Factoring als Exportfinanzierung

Factoring als Exportfinanzierung: Alle Infos auf einen Blick

Unternehmen, die Exportgeschäfte vollziehen, müssen sich sowohl kurz- als auch langfristig finanzieren. Vor allem bei Exportgeschäften, die mehrere kurzfristigere offene Forderungen umfassen, greifen Unternehmen zum sogenannten Factoring - ein Finanzierungsinstrument, bei dem offene Forderungen gegen unmittelbare Zahlungen verkauft werden. Doch wann eignet sich das Factoring für Exportunternehmen? Welche Vor- und Nachteile das Factoring als Exportfinanzierung bietet und wie das Factoring im Detail funktioniert und in der Praxis abläuft, erfahren Sie in diesem Artikel.
Inhaltsverzeichnis

Was versteht man unter Factoring?

Factoring bezieht sich auf eine Finanzdienstleistung, bei der ein Unternehmen seine ausstehenden Forderungen fortlaufend an einen Dritten, den sogenannten Factor, verkauft. Dieser Factor übernimmt die Verantwortung für das Inkasso der offenen Beträge, also das Ausfallrisiko, oftmals aber auch das Debitorenmanagement und das Mahnwesen – für zusätzliche Gebühren. Dafür gewährt die Factoring-Gesellschaft dem verkaufenden Unternehmen im Gegenzug einen sofortigen Liquiditätszufluss.

Aufgrund der zusätzlichen Leistungen (wie die Buchhaltung, Bonitätsprüfung und das Schreiben von Mahnungen) erhebt die Factoring-Gesellschaft neben einer Gebühr für das Ausfallrisiko ebenfalls Servicegebühren, die vom Forderungswert abgezogen werden.

Des Weiteren erhält der Exporteur zu Beginn stets nur 80 bis 90 Prozent der Forderungen, da ein Sicherheitseinbehalt von zwischen 10 und 20 Prozent der Forderungssumme einbehalten wird. Dieser wird jedoch mit Bezahlung der Forderung an den Verkäufer zurücküberwiesen.

Factoring wird oft als eine effektive Methode zur Optimierung des Working Capitals und zur Verbesserung der finanziellen Flexibilität von Unternehmen genutzt.

Was ist der Unterschied zwischen offenen und stillen Factoring?

Der Unterschied zwischen stillem Factoring und offenem Factoring liegt in der Transparenz gegenüber den Kunden des Unternehmens.

Beim stillen Factoring bleibt die Zusammenarbeit zwischen dem Factoring-Anbieter und dem Schuldner (Kunden des Unternehmens) unbemerkt. Das bedeutet, dass die Kunden des Unternehmens nicht darüber informiert werden, dass die Forderungen an einen Factor verkauft wurden. Die Begleichung der offenen Forderung erfolgt also an den ursprünglichen Verkäufer, dem Exporteur. Dieser ist anschließend dazu aufgefordert, den Betrag an die Factoring-Gesellschaft zu übermitteln.

Im Gegensatz dazu ist beim offenen Factoring die Zusammenarbeit für alle Beteiligten transparent. Die Kunden des Unternehmens werden darüber informiert, dass die Forderungen an einen Factor verkauft wurden. Der Kunde übermittelt die ausstehende Forderung direkt an die Factoring-Gesellschaft.

Wichtig: Diese Transparenz kann jedoch auch dazu führen, dass Kunden das Unternehmen als weniger solvent oder finanziell stabil einschätzen.

Wie unterscheidet sich das Factoring von der Forfaitierung?

Die Forfaitierung und das Factoring sind zwar beide Formen der Exportfinanzierung, weisen jedoch entscheidende Unterschiede auf. Beide Instrumente beinhalten den Verkauf von Forderungen an Dritte, die das Zahlungsrisiko übernehmen und dem Verkäufer sofortige Liquidität bieten. Der wesentliche Unterschied liegt jedoch in der Art der übertragenen Forderungen, dem zeitlichen Rahmen und dem Umfang der Leistungen.

Die Forfaitierung bezieht sich in der Regel auf langfristige einzelne Exportforderungen mit höheren Beträgen. Die Forfaitierungsgesellschaft erhält einen Diskont und übernimmt damit das Risiko eines Zahlungsausfalls, aber auch weitere Risiken, z.B. betreffend der Währung oder politischen Veränderungen.

Im Gegensatz dazu bezieht sich das Factoring auf Forderungen aus einem vereinbarten Zeitraum. Im Mittelpunkt steht also ein Bündel an Forderungen, für die auch das Debitorenmanagement und das Inkasso erfolgt. Aufgrund dieser zusätzlichen Leistungen fordern Factoring-Unternehmen ebenfalls Servicekosten. Hinzu kommt ein Sicherheitseinbehalt von ca. 10 bis 20 Prozent der Verkaufssumme.

Wie funktioniert das Factoring in der Praxis?

Das Factoring als Exportfinanzierung durchläuft mehrere Schritte, beginnend mit der Auswahl des Factoring-Dienstleisters bis zur endgültigen Begleichung der Forderungen. Wie der Prozess des Factorings genau abläuft, haben wir Ihnen im Folgenden Schritt für Schritt skizziert:

  1. Auswahl des Factoring-Dienstleisters: Das Unternehmen wählt einen geeigneten Factoring-Dienstleister basierend auf den Konditionen, Dienstleistungen und dem Ruf des Anbieters.
  2. Prüfung der Bonität vom Exporteur und dessen Kunden: Der Factoring-Anbieter führt eine Bonitätsprüfung der Debitoren des Unternehmens durch, um das Risiko von Zahlungsausfällen besser einschätzen zu können. Dieser Schritt beeinflusst die Höhe der Vorfinanzierung und die Gebührenstruktur.
  3. Vertragsabschluss: Nach der Bonitätsprüfung erfolgt die Festlegung der Konditionen. Diese weisen neben den zu leistenden Kosten für das Delkrederisiko auch die Gebühren für weitere Serviceleistungen, z.B. die Übernahme des Debitorenmanagements und dem Inkasso, und die Höhe des Sicherungseinbehalts auf.
  4. Übermittlung der offenen Forderungen an Factoringsgesellschaft: Das Unternehmen übergibt dem Factoring-Dienstleister die offenen Forderungen. Dies kann auf Basis von laufenden Rechnungen oder einem regelmäßigen Forderungspool erfolgen.
  5. Sofortige Liquidität: Der Factoring-Anbieter zahlt dem Unternehmen einen sofortigen Teilbetrag, in der Regel zwischen 80 und 90 Prozent der Forderungssumme, als Vorfinanzierung aus. Diese Liquidität steht dem Unternehmen unmittelbar zur Verfügung.
  6. Übernahme des Ausfallsrisikos, des Debitorenmanagements und dem Inkasso: Das Factoring-Unternehmen übernimmt die vertraglich vereinbarten Pflichten.
  7. Begleichung der Forderung durch den Kunden: Der Kunde begleicht die offene Forderung, indem die Geldsumme an den Factoring-Anbieter transferiert wird.
  8. Übermittlung des Sicherheitseinbehalt: Erst, wenn die offene Forderung durch den Kunden beglichen wurde, erhält der Verkäufer seinen Sicherheitseinbehalt zurück. Allerdings bekommt der Exporteur durch die Servicegebühren und die Kosten für das Ausfallrisiko nicht wieder 100 Prozent zurück. Diese Kosten werden vorher abgezogen.

Wichtig: Beim stillen Factoring wird das Geld zum Begleichen der offenen Forderung nicht an die Factoring-Gesellschaft überweisen, sondern an den ursprünglichen Verkäufer, dem Exporteur. Dieser leitet den Betrag still an den Factor weiter.

Was sind die Vorteile vom Factoring als Exportfinanzierung?

Das Factoring als Exportfinanzierung bietet eine Vielzahl von Vorteilen für Unternehmen:

  1. Sofortige Liquidität: Ein entscheidender Vorteil des Factorings als Exportfinanzierung liegt in der sofortigen Liquiditätsbereitstellung. Durch den Verkauf ausstehender Forderungen erhält das exportierende Unternehmen umgehend finanzielle Mittel, um operative Kosten zu decken, Produktionszyklen zu finanzieren oder neue Geschäftsmöglichkeiten zu nutzen.
  2. Risikominimierung: Factoring überträgt das Risiko von Zahlungsausfällen und Währungsschwankungen auf den Factor. Dies ermöglicht es dem exportierenden Unternehmen, sich auf sein Kerngeschäft zu konzentrieren, ohne sich um die Bonität der Debitoren oder mögliche Verluste durch unvorhergesehene Ereignisse sorgen zu müssen.
  3. Debitorenmanagement: Factoring-Anbieter bieten oft Dienstleistungen im Debitorenmanagement an. Dies entlastet Unternehmen von administrativen Aufgaben und ermöglicht es ihnen, sich stärker auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren.
  4. Verbesserte Verhandlungsposition: Mit sofortiger Liquidität durch Factoring kann das Unternehmen in Verhandlungen mit Lieferanten oder bei der Erschließung neuer Märkte besser agieren. Die finanzielle Flexibilität eröffnet Möglichkeiten, von Skonti zu profitieren oder attraktivere Konditionen für Einkäufe zu verhandeln.
  5. Stärkung der Bilanzstruktur: Factoring beeinflusst die Bilanzstruktur positiv, da ausstehende Forderungen in liquide Mittel umgewandelt werden. Dies kann die Eigenkapitalquote verbessern und die Kreditwürdigkeit des Unternehmens stärken.
  6. Anpassungsfähigkeit an Wachstum: Factoring wächst mit dem Unternehmen mit. Je mehr Forderungen entstehen, desto mehr finanzielle Mittel können durch den Verkauf dieser Forderungen generiert werden. Dies ermöglicht eine flexible Finanzierung, die sich an das Wachstum des Exportgeschäfts anpasst.
  7. Internationale Expertise: Spezialisierte Factoring-Anbieter verfügen oft über umfassende Erfahrung im internationalen Handel. Die Zusammenarbeit mit solchen Dienstleistern kann wertvolle Einblicke, Netzwerke und Unterstützung bei grenzüberschreitenden Geschäften bieten.

Zusammengefasst trägt das Factoring als Exportfinanzierung dazu bei, finanzielle Engpässe zu überwinden, Risiken zu minimieren und die Flexibilität von Unternehmen im internationalen Handel zu stärken.

Welche Risiken birgt das Factoring?

Obwohl das Factoring als Exportfinanzierung verschiedene Vorteile bietet, sind auch Risiken mit diesem Finanzierungsinstrument verbunden. Dazu gehören unter anderem Folgende:

  1. Ausfallrisiko beim unechten Factoring: Eines der Hauptrisiken beim unechten Factoring als Exportfinanzierung ist das Ausfallrisiko. Wenn die Debitoren trotz Übernahme durch den Factor ihre Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen, trägt das exportierende Unternehmen das Risiko von Forderungsausfällen.
  2. Kosten des Factorings: Die Nutzung von Factoring-Dienstleistungen ist natürlich mit Kosten verbunden – neben den Zinsen ebenfalls Servicegebühren.
  3. Sicherheitseinbehalt: Beim Factoring wird in der Regel ein Sicherheitseinbehalt von bis zu 20 Prozent vereinbart, der lediglich bei Erfüllung der Forderungen durch den Kunden an den Exporteur zurückgezahlt wird.
  4. Einfluss auf Kundenbeziehungen: Die Offenlegung des Factorings gegenüber den Kunden könnte das Vertrauen beeinträchtigen. Einige Kunden könnten Bedenken hinsichtlich einer Drittpartei haben, die in den Zahlungsprozess involviert ist, was die Kundenbeziehungen negativ beeinflussen könnte.
  5. Gebundenheit: In der Praxis werden nicht selten längerfristige Factoring-Verträge geschlossen, sodass Unternehmen über einen gewissen Zeitraum an den Factor gebunden sind.

Es ist wichtig, dass Unternehmen die Risiken des Factorings als Exportfinanzierung genau abwägen und sorgfältig prüfen, ob die Vorteile die potenziellen Nachteile überwiegen. Eine gründliche Analyse der Vertragsbedingungen und eine klare Kommunikation mit dem Factor sind entscheidend, um Risiken zu minimieren.

Wann eignet sich das Factoring zur Finanzierung von Exportgeschäften?

Das Factoring als Exportfinanzierung eignet sich besonders in verschiedenen Szenarien, wenn Unternehmen vor spezifischen Herausforderungen stehen oder besondere finanzielle Bedürfnisse haben. Hier sind einige Situationen, in denen das Factoring als Exportfinanzierung besonders angebracht sein könnte:

  1. Wachstumsphasen und Kapitalbedarf: In Zeiten des Unternehmenswachstums, in denen zusätzliches Kapital für die Expansion benötigt wird, kann Factoring eine schnelle und flexible Finanzierungslösung bieten. Unternehmen können so Wachstumschancen nutzen, ohne auf langwierige Kreditprozesse angewiesen zu sein.
  2. Fokussierung auf das Kerngeschäft: Wenn Unternehmen ihre Ressourcen und Aufmerksamkeit auf ihr Kerngeschäft konzentrieren möchten, kann das Outsourcing des Debitorenmanagements durch Factoring dazu beitragen. Das Unternehmen kann sich auf Vertrieb, Produktion und Innovation konzentrieren, während der Factor sich um das Inkasso kümmert.
  3. Verbesserung der Bilanzstruktur: Unternehmen, die ihre Bilanzstruktur optimieren und ihre Eigenkapitalquote stärken wollen, können durch den Verkauf von Forderungen an den Factor ihre Bilanz positiv beeinflussen. Das Factoring ermöglicht die Umwandlung ausstehender Forderungen in sofortige Liquidität.