Schwerbehinderter Bewerber wird zum Vorstellungsgespräch eingeladen

Schwerbehinderte beim Vorstellungsgespräch

Viele Unternehmen wollen sich für mehr Diversität einsetzen und wer Schwerbehinderte einstellt, sorgt automatisch für mehr Inklusion. Schwerbehinderte bringen andere Perspektiven mit und können für bestimmte Themen aus ihrer Sicht sensibilisieren, wovon das gesamte Team und auch das Unternehmensimage profitieren können. Entscheidend ist, dass Sie im Bewerbungsprozess keine Fehler im Umgang mit Schwerbehinderten machen und sie den Richtlinien entsprechend zu Vorstellungsgesprächen einladen. Dabei gibt es unterschiedliche Vorgaben für öffentliche und private Arbeitgeber.
Inhaltsverzeichnis

Wie ist der Umgang mit Schwerbehinderten bei Vorstellungsgesprächen geregelt?

Die gesetzliche Grundlage für den diskriminierungsfreien Umgang mit schwerbehinderten Bewerbern und Bewerberinnen liegt im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sowie im Sozialgesetzbuch (SGB IX, § 81 und 82) begründet. 

Der entsprechende Part des Sozialgesetzbuches steht unter dem Titel „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“ – damit sind Menschen gemeint, bei denen ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50, in Ausnahmefällen auch schon mit einem GdB von 30 (gleichgestellte behinderte Menschen) festgestellt ist. Mit diesem Grad sind keine Prozentangaben gemeint, sondern es wird der Grad der Beeinträchtigung gemessen. Die Berechnung erfolgt in Zehnerschritten und die Skala reicht von 20 bis 100, von einer Schwerbehinderteneigenschaft spricht man ab einem GdB von 50.

Grundsätzlich gilt: Sobald dem Arbeitgeber eine Bewerbung eines schwerbehinderten Interessenten vorliegt, muss er die Schwerbehindertenvertretung sowie die Arbeitnehmervertretung des Unternehmens hierüber unverzüglich in Kenntnis setzen. Dieser Schritt ist auch dann nötig, wenn die fachliche Eignung des Bewerbers angezweifelt wird. Werden die genannten Gremien nicht benachrichtigt, kann dies bereits als Diskriminierung gedeutet werden.

Wann müssen Schwerbehinderte von öffentlichen Arbeitgebern zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden? 

Im öffentlichen Dienst gelten genaue Vorgaben dafür, wann Schwerbehinderte zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden müssen. So haben öffentliche Arbeitgeber die Pflicht, Vorstellungsgespräche mit schwerbehinderten Interessenten wahrzunehmen, sofern die fachliche Eignung des Bewerbers nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. Das gilt sowohl bei internen Ausschreibungen als auch bei externen Ausschreibungen.

§ 82 Satz 2 SGB IX untermauert hierbei die besonderen Ansprüche von Schwerbehinderten auf Gleichbehandlung, indem die Regelung diesem Personenkreis das Recht auf einen persönlichen Vorstellungstermin im Anschluss an eine Bewerbung für den öffentlichen Dienst ausdrücklich einräumt. Der Bewerber soll hierdurch die Möglichkeit erhalten, seine Kompetenzen sowie fachlichen Voraussetzungen darzustellen und sein Gegenüber von seiner Leistungsfähigkeit und der Eignung für den zu besetzenden Arbeitsplatz zu überzeugen.

Für Schwerbehinderte gibt es hierbei die Pflicht, auf ihre Schwerbehinderung im Anschreiben ausdrücklich hinzuweisen. Andernfalls greifen die gesetzlichen Ansprüche nicht. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, bei fehlendem Hinweis zunächst alle Unterlagen auf einen Vermerk zum Schwerbehindertenstatus zu durchforsten.

Welche Ausnahmen gibt es für das Einladen schwerbehinderter Bewerber?

Eine Ausnahme gibt es, wenn es sich um sogenannte gestufte Ausschreibungsverfahren handelt. Das bedeutet, dass externe Bewerber nur dann in Betracht kommen sollen, wenn sich intern niemand findet. 

Falls es genügend interne Bewerber mit entsprechender Eignung gibt, müssen externe Schwerbehinderte nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden und öffentliche Arbeitgeber machen sich auch nicht der Diskriminierung schuldig. Hier zählt das Kriterium Schwerbehinderung bei externen Bewerbern nicht, wenn es zunächst um eine interne Stellenvergabe gehen soll.

Was gilt, wenn schwerbehinderte Bewerber fachlich nicht geeignet sind?

Ein weiterer Grund, Schwerbehinderte nicht zum Vorstellungsgespräch einladen zu müssen ist, wenn die fachliche Eignung offensichtlich nicht vorhanden ist. Um auf Nummer Sicher zu gehen, dass Sie als Arbeitgeber nichts übersehen, sollten Sie einen solchen Fall immer mit der Schwerbehindertenvertretung besprechen. Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, Einsicht in alle Bewerberunterlagen zu nehmen und an Vorstellungsgesprächen teilzunehmen. Bewerber können jedoch auch ablehnen, dass die Schwerbehindertenvertretung am Gespräch teilnimmt.

Die fehlende fachliche Qualifikation muss offenkundig und eindeutig festellbar sein. Zweifel oder Vermutungen reichen für eine Absage nicht aus. Laut § 82 Satz 3 SGB IX lässt sich nur im eindeutigen Fall auf eine Einladung zum Vorstellungsgespräch verzichten. Allerdings lässt sich die Eignung für eine Stelle nur sehr selten von vornherein vollständig ausschließen.

Tipp: In unklaren Fällen ist es ratsam, den Bewerber zum Gespräch einzuladen. Der Arbeitgeber befindet sich dann rechtlich gesehen auf der sicheren Seite und umgeht etwaige Diskriminierungsvorwürfe.

Was passiert, wenn öffentliche Arbeitgeber Schwerbehinderte nicht zum Vorstellungsgespräch einladen?

Wenn kein gestuftes Ausschreibungsverfahren vorliegt und eine schwerbehinderte Person keine Einladung zum Vorstellungsgespräch erhält, besteht bereits der Verdacht auf Diskriminierung. Schwerbehinderte können klagen und haben gute Chancen auf Entschädigungszahlungen, wenn sie das Anforderungsprofil erfüllen, für die Stelle grundsätzlich geeignet sind und in ihrem Anschreiben ihre Schwerbehinderung deutlich machen. 

Wann müssen Schwerbehinderte von privaten Arbeitgebern zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden? 

Handelt es sich um einen privaten Arbeitgeber, besteht im Gegensatz zu öffentlichen Arbeitgebern keine Verpflichtung, schwerbehinderte Bewerber einzuladen. Dazu angehalten sind sie aber dennoch, mit dem Hintergrund, die Teilnahme schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben zu fördern und Bewerbungsverfahren diskriminierungsfrei zu gestalten. 

Um die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung auszuschließen, sollten auch private Arbeitgeber die Bewerbungen schwerbehinderter Stelleninteressenten im Auswahlprozess berücksichtigen. Sind schwerbehinderte Personen nicht eindeutig fachlich ungeeignet, kann eine Einladung zum Vorstellungsgespräch vor möglichen Folgen einer Diskriminierung schützen. Daher empfiehlt sich die Einladung Schwerbehinderter zum Vorstellungsgespräch auch für private Arbeitgeber, da der Verdacht auf Diskriminierung in Entschädigungsansprüchen für den Bewerber enden kann.

Dürfen Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch nach einer Schwerbehinderung fragen?

Nicht jeder Bewerber macht eine Behinderung oder Schwerbehinderung auf einer Bewerbung kenntlich, aus Sorge vor Benachteiligungen oder aus Angst, den Anforderungen nicht gerecht zu werden. Grundsätzlich besteht für Behinderte oder Schwerbehinderte auch keine Verpflichtung, Einschränkungen offenzulegen. Nur wenn die eigene Leistungsfähigkeit Einschränkungen für die vorgesehene Stelle bedeutet, dann ist der Bewerber verpflichtet, sich zu offenbaren. Somit dürfen Arbeitgeber Bewerber in der Regel nicht nach einer Schwerbehinderung fragen.

Sind für die ausgeschriebene Stelle jedoch bestimmte Fähigkeiten Voraussetzung, sowohl körperlicher als auch geistiger Natur, dann darf der Arbeitnehmer nach Beeinträchtigungen fragen, um sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer die im Arbeitsvertrag festgelegten Aufgaben auch durchführen kann.

Kann eine nachgeholte Einladung zum Vorstellungsgespräch den Entschädigungsanspruch verhindern? 

Versäumt ein öffentlicher Arbeitgeber die Einladung eines Schwerbehinderten zum Vorstellungsgespräch, so hilft auch eine nachgeholte Einladung nicht, den Verdacht der Benachteiligung zu beseitigen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2013 beschlossen und diese Regelung hat bis heute Bestand (BAG, 22.8.2013 – 8 AZR 563/12).  

Auch der Verweis auf Standardformulierungen („schwerbehinderte Bewerber werden bei entsprechender Eignung bevorzugt“) in der Ausschreibung genügt nicht, um eine versäumte Einladung auszugleichen, ebenso wie der Verweis, dass andere Schwerbehinderte zum Gespräch eingeladen wurden.

Für Schwerbehinderte ergibt sich aus dem Benachteiligungsverbot des § 7 AGG sich im Falle einer Nichteinladung zu einem Bewerbungsgespräch durch einen öffentlichen Arbeitgeber bestimmte Ansprüche auf Entschädigung, die auch bei nachträglicher Einladung bestehen bleiben.

Was passiert, wenn Schwerbehinderte die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch abgesagt haben?

Grundsätzlich spielt der Aspekt der Zumutbarkeit für den Arbeitgeber eine Rolle bei der Vergabe von Ersatzterminen und wie diese eventuell den gesamten Ablauf des Stellenvergabeprozesses verzögern. Die Interessen von Arbeitgeber und Bewerber müssen dabei gegeneinander abgewogen werden.

Gemäß § 165 Abs. 1 S. 3 SGB IX sind öffentliche Arbeitgeber nur dann verpflichtet, Schwerbehinderten einen Ersatztermin für ein Vorstellungsgespräch anzubieten, wenn die Absage begründet wird und dieser Grund eine kurzzeitige, unverschuldete Verhinderung bedeutet. Das heißt zum Beispiel, dass bei Vorliegen einer Krankheit ein Ersatztermin angeboten werden muss. Bei einem geplanten Urlaub oder einem anderen privaten Termin, der nicht unverschuldet ist, muss kein Ersatztermin angeboten werden.

Wie hoch ist die Entschädigung bei versäumter Einladung zum Vorstellungsgespräch? 

Es gibt keinen pauschalen Satz, wie hoch die Entschädigung ausfällt, wenn versäumt wurde, Schwerbehinderte zum Vorstellungsgespräch einzuladen. In der Regel beträgt sie einige Monatsgehälter oder einen pauschalen Satz.

Entstandene Entschädigungsansprüche setzen nicht notwendigerweise eine Benachteiligungsabsicht oder ein tatsächliches Verschulden voraus. Schwerbehinderte haben auch dann Anspruch auf Entschädigung, wenn seitens des Arbeitgebers keine vorsätzliche Benachteiligungsabsicht vorliegt.

Ein Entschädigungsanspruch besteht beispielsweise auch dann, wenn die unautorisierte Absage zu einem Vorstellungsgespräch durch einen mangelhaft geschulten Mitarbeiter ausgelöst wird. In diesem Fall trägt das Unternehmen die Verantwortung und etwaige Konsequenzen.

Wichtiger Hinweis: Als Arbeitgeber sollten Sie darauf achten, dass alle Mitarbeiter im Recruiting mit dem Personalauswahlprozess von Schwerbehinderten Menschen vertraut sind. Ein durch Unachtsamkeit praktiziertes Fehlverhalten und damit verbundene Kosten lassen sich so vermeiden.

Welche Vorteile bietet Ihnen die Einstellung von Schwerbehinderten?

Neben der Verpflichtung im öffentlichen Dienst sowie der ausdrücklichen Empfehlung für private Arbeitgeber, Schwerbehinderte Arbeitgeber zum Vorstellungsgespräch einzuladen, ergeben sich durch die Einstellung dieser einige Vorteile. So sind Schwerbehinderte laut Arbeitsexperten häufig besonders loyal und motiviert:

  • Sie setzen sich intensiv mit ihrem Arbeitsplatz und den Anforderungen auseinander.
  • Viele Behinderte empfinden Dankbarkeit über die Möglichkeit, am Arbeitsleben teilzuhaben, was die Motivation steigert.
  • Das Betriebsklima kann sich durch die Zusammenarbeit mit Behinderten verbessern, da nicht behinderte Kollegen mehr Rücksicht nehmen (müssen) und außerdem von Behinderten mehr über ihren Alltag und ihre täglichen Herausforderungen lernen und so ihren Horizont erweitern können.
  • Wenn sich nicht behinderte Kollegen zusammenschließen, um behinderten Kollegen zu helfen, kann das das gesamte Teamgefüge stärken.

Ein weiterer Grund für die Einstellung Schwerbehinderter neben den Themen Diversität und Inklusion ist, dass Arbeitgeber Geld sparen. Schließlich müssen Sie gemäß § 160 SGB IX eine Abgabe an das zuständige Integrationsamt leisten, wenn Sie nicht die vorgeschriebene Anzahl schwerbehinderter Menschen in ihrem Betrieb beschäftigen. 

Fazit: Wenn sich Schwerbehinderte bewerben, müssen Arbeitgeber bei Vorstellungsgesprächen einiges beachten

Während private Arbeitgeber angeraten, aber nicht verpflichtet sind, schwerbehinderte Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen, ist es für öffentliche Arbeitgeber ein Muss. Andernfalls droht ein Diskriminierungsvorwurf, der in Entschädigungsansprüchen münden kann. Auch wenn der Umgang mit Bewerbungen von Schwerbehinderten zunächst kompliziert scheint – sie im Team zu haben kann eine Bereicherung sein, weshalb Arbeitgeber nicht nur den Verwaltungsaufwand, sondern auch die positiven Seiten sehen sollten.