Mehrfachbeschäftigung: Beitragsberechnung und Rechte als Arbeitgeber

Mehrfachbeschäftigung: Beitragsberechnung & Rechte des Arbeitgebers

Der Trend hin zu Mehrfachbeschäftigungen, also mehreren Jobs bei verschiedenen Arbeitgebern, nimmt in Deutschland zu. Viele Arbeitnehmer neben ihrer Voll- oder Teilzeitbeschäftigung eine weitere geringfügige Tätigkeit auf 520-Euro-Basis aus oder sind nebenberuflich selbstständig. Doch was bedeutet eine Mehrfachbeschäftigung eigentlich für Sie als Arbeitgeber? Ob Arbeitnehmer generell verpflichtet sind, den Arbeitgeber über eine weitere Tätigkeit zu informieren, ob Sie als Arbeitgeber Ihren Mitarbeitern eine Nebenbeschäftigung verbieten dürfen und wie Sozialversicherungsbeiträge und die Lohnsteuer bei Mehrfachbeschäftigungen berechnet werden sowie welche Steuerklasse Anwendung findet, erfahren Sie in diesem umfassenden Ratgeber.
Inhaltsverzeichnis

Definition: Was bedeutet Mehrfachbeschäftigung?

Bei Arbeitnehmern, die mehrere Beschäftigungen bei unterschiedlichen Arbeitgebern ausüben, spricht man von einer Mehrfachbeschäftigung. 

Wie das Statistische Bundesamt erklärt, standen im Jahr 2021 knapp 1,8 Millionen Personen in Deutschland in mindestens einem weiteren Arbeitsverhältnis. Dies entspricht einer Quote von 4,4 Prozent aller Erwerbstätigen mit einer Mehrfachbeschäftigung. Die meisten Arbeitnehmer mit einer Mehrfachbeschäftigung oder Nebentätigkeit findet man im mittleren Alter zwischen 25 und 54 Jahren. 

Wann liegt eine Mehrfachbeschäftigung vor?

Entscheidend für das Vorliegen einer Mehrfachbeschäftigung ist die Ausübung einer Tätigkeit bei zwei unterschiedlichen Arbeitgebern – oder mehr. Werden also zwei Beschäftigungen bei ein und demselben Arbeitgeber ausgeübt, liegt keine Mehrfachbeschäftigung vor. 

Welche Arten von Mehrfachbeschäftigungen gibt es?

In der Praxis gestaltet sich eine Mehrfachbeschäftigung oft wie folgt: Ein Arbeitnehmer hat neben seiner Hauptbeschäftigung noch einen zweiten Job, zum Beispiel ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis. Doch es gibt viele verschiedene Modelle der Mehrfachbeschäftigung, die sich auf dem deutschen Arbeitsmarkt etabliert haben: 

  • Hauptbeschäftigung bei einem Arbeitgeber und Nebentätigkeit bei einem weiteren Arbeitgeber.
  • Haupttätigkeit bei einem Arbeitgeber und geringfügiges Beschäftigungsverhältnis.
  • Verschiedene geringfügige Beschäftigungen (Mini-Job und Midi-Job).
  • Mehrere sozialversicherungspflichtige Teilzeittätigkeiten.

Der Großteil der Mehrfachbeschäftigten arbeitet im Zweitjob als Arbeitnehmer. Knapp ein Drittel verfolgt neben dem hauptberuflichen Arbeitsverhältnis eine selbstständige Tätigkeit. Im Durchschnitt verbringen Erwerbstätige mehr als 8 Wochenstunden mit ihrer Mehrfachbeschäftigung. 

Muss der Arbeitnehmer seine Arbeitgeber über die Mehrfachbeschäftigung informieren? 

Arbeitnehmer sind dazu verpflichtet, jeden Arbeitgeber, bei dem sie beschäftigt sind, über ihre Nebentätigkeiten zu informieren. Fragen zur Mehrfachbeschäftigung und Nebentätigkeit werden unter anderem im Arbeitsvertrag oder in Tarifverträgen geregelt. 

Eine offene Kommunikation über Nebenbeschäftigungen ist alternativlos, da Arbeitgeber mit der Anstellung eines Mitarbeiters verpflichtet sind, die Versicherungspflicht beziehungsweise -freiheit für Ihre Beschäftigten zu beurteilen. Die Auskunftspflicht der angestellten Mitarbeiter über weitere Arbeitsverhältnisse sichert die gesetzeskonforme Beitragsberechnung und das Abführen von Sozialversicherungsabgaben und Lohnsteuer. 

Bei welcher Mehrfachbeschäftigung besteht Sozialversicherungspflicht?

Grundsätzlich sind Mitarbeiter, die einer abhängigen Beschäftigung nachgehen, in der Sozialversicherung beitragspflichtig. Auch bei einer Mehrfachbeschäftigung, bei der zum Beispiel zwei Teilzeitstellen nachgegangen wird, besteht somit natürlich Sozialversicherungspflicht. Lediglich bei einem sogenannten Minijob (auch: geringfügige Beschäftigung), bei der die monatliche Entgeltgrenze bei 520 Euro liegt, sind Arbeitnehmer beitragsfrei. Doch wie sieht das bei einer Mehrfachbeschäftigung aus?

Wenn ein Arbeitnehmer neben einer Vollzeitstelle noch eine geringfügige Beschäftigung in Form eines Minijobs annimmt, muss er für den 520-Euro-Job keine Abgaben zahlen. Nur die Vollzeitstelle ist sozialversicherungspflichtig und erfordert die Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge.

Dies ändert sich jedoch, wenn der Arbeitnehmer aus unserem Beispiel einen weiteren Minijob annimmt. Anschließend besteht Sozialversicherungspflicht. 

Besteht bei zwei Minijobs Versicherungspflicht?

Wenn ein Arbeitnehmer genau zwei Minijobs hat, hängt die Sozialversicherungspflicht von der Höhe des Einkommens ab. Wenn beide Minijobs lediglich ein Einkommen von bis zu höchsten 520 Euro pro Monat einbringen, besteht weiterhin keine Sozialversicherungspflicht. Sobald das Entgelt der beiden geringfügigen Tätigkeiten insgesamt jedoch die 520-Euro-Grenze überschreiten, werden alle Minijobs zu versicherungspflichtigen Beschäftigungen und in Bezug auf die Kranken- und Rentenversicherung beitragspflichtig.

Wann besteht Sozialversicherungspflicht bei Mehrfachbeschäftigungen?

Die folgende Tabelle liefert Ihnen noch einmal einen Überblick, wann Sozialversicherungspflicht bei Mehrfachbeschäftigung besteht:

Modell der Mehrfachbeschäftigung Sozialversicherungspflicht: Ja oder nein?
Zwei Minijobs, die insgesamt ein Entgelt von 520 Euro einbringen Nein
Zwei Minijobs, die insgesamt ein Entgelt von mehr als 520 einbringen Ja
Ein Minijob neben der Hauptbeschäftigung (Vollzeitstelle oder Teilzeitarbeit) In diesem Fall fallen Beiträge zur Sozialversicherung für die Teilzeit-/Vollzeitarbeit an, nicht für den Minijob
Zwei Teilzeitstellen (keine Hauptbeschäftigung) Ja

Bis zu welcher Höhe sind Beiträge zur Sozialversicherung bei Mehrfachbeschäftigung zu leisten?

Grundsätzlich wird die Höhe der Beiträge zur Sozialversicherung durch die Beitragsbemessungsgrenzen gedeckelt. Das bedeutet: Auch, wenn das Entgelt höher ausfällt als die Beitragsbemessungsgrenze, wird der Betrag der Beitragsbemessungsgrenze als Berechnungsgrundlage für die abzuführenden Beiträge herangezogen. 

Im Jahr 2023 gelten die folgenden Beitragsbemessungsgrenzen für die gesetzliche Renten- und Krankenversicherung sowie für die Arbeitslosenversicherung: 

Versicherung Jährliche Beitragsbemessungsgrenze Monatliche Beitragsbemessungsgrenze
Gesetzliche Krankenversicherung 59.850 Euro  4.987,50 Euro
Gesetzliche Rentenversicherung sowie Arbeitslosenversicherung(alte Bundesländer) 87.600 Euro 7.300 Euro
Gesetzliche Rentenversicherung sowie Arbeitslosenversicherung(neue Bundesländer) 85.200 Euro  7.100 Euro

Ein Beispiel: Bei einem monatlichen Einkommen von 8.000 Euro und einer aktuellen Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung (in den neuen Bundesländern) von 7.100 Euro, werden nicht die 8.000 Euro Arbeitsentgelt für die Beitragsberechnung herangezogen, sondern lediglich 7.100 Euro. Das gilt gemäß § 22 SGB IV ebenfalls bei einer Mehrfachbeschäftigung.

Der § 22 des Vierten Sozialgesetzbuches (SGB IV) erklärt, wie Mehrfachbeschäftigungen aus Sicht der Sozialversicherung berechnet werden: 

„Treffen beitragspflichtige Einnahmen aus mehreren Versicherungsverhältnissen zusammen und übersteigen sie die für das jeweilige Versicherungsverhältnis maßgebliche Beitragsbemessungsgrenze, so vermindern sie sich zum Zwecke der Beitragsberechnung nach dem Verhältnis ihrer Höhe so zueinander, dass sie zusammen höchstens die Beitragsbemessungsgrenze erreichen.“ 

Auch bei Mehrfachbeschäftigungen wird also nicht das gesamte Arbeitsentgelt aus den unterschiedlichen Stellen als Berechnungsgrundlage genutzt, sondern die gegenwärtige Beitragsbemessungsgrenze. Doch wie werden die zu zahlenden Beiträge bei den verschiedenen Arbeitgebern berechnet, wenn die Beitragsbemessungsgrenze überschritten wird?

Wie erfolgt die Beitragsberechnung bei Mehrfachbeschäftigung?

Wenn das gesamte Arbeitsentgelt von mehreren Beschäftigungsverhältnissen die Beitragsbemessungsgrenze der jeweiligen Versicherung überschreitet, werden die Beiträge im Verhältnis zum jeweiligen Arbeitsentgelt aufgeteilt, jedoch nur bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze. Dafür wird folgende Formel verwendet: 

Beitragsbemessungsgrenze * Arbeitsentgelt im Unternehmen / Gesamtverdienst

Beide Arbeitsentgelte werden jeweils in diese Formel eingetragen. Das Ergebnis wird als Grundlage für die Beitragssätze der Sozialversicherung herangezogen – nachfolgend ein Beispiel zum besseren Verständnis.

Beispiel Rentenversicherung: Wie werden die Beiträge bei Mehrbeschäftigung berechnet? 

Ein hoch qualifizierter Ingenieur aus München arbeitet für jeweils 20 Stunden pro Monat für zwei Industrieunternehmen. Aufgrund seines fachlichen Know-how und seiner Insiderkenntnisse verdient der Ingenieur in beiden Teilzeittätigkeiten ein überdurchschnittliches Gehalt.

Im Unternehmen A beträgt sein monatliches Gehalt 4.500 Euro brutto. Im Unternehmen B verdient der Angestellte mit 4.300 Euro ein unwesentlich geringeres Arbeitsentgelt. Sein Gesamtgehalt in beiden Anstellungen beträgt zusammengerechnet 8.800 Euro. Da bei Mehrfachbeschäftigung die Gehälter bis zur Beitragsbemessungsgrenze aufgeteilt werden, werden die Werte in die obige Formel eingesetzt:

  • Unternehmen A: 7.300 Euro * 4.500 Euro / 8.800 Euro = 3.732,95 Euro
  • Unternehmen B: 7.300 Euro * 4.300 Euro / 8.800 Euro = 3.567,05 Euro

Summiert man die Ergebnisse für Unternehmen A und Unternehmen B ergibt sich die Beitragsbemessungsgrenze von 7.300 Euro. 

Anschließend wird der Arbeitgeberanteil der gesetzlichen Rentenversicherung von aktuell 9,3 Prozent mit dem gekürzten Arbeitsentgelt multipliziert. Daraus ergeben sich die zu zahlenden Beiträge zur Rentenversicherung. 

  • Unternehmen A: 3.732,95 Euro x 0,093 = 347,16 Euro
  • Unternehmen B: 3.567,05 Euro x 0,093 = 331,74 Euro

Im Unternehmen A zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Beitragspflichtige jeweils 9,3 Prozent (347,16 Euro) auf den kalkulierten Verdienst von 3.732,95 Euro. Im Unternehmen B beträgt der Beitrag für die gesetzliche Rentenversicherung 331,74 Euro pro Partei. Der Gehaltsanteil über der Beitragsbemessungsgrenze (1.500 Euro) bleibt für die gesetzliche Rentenversicherung beitragsfrei. 

Für die gesetzliche Krankenversicherung wird die Kalkulation äquivalent und anhand der gültigen Beitragsbemessungsgrenzen vorgenommen. 

Ab wann entfällt die Pflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung bei Mehrfachbeschäftigung? 

Arbeitnehmer müssen lediglich in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sein, wenn ihr jährliches Entgelt die aktuelle Versicherungspflichtgrenze nicht überschreitet – und auch im Folgejahr nicht. Die Versicherungspflichtgrenze für die gesetzliche Krankenversicherung beläuft sich im Jahr 2023 auf 66.000 Euro. Oberhalb dieser Grenze besteht Wahlfreiheit zwischen der gesetzlichen Krankenversicherung und der privaten Krankenversicherung. 

Diese Regelung gilt ebenfalls für Mehrfachbeschäftigte. In diesem Fall wird einfach das Arbeitsentgelt aus den verschiedenen Jobs zusammengerechnet. 

Ein Beispiel: Ein Arbeitnehmer geht im Jahr 2022 (Versicherungspflichtgrenze: 64.350 Euro) zwei Jobs nach und erhält im ersten 35.000 Euro pro Jahr, im zweiten Job erhält er 33.000 Euro. Auch im Jahr 2023 (Versicherungspflichtgrenze: 66.000 Euro) wird er dieses Entgelt erhalten.

Stellen des Mehrfachbeschäftigten Entgelt pro Jahr
Stelle 1 35.000
Stelle 2 33.000
  = 68.000 

Insgesamt erzielt der Mehrfachbeschäftigte ein Einkommen von 68.000 Euro pro Jahr. Damit liegt der Beschäftigte sowohl im Jahr 2022 als auch im Jahr 2023 über der Versicherungspflichtgrenze und ist nicht dazu verpflichtet, sich in der gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern. 

Wie wird die Lohnsteuer bei Mehrfachbeschäftigung ermittelt und welche Steuerklasse gilt? 

In Bezug auf das Abführen der Lohnsteuer macht das Einkommensteuergesetz (EStG) im § 38b im Unterpunkt 6 klare Vorgaben, wenn es heißt: 

„Die Steuerklasse VI gilt bei Arbeitnehmern, die nebeneinander von mehreren Arbeitgebern Arbeitslohn beziehen, für die Einbehaltung der Lohnsteuer vom Arbeitslohn aus dem zweiten und einem weiteren Dienstverhältnis.“ 

Bei der Lohnsteuerklasse VI handelt es sich um die ungünstigste und teuerste Steuerklasse im deutschen Steuersystem. In der Steuerklasse VI werden keine Freibeträge wie beispielsweise der Grundfreibetrag oder der Arbeitnehmer-Pauschbetrag berücksichtigt. Etwaige Rückerstattungsansprüche können am Ende des Kalenderjahres in der Einkommensteuererklärung angezeigt werden. 

Dürfen Arbeitgeber eine Nebenbeschäftigung verbieten?

Arbeitnehmern darf eine Nebenbeschäftigung in einem anderen Unternehmen grundsätzlich nicht untersagt werden, wenn keine arbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Regelungen bestehen. Häufig finden sich in Arbeitsverträgen oder in Tarifverträgen klare Informationen, ob und in welchem Umfang eine Nebentätigkeit ohne Genehmigung des Arbeitgebers ausgeführt werden darf. 

Muster für eine Nebentätigkeitsvereinbarung im Arbeitsvertrag

Eine zielorientierte Nebentätigkeitsvereinbarung im Arbeitsvertrag könnte wie folgt lauten: 

„Während der Dauer des Anstellungsverhältnisses ist jede Nebentätigkeit vor ihrer Aufnahme dem Arbeitgeber gegenüber hinsichtlich Art, Ort, Dauer und zeitlichem Umfang schriftlich anzuzeigen. Sie bedarf grundsätzlich seiner schriftlichen Zustimmung. 

Die Zustimmung des Arbeitgebers kann versagt werden, wenn der Arbeitnehmer bei der beabsichtigten Nebentätigkeit gegen erhebliche Interessen der Firma oder gegen Schutzgesetze verstoßen würde oder wenn durch sie die Arbeitskraft des Arbeitnehmers beeinträchtigt werden wird. 

Das vorstehende Zustimmungserfordernis gilt nicht für die Aufnahme ehrenamtlicher Tätigkeiten im karitativen, gesellschaftlichen, konfessionellen und politischen Bereich, die erhebliche Interessen der Firma nicht beeinträchtigen.

Wird die Zustimmung erteilt, ist sie jederzeit widerruflich, sofern betriebliche Gründe vorliegen, die einer Fortsetzung der Nebentätigkeit entgegenstehen.“

Müssen alle Arbeitgeber bei Arbeitsunfähigkeit informiert werden?

Im Falle einer Arbeitsunfähigkeit müssen alle Arbeitgeber gesondert und zeitgleich über die Abwesenheit informiert werden. Ohne Krankmeldung wäre es den unterschiedlichen Arbeitgebern nicht möglich, bei einer Langzeiterkrankung die sechswöchige Lohnfortzahlungszeit im Krankheitsfall zu berechnen. 

Muss eine Mehrfachbeschäftigung gemeldet werden? 

Jede Mehrfachbeschäftigung ist allen Arbeitgebern eines Arbeitnehmers zu melden, damit diese ihrer Pflicht der korrekten Anmeldung und Beitragsberechnung bei der Sozialversicherung nachkommen können. Darüber hinaus sind Nebenbeschäftigung in den meisten Unternehmen anzeigepflichtig. Wer die Mehrfachbeschäftigung verschweigt, riskiert eine Abmahnung oder den Verlust seiner Hauptbeschäftigung.