Führungszeugnis: Wann darf der Arbeitgeber es verlangen?
- Was ist ein Führungszeugnis?
- Was beinhaltet ein Führungszeugnis?
- Welche Arten von Führungszeugnissen gibt es?
- Darf der Arbeitgeber ein Führungszeugnis verlangen?
- Wer kann das Führungszeugnis beantragen?
- Wann muss der Arbeitgeber ein Führungszeugnis verlangen?
- Wie ermitteln Sie Vorstrafen von Bewerbern ohne Führungszeugnis?
- Was sind die Pflichten des Arbeitgebers beim Führungszeugnis?
Was ist ein Führungszeugnis?
Beim Führungszeugnis handelt es sich nicht um ein speziell ausgestelltes Zeugnis, sondern um einen Auszug aus dem sogenannten Bundeszentralregister. Das Bundesamt für Justiz führt dieses zentrale Strafregister für jede Person, die das 14. Lebensjahr vollendet hat. Welche Daten über Verurteilungen und Strafen darin genau erfasst werden, regelt das Bundeszentralregistergesetz (BZRG).
Was beinhaltet ein Führungszeugnis?
Festgehalten werden zum Beispiel:
- Strafrechtliche Verurteilungen, die von deutschen Gerichten ausgesprochen wurden
- Verurteilungen, die von ausländischen Gerichten gegen Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit ausgesprochen wurden
- Vermerke über eine etwaige Schuldunfähigkeit
- Entscheidungen von Verwaltungsbehörden
Die entsprechenden Einträge bleiben allerdings nicht für immer bestehen. Denn je nach Straftat können die Eintragungen laut BZRG nach Ablauf einer Frist (meist nach einigen Jahren)auch wieder getilgt werden. Doch es gibt Ausnahmen: Bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder der Anordnung von Sicherungsverwahrung entfällt die Tilgung.
Welche Arten von Führungszeugnissen gibt es?
Wird nun ein Führungszeugnis, also eine Information über die Einträge im Bundeszentralregister, beantragt, kann der entsprechende Auszug mehr oder weniger ausführlich sein. Je nachdem, für welchen Zweck das Dokument gedacht ist, gibt es deshalb verschiedene Arten von Führungszeugnissen.
Führungszeugnis für private Zwecke
Das Zeugnis für private Zwecke, umgangssprachlich auch als „polizeiliches Führungszeugnis“ bekannt, können Privatpersonen beim Bundesjustizministerium gegen Vorlage des Personalausweises und eine kleine Gebühr selbst beantragen. So besteht auch für Arbeitnehmer die Möglichkeit, Einsicht in den Registerauszug über die eigene Person zu erlangen. Unter anderem ist das polizeiliche Führungszeugnis für Arbeitgeber und private Arbeitsverhältnisse geeignet und enthält nur Daten über schwerere Vergehen.
Verwarngelder oder Jugendstrafen werden in dieser Form des Führungszeugnisses deshalb nicht erwähnt. Auch einmalige Verurteilungen, bei denen eine Freiheitsstrafe von weniger als drei Monaten oder eine Geldstrafe über weniger als 90 Tagessätze verhängt wurde, tauchen nicht auf.
Wer bisher geringfügige Straftaten begangen hat, die im privaten Führungszeugnis nicht erscheinen, gilt in Deutschland offiziell auch weiterhin als „nicht vorbestraft“.
Erweitertes Führungszeugnis
Grundsätzlich enthält diese Form des Führungszeugnisses dieselben Angaben wie das private Führungszeugnis – allerdings mit einem anderen Schwerpunkt. Denn ein erweitertes Führungszeugnis ist für Arbeitnehmer oder auch Freiwillige gedacht, die im Bereich der Kinder- und Jugendbetreuung arbeiten möchten. Dabei ist es unerheblich, ob es um eine berufliche, ehrenamtliche oder sonstige Tätigkeit geht: Wer Kinder und Jugendliche bereut, erzieht oder an ihrer Ausbildung mitwirkt, muss seine Eignung grundsätzlich durch die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses nachweisen.
Aus diesem Grund fallen in diesem Dokument geringfügige Straftaten nicht pauschal weg, sondern werden nach der jeweiligen Relevanz unterschieden. So führt das erweiterte Führungszeugnis auch kleinere Strafen auf, wenn das Vergehen der Person in den Bereich der Kinder- oder Jugendgefährdung fällt – das betrifft nicht nur Sexualdelikte, sondern zum Beispiel auch Betrug oder Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Das verhängte Strafmaß ist in diesem Fall unerheblich.
§ 72a SGB VIII regelt, dass Träger der öffentlichen Jugendhilfe keine Personen beschäftigen dürfen, die einschlägig vorbestraft sind – also bereits wegen kinder- oder jugendgefährdender Straftaten in irgendeiner Form verurteilt wurden.
Behördliches Führungszeugnis
Wie der Name bereits vermuten lässt, handelt es sich beim behördlichen Führungszeugnis um einen vollumfänglichen Auszug aus dem Strafregister, der ausschließlich für Mitarbeiter von Behörden, z. B. Richter und Staatsanwälte, gedacht ist. Diese Art von Zeugnis muss der Betroffene ebenfalls selbst beantragen, es wird ihm allerdings nicht persönlich ausgehändigt. Denn normalerweise sendet das Bundesjustizministerium den Registerauszug direkt an die entsprechende Behörde.
Wer dennoch Einsicht in diese Aufstellung erhalten möchte, kann in der Regel einen Antrag auf vorherige Übersendung zum zuständigen Amtsgericht stellen – und dort selbst einen Blick auf die enthaltenen Daten werfen. Diese sind beim behördlichen Führungszeugnis auch deutlich ausführlicher: Sofern die begangene Straftat noch nicht wieder gestrichen wurde, sind hier alle Informationen aus dem Bundeszentralregister enthalten. Vor allem Wirtschaftskriminalität und Gewerbeverstöße, aber auch der Entzug eines Waffenscheins und ähnliche Vorkommnisse bleiben hier nicht ausgespart – denn sie könnten beispielsweise bei einem Gerichtsprozess für die Justiz relevant sein.
Europäisches Führungszeugnis
Einen Sonderfall des Führungszeugnisses stellt das europäische Führungszeugnis dar. Hiermit können auch Einträge aus den Strafregistern anderer EU-Länder abgefragt werden. Vor allem bei Arbeitnehmern oder Bewerbern mit anderer Staatsangehörigkeit lassen sich mögliche Verurteilungen und Strafen so in Erfahrung bringen.
Welche Angaben das jeweilige Land dabei an das Bundesamt für Justiz übermittelt, ist allerdings nicht genau geregelt. Je nach Informationslage ist dieses Dokument also nur bedingt aussagekräftig. In besonders sensiblen Branchen oder bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten kann das europäische Führungszeugnis allerdings durchaus relevante Informationen über den zukünftigen Arbeitnehmer preisgeben.
Inwiefern Arbeitgeber jedoch überhaupt ein Führungszeugnis verlangen dürfen, hängt von verschiedenen Umständen ab.
Darf der Arbeitgeber ein Führungszeugnis verlangen?
Grundsätzlich müssen Arbeitgeber, die ein Führungszeugnis von Angestellten oder Bewerbern verlangen, ein berechtigtes Interesse nachweisen. Wie bei allen anderen Datenschutz-relevanten Angaben, hängt es allerdings oft vom Einzelfall und der jeweiligen Auslegung ab, inwiefern die Forderung nach einem Führungszeugnis gerechtfertigt ist.
Wann ist die Forderung nach einem Führungszeugnis berechtigt?
Ist der Arbeitnehmer beispielsweise in einer besonders sensiblen Position wie zum Beispiel in einer Bank tätig, in der er Finanzmittel der Firma verwaltet oder umfangreichen Zugriff auf die persönlichen Daten anderer hat, kann ein berechtigtes Interesse durchaus vorliegen. Auch ein Arbeitsverhältnis im Wach- und Schutzgewerbe, wo es um die Unversehrtheit und das Eigentum Dritter geht, berechtigt das Unternehmen, die Vorlage eines Führungszeugnisses zu fordern. Ein Sonderfall ist außerdem die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, bei der die Eignung sogar verpflichtend über ein erweitertes Führungszeugnis vom Arbeitgeber belegt werden muss.
Ein Führungszeugnis darf also immer dann verlangt werden, wenn für die Position jegliche Vorstrafen relevant sind. Beispiele wären unter anderem eine Stelle als Datenschutzbeauftragter oder als Bankberater. Abseits solcher klaren Präzedenzfälle ist das Recht auf die Forderung eines Führungszeugnisses durch den Arbeitgeber aber oft Auslegungssache – und endet deshalb nicht selten vor Gericht.
Wer kann das Führungszeugnis beantragen?
Zudem sollten sich Arbeitgeber darüber bewusst sein, dass sie den Auszug aus dem Strafregister nicht selbst veranlassen können. Denn nur die Person, die das Führungszeugnis betrifft, kann die Ausstellung beantragen. Allein die Forderung kann Bewerber und Arbeitnehmer allerdings unnötig verunsichern und sollte deshalb immer gut überlegt sein.
Wann muss der Arbeitgeber ein Führungszeugnis verlangen?
In manchen Fällen müssen Arbeitgeber sogar ein Führungszeugnis verlangen – zum Beispiel, wenn es sich um einen freien Träger der Jugendhilfe handelt. Speziell für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gibt es deshalb die Option auf das erweiterte Führungszeugnis. § 30a des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) regelt dazu Folgendes:
„(1) Einer Person wird auf Antrag ein erweitertes Führungszeugnis erteilt,
- wenn die Erteilung in gesetzlichen Bestimmungen unter Bezugnahme auf diese Vorschrift vorgesehen ist oder
- wenn dieses Führungszeugnis benötigt wird für
a) eine berufliche oder ehrenamtliche Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger oder
b) eine Tätigkeit, die in einer Buchstabe a vergleichbaren Weise geeignet ist, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen.“
Bei der Auslegung des Gesetzes sollte man aber differenziert vorgehen: Lehrer oder Erzieher haben in ihrem Arbeitsalltag intensiven Kontakt mit Kindern und Jugendlichen, wobei auch potenzielle Gefahrensituationen entstehen können. Gleiches gilt für den Trainer bzw. die Trainerin einer Bodenturngruppe. Anders sieht es hingegen beim Ausbilder in einem Schlosserbetrieb aus, der womöglich bald einen minderjährigen Azubi bekommt.
Das Landesgericht Hamm hat in einem Gerichtsurteil (LAG Hamm, Urteil vom 4.7.2014, Az. 10 Sa 171/14) deshalb entschieden, dass allein die Option auf den Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen nicht rechtfertigt, dass der Arbeitgeber ein Führungszeugnis verlangt. Die Auslegung und Beurteilung der möglichen Gefahrensituationen unterliegt aber einem gewissen Spielraum und ist vom Einzelfall abhängig.
Wie ermitteln Sie Vorstrafen von Bewerbern ohne Führungszeugnis?
Natürlich ist es nachvollziehbar, dass Arbeitgeber nicht nur im Zusammenhang mit der Gefährdung von Kindern und Jugendlichen wissen wollen, ob ihre zukünftigen Mitarbeiter möglicherweise vorbestraft sind. Allerdings ist dafür nicht unbedingt ein Führungszeugnis erforderlich.
Grundsätzlich können Unternehmen (fast) alles durch Fragen im Bewerbungsgespräch in Erfahrung bringen. Hier ist einzig und allein das Persönlichkeitsrecht des Gegenübers zu wahren.
Im Vorstellungsgespräch darf der Arbeitgeber bzw. der Mitarbeiter der Personalabteilung alle Fragen stellen, die mit der zu besetzenden Position in einem sachlichen Zusammenhang stehen und für das Arbeitsverhältnis von Relevanz sind.
Das heißt im Umkehrschluss: Fragen zu einer kriminellen Vergangenheit bzw. zu Vorstrafen sind nur dann erlaubt, wenn sie für die Stelle von Bedeutung sind. Wer beispielsweise wegen der Veruntreuung von Geldern bereits verurteilt wurde, eignet sich nicht für eine Stelle als Stadtkämmerer.
Was sind die Pflichten des Arbeitgebers beim Führungszeugnis?
Wer als Arbeitgeber von Bewerbern oder Mitarbeitern ein Führungszeugnis verlangt, sollte einige wesentliche Dinge beachten.
- Rechtssicherheit: Vor der Forderung nach einem polizeilichen oder erweiterten Führungszeugnis sollte eindeutig geklärt sein, ob gegenüber dem Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse besteht. Agiert der Arbeitgeber nicht in einer einschlägig geregelten Branche, ist deshalb im Zweifel anwaltlicher Rat einzuholen.
- Zeitpunkt: Ist die Einsichtnahme in den Auszug aus dem Bundeszentralregister notwendig, sollten Sie dies möglichst vor Beginn des Arbeitsverhältnisses ansprechen. Erfolgt die Forderung nach einem Führungszeugnis vom Arbeitgeber erst nachträglich, beispielsweise nach einigen Jahren, können Arbeitnehmer die Bescheinigung über ihre Strafen laut Arbeitsrecht zu verweigern.
- Erklärung: Sinnvoll ist es, den Bewerbern oder Arbeitnehmern eine transparente Erklärung zu liefern, weshalb ein polizeiliches Führungszeugnis notwendig ist. Das können einerseits die gesetzlichen Vorgaben bei der Arbeit mit Kindern sein, die auch im Sozialgesetzbuch (SGB) hinterlegt sind. Andererseits ist auch die individuelle Situation im Unternehmen oder am Arbeitsplatz ein möglicher Grund.
- Datenschutz: Sämtliche persönlichen Informationen, die in die Hände der Personalabteilung bzw. in die Personalakte gelangen, müssen sensibel behandelt werden. Die Persönlichkeitsrechte nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) haben hier oberste Priorität. Beschäftigte müssen sich darauf verlassen können, dass Interna nicht nach außen gelangen oder womöglich Auswirkungen auf die individuelle Behandlung innerhalb des Unternehmens haben.
Wer ein Führungszeugnis in den Händen hält, wird mitunter auch an Informationen gelangen, die für eine ausgeschriebene Stelle nicht von Relevanz sind. Gerade hier gilt es, Stillschweigen zu bewahren. Sensibilisieren Sie auch Mitarbeiter und Kollegen für dieses Thema – und wägen Sie im Zweifel ab, ob der Auszug aus dem Bundeszentralregister überhaupt notwendig ist.