezeichnet man das unprofessionelle Verhalten eines Vorgesetzten gegenüber einem Mitarbeiter auf der Arbeit. Der Vorgesetzte entzieht dem Mitarbeiter hierbei ohne Grund Aufgaben, isoliert den Beschäftigten und kontrolliert und kritisiert unsachlich. Beim Bossing kann es ebenfalls dazu kommen, dass der Vorgesetzte das Arbeitspensum ständig erhöht oder wichtige Informationen vorenthält. Grund für dieses negative Vorgesetztenverhalten ist häufig der Wunsch zur umgehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Beschäftigten.
Sachbeschädigung, Vandalismus und Diebstahl
Zur Gewalt am Arbeitsplatz gehört ebenso das mutwillige Beschädigen von persönlichen Gegenständen oder von Firmeneigentum durch externe Personen oder durch Kollegen, die ihre Taten in der Regel unbemerkt verüben. Ebenfalls typisch ist das Entwenden von persönlichen Gegenständen am Arbeitsplatz.
Welche Folgen hat Gewalt am Arbeitsplatz für die Betroffenen?
Gewalt am Arbeitsplatz kann schlimme Folgen für die betroffenen Mitarbeiter haben und kann sowohl psychisch als auch physisch belastend sein. Zu den psychologischen Folgen von Gewalt am Arbeitsplatz gehören:
- fortlaufende emotionale Belastungen,
- Depressionen und depressive Verstimmungen,
- posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), die als verzögerte Reaktion auf ein belastendes Ereignis auftreten können,
- Ängste, verbunden mit Panikattacken und Schlaflosigkeit,
- Angst vor der Rückkehr an den Arbeitsplatz,
- Konzentrationsschwierigkeiten,
- sozialer Rückzug,
- finanzielle Verluste aufgrund von Arztrechnungen oder Lohnausfällen,
- soziale Stigmatisierung oder Ausgrenzung sowie
- ein vermindertes Selbstwertgefühl.
Körperlich können Opfer unter den verschiedensten Verletzungen leiden und Prellungen, Knochenbrüchen oder sogar lebensbedrohlichen Verletzungen wie Schusswunden davontragen. In extremen Fällen kann Gewalt am Arbeitsplatz, beispielsweise bei einem Raubüberfall, zum Tod führen.
Während körperliche Folgen allmählich verheilen, können die psychologischen Auswirkungen viele Monate oder Jahre nach dem Ereignis spürbar sein. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Arbeitgeber proaktiv Maßnahmen ergreifen, um ein sicheres Arbeitsumfeld zu gewährleisten und denjenigen, die Gewalt am Arbeitsplatz erlebt haben, professionelle Unterstützung bieten.
Was sind die Risikofaktoren von Gewalt am Arbeitsplatz?
In manchen beruflichen Tätigkeiten sind Mitarbeiter höheren Risiken ausgesetzt, Gewalt am Arbeitsplatz zu erleben. In der Regel handelt es sich bei diesen Vorfällen um externe Gewalt am Arbeitsplatz, die von Kunden oder Patienten verübt wird. In den folgenden Tätigkeitsbereichen muss verstärkt mit Gewalt, Belästigung, Bedrohungen, Beleidigungen und tätlichen Angriffen gerechnet werden:
- Mitarbeiter in Banken und Sparkassen sowie Wertkuriere, die mit Waren, Bargeld und Wertsachen arbeiten,
- Beschäftigte, die an Einzelarbeitsplätzen oder mit wenig Kollegen zusammenarbeiten,
- Angestellte, die in Nachtschichten arbeiten,
- Beschäftigte mit Kontrollaufgaben, zum Beispiel Schaffner, Arbeitsvermittler, Polizisten, Feuerwehrleute, Beschäftigte in Behörden oder Kontrolleure in Stadien,
- Beschäftigte in Einrichtungen, in denen Gewaltverbrecher oder psychisch kranke und traumatisierte Personen untergebracht sind, beispielsweise in der Psychiatrie, in Gefängnissen, Auffanglagern für Asylbewerber oder in psychosozialen Beratungsstellen.
- In Telefonzentralen, in denen es zu verbalen Angriffen und Beleidigungen kommen kann,
- In Behörden und Unternehmen mit mangelnder Organisation, bei denen Mitarbeiter den Frust der Kunden in Form von tätlichen Angriffen oder Beleidigungen verspüren.
Wer kann Gewalt am Arbeitsplatz ausüben?
Gewalt am Arbeitsplatz kann von den unterschiedlichsten Tätern ausgeübt werden. Intern können Kollegen und Vorgesetzte Gewalt auf Arbeitnehmer ausüben oder sie beleidigen oder belästigen. Im externen Kontext kommen als Täter Kunden, Patienten oder andere externe Personen infrage, die ein Verhalten an den Tag legen, dass nach den Kriterien der International Labour Organization (ILO) als Gewalt am Arbeitsplatz definiert werden kann.
Wie kann Gewalt am Arbeitsplatz vermieden werden?
Aus Arbeitgebersicht ist es entscheidend, dass im Unternehmen proaktive Maßnahmen ergriffen werden, um Gewalt am Arbeitsplatz zu verhindern. Zu den wirksamsten organisatorischen Maßnahmen gehören:
- regelmäßige Schulungen zur Erkennung von Warnzeichen für potenzielle Vorfälle,
- eindeutige Richtlinien, die akzeptable Verhaltensweisen und Konsequenzen bei Verstößen festlegen,
- regelmäßige Sicherheitskontrollen und Hintergrundüberprüfungen von Mitarbeitern,
- Ansprechpartner als Vertrauensperson,
- Einrichtung klarer Protokolle bei Alarmen oder Übergriffen,
- Implementierung eines anonymen Meldesystems, damit Mitarbeiter verdächtiges Verhalten ohne Angst vor Übergriffen melden können.
Zu den strukturellen und baulichen Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalt am Arbeitsplatz gehören unter anderem
- professionelle Sicherheitssysteme wie Zugangskontrollkarten, Panikknöpfen und Videoüberwachung an sensiblen oder schwer einsehbaren Standorten im Unternehmen,
- uugängliche Notausgänge sowie
- Sicherheits- und Schutzräume in öffentlichen Gebäuden oder Unternehmen mit Publikumsverkehr.
- Computersysteme sollten ebenfalls über cybergesicherte Schutzsysteme verfügen, um digitalen Missbrauch von Daten und digitales Mobbing entgegenzuwirken.
Durch proaktive und präventive Maßnahmen können Arbeitgeber dazu beitragen, die Sicherheit ihrer Belegschaft zu gewährleisten.
Was können Vorgesetzte und Mitarbeiter bei Gewalt am Arbeitsplatz tun?
Verschiedene Statistiken zeigen, dass es in Deutschland häufig zu Gewalt am Arbeitsplatz kommt. Neben subtilen Beleidigungen und Mobbing gehört körperliche Gewalt ebenfalls zu den Folgen, die Betroffene erleiden müssen.
Werden in einem Unternehmen Vorfälle bekannt, bei denen es zu externer oder interner Gewalt gekommen ist, ist es essenziell, dass das Unternehmen und die verantwortlichen Vorgesetzten gezielte Maßnahmen ergreifen, um weitere Übergriffe zu verhindern.
Wesentlich ist, dass die betroffenen Mitarbeiter ihre Rechte kennen und ermutigt werden, jeden Vorfall von Gewalt am Arbeitsplatz umgehend zu melden. Arbeitgeber und Vorgesetzte sollten auch dafür sorgen, dass eine Null-Toleranz-Haltung gegenüber allen Formen von Gewalt oder Missbrauch am Arbeitsplatz sowie klare Verfahren für den Umgang mit gewalttätigen Situationen zu den Unternehmenswerten gehören. Betroffene Arbeitnehmer sollten sich bei Beleidigungen, Bedrohungen oder Gewalt öffnen können und die Vorfälle eindeutig und umfassend ohne Angst kommunizieren können. Das Einrichten von Panikknöpfen oder Alarmsystemen in öffentlichen Gebäuden, Kameras und Zugangskontrollvorrichtungen kann zusätzlich helfen, Betroffenen Sicherheit zu geben.
Schließlich ist es wichtig, dass Arbeitgeber eine Kultur des Respekts und der Gleichberechtigung unter allen Mitarbeitern fördern. Vorgesetzte sollten sich proaktiv um ein Umfeld positiver Kommunikation und Zusammenarbeit bemühen und ihre Mitarbeiter ermutigen, sich zu melden, wenn sie unangemessenes Verhalten oder eine unangemessene Einstellung in ihrem Unternehmen bemerken.
Ist eine Kündigung wegen Gewalt am Arbeitsplatz möglich?
Kann einem Kollegen zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass er einen anderen Mitarbeiter belästigt, bedroht oder tätlich angegriffen hat, ist das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nachhaltig zerstört. In diesem Fall kann der Arbeitsvertrag fristlos und gleichzeitig hilfsweise fristgerecht gekündigt werden, falls der Täter eine Klage beim Arbeitsgericht anstrengt. Dies legen verschiedene Urteile von Arbeitsgerichten nahe, beispielsweise:
- verhaltensbedingte Kündigung wegen Tätlichkeit: BAG – 2 AZR 280/04 oder
- fristlose Kündigung bei Gewaltandrohung: 5 Ca 254/21 oder
- fristlose Kündigung wegen Mobbing: 3 Sa 224/09.
Wie weit ist Gewalt am Arbeitsplatz verbreitet?
Eine Statistik aus dem Jahr 2021 von Statista in Kooperation mit YouGov zeigt, dass 29 Prozent der Befragten schon einmal am Arbeitsplatz gemobbt wurden. In den meisten Fällen fand das Mobbing in direkter sozialer Interaktion statt. Eine weitere Statistik der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung gibt darüber hinaus aus, dass mehr als 10.400 Beschäftigte im Jahr 2016 Opfer von physischer Gewalt waren. Besonders betroffen sind Mitarbeiter in Kranken- und Pflegeeinrichtungen, im öffentlichen Nahverkehr und in Verkaufseinrichtungen.