Gehaltskürzung: Welche Gründe rechtfertigen eine Lohnkürzung?
- Was versteht man unter einer Gehaltskürzung?
- Ist eine einseitige Gehaltskürzung durch den Arbeitgeber zulässig?
- Gründe: Wann ist eine einseitige Gehaltskürzung zulässig?
- Was kann der Arbeitnehmer gegen eine Gehaltskürzung unternehmen?
- Wie hoch darf eine Gehaltskürzung ausfallen?
- Müssen Gehaltskürzungen angekündigt werden?
- Müssen Gehaltskürzungen mit dem Betriebsrat abgestimmt werden?
- Was sind Alternativen zur Gehaltskürzung?
Was versteht man unter einer Gehaltskürzung?
Unter einer Gehaltskürzung versteht man die Verminderung des im Arbeitsvertrag vereinbarten Grundgehalts eines Arbeitnehmers. Damit ist die Gehaltskürzung das Gegenteil von einer Gehaltserhöhung.
Beispiel: Erhält ein Arbeitgeber pro Monat ein Bruttogehalt von 3.200 Euro und verringert das Unternehmen dieses auf 3.000 Euro monatlich, liegt eine Gehaltskürzung vor.
Ist eine einseitige Gehaltskürzung durch den Arbeitgeber zulässig?
Eine einseitige Gehaltskürzung durch den Arbeitgeber, die willkürlich erfolgt, ist im Arbeitsrecht nicht zulässig. Eine Kürzung des Brutto-Monatsgehalts, beispielsweise aufgrund einer negativen Geschäftsentwicklung des Unternehmens oder einer einmaligen Schlechtleistung des Arbeitnehmers, darf also nicht einseitig vorgenommen werden. Dies erfordert stets auch die Einwilligung des Arbeitnehmers. Denn die vereinbarte Vergütung im Arbeitsvertrag ist für Arbeitgeber und Arbeitnehmer rechtlich bindend.
Eine einseitige Gehaltskürzung ist ausschließlich rechtskonform, wenn triftige Gründe und geltende gesetzliche Vorgaben das Kürzen des Gehalts rechtfertigen.
Gründe: Wann ist eine einseitige Gehaltskürzung zulässig?
Eine einseitige Gehaltskürzung ist nur bei unzweifelhaften Gründen zulässig, die eben diese Kürzung begründen. Die folgenden triftigen Gründe können Gehaltskürzungen rechtfertigen:
- Leistungsabhängiger Lohn.
- Langfristig aufgehäufte Minusstunden.
- Schadenersatz bei grob fahrlässigem Verhalten.
- Längerfristige Erkrankung oder Krankheit eines Kindes.
- Wirtschaftliche Notlage des Unternehmens.
- Änderungskündigung.
- Gegenseitige Vereinbarung zum Gehaltsverzicht.
Auch eine andauernde nicht zufriedenstellende Arbeitsleistung kann unter Umständen eine Gehaltskürzung rechtfertigen. Die schlechte Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer muss jedoch nicht nur bewiesen werden, sondern auch umfangreich und dauerhaft sein. Demnach rechtfertigen Arbeitsergebnisse von geringer Qualität oder Fehler während der Arbeit noch keine Gehaltskürzung.
Die Gründe, die eine Gehaltskürzung rechtfertigen, werden im Folgenden näher vorgestellt:
Gehaltskürzung bei leistungsabhängigen Lohn
In vielen Arbeitsverträgen wird ein Teil des monatlichen Gehalts an zu erreichende Ziele geknüpft. Bei unzureichender Zielerreichung wird der variable Anteil des Monatsgehalts einbehalten.
Beispiel: Mit einem Außendienstmitarbeiter ist ein Brutto-Monatsgehalt von 5.000 Euro vereinbart. 20 Prozent des Gehalts gelten als variabler Anteil, der einbehalten werden kann, wenn die vereinbarten Verkaufsziele für drei Monate hintereinander nicht eingehalten werden. In diesem Fall erhält der Arbeitnehmer ein geringeres Brutto-Monatsgehalt von 4.000 Euro. In leistungsabhängigen Arbeitsverträgen werden aus motivatorischen Gründen häufig zusätzliche Erfolgskomponenten und Prämien vereinbart, die ausgeschüttet werden, wenn die Zielerreichung übererfüllt wird.
Gehaltskürzung aufgrund von Minusstunden
Variable Arbeitszeitmodelle gehören heute in den meisten Branchen und Unternehmen zum Standard. Sie geben Arbeitnehmern und Arbeitgebern die notwendige Flexibilität, auf Auftragsspitzen zu reagieren oder aus privaten Gründen bei gleichem Gehalt weniger zu arbeiten. Häufen sich Minusstunden auf, ist eine Kürzung des Lohns durch den Arbeitgeber rechtlich möglich.
Dies ist der Fall, da der Mitarbeiter seinen Vertragsverpflichtungen im Arbeitsverhältnis über längere Zeit nicht nachgekommen ist. Er hat nicht die vereinbarten Arbeitsstunden absolviert, sodass das Unternehmen berechtigt ist, die Minderarbeit durch das Kürzen des Gehalts zu kompensieren.
Wichtig: Kann der Arbeitnehmer nachweisen, dass er vom Arbeitgeber nicht ausreichend beschäftigt werden konnte, darf die Vergütung bzw. der Lohn gemäß § 615 BGB nicht gekürzt werden.
Gehaltskürzung aufgrund von Schadenersatz
Hat sich ein Arbeitnehmer während der Arbeitszeit grob fahrlässig verhalten und gegen geltende Unternehmensvorschriften verstoßen, kann er im Schadensfall zum Schadenersatz – und somit zu einer befristeten Gehaltskürzung – verpflichtet werden.
Beispiel: Ein Mitarbeiter in einem Industrieunternehmen hat nachweislich wiederholt gegen die innerbetrieblichen Vorschriften zur Nutzung einer Maschine verstoßen. Trotz Ermahnung des Vorgesetzten hat er die Bedienungsanleitung nicht beachtet. Aus dem Fehlverhalten des Mitarbeiters ergab sich ein Schaden von mehreren Tausend Euro.
Der Arbeitgeber kann bei derart grob fahrlässigem Fehlverhalten Schadenersatz von Mitarbeiter verlangen. Neben einer Abmahnung für sein unkollegiales und unternehmensschädigendes Verhalten erhält er pro Monat eine Lohnkürzung von 250 Euro für sechs Monate, um einen Teil des Schadens zu begleichen.
Lohnkürzung durch längerfristige Erkrankungen
Grundsätzlich steht Arbeitnehmern eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu. Diese beträgt 6 Wochen oder 42 Tage. In dieser Zeit ist es dem Arbeitgeber nicht gestattet, eine Lohnkürzung vorzunehmen. Er ist verpflichtet, das vertraglich vereinbarte Gehalt zu zahlen, obwohl sich der Arbeitnehmer im Krankenstand befindet.
Ähnlich verhält es sich, wenn Arbeitnehmer ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen können, da sie ihr Kind zu Hause pflegen müssen. Arbeitgeber müssen in diesem Fall ebenfalls das Gehalt weiter bezahlen, solange keine abweichenden Regelungen im Arbeitsvertrag vorliegen.
Bei einer langfristigen Erkrankung über 42 Tage hinaus, wird das Gehalt vollständig gegen das Krankengeld als Lohnersatzleistung ausgetauscht. Mitarbeiter erhalten nach Ablauf der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall eine faktische Lohnkürzung und gleichzeitig Lohnersatzleistungen in Form von Krankengeld oder Kinderpflegekrankengeld.
Wirtschaftliche Notlage des Unternehmens
Auch die wirtschaftliche Lage des Unternehmens kann eine Gehaltskürzung (zum Beispiel in Form von Kurzarbeit) rechtfertigen. Damit dies jedoch Erfolg hat, muss ein Unternehmen eine wirtschaftliche und nicht selbst verschuldete Notlage belegen können, die die Kürzung des Gehalts zur Kostenersparnis zwingend bedarf. In der Regel muss dafür sogar die Insolvenz oder Betriebsschließung drohen. Bei einer solchen Situation darf die Gehaltskürzung jedoch nicht nur einen Mitarbeiter betreffen, sondern alle Arbeitnehmer eines Betriebes oder des betroffenen Bereiches.
Gehaltskürzung durch Änderungskündigung
Eine Änderungskündigung kann ebenfalls zu einer Gehaltskürzung führen. Diese muss in der Regel durch den Arbeitnehmer angenommen werden. Sollte der Arbeitnehmer die Änderungskündigung mit den neuen Gehaltsvereinbarungen ablehnen, ist die Kündigung wirksam. Aus diesem Grund muss der Arbeitgeber bei einer Änderungskündigung die Voraussetzungen einer Kündigung erfüllen.
Gegenseitige Vereinbarung zum Gehaltsverzicht
Arbeitgeber und Arbeitnehmer können im Arbeitsvertrag vereinbaren, dass ein Gehaltsverzicht bei einer negativen Geschäftsentwicklung des Unternehmens möglich ist. Droht beispielsweise ein Stellenabbau im Unternehmen, können durch einen Gehaltsverzicht der Gesamtbelegschaft die Restrukturierungsmaßnahmen abgemildert oder gänzlich verhindert werden.
Damit der Gehaltsverzicht rechtlich bindend ist, ist es wichtig, dass dieser unzweifelhaft im Arbeitsvertrag festgehalten wird. Es sollte vertraglich klar dargestellt werden, in welchen Fällen und in welcher Höhe Arbeitgeber Lohnkürzungen vorzunehmen dürfen.
Darüber hinaus kann eine gegenseitige Vereinbarung zum Gehaltsverzicht auch während des Arbeitsverhältnisses erfolgen. Im Anschluss wird der Arbeitsvertrag angepasst. Doch auch hier ist die Einwilligung des Arbeitnehmers dringend erforderlich.
Im Gegensatz zur arbeitsvertraglichen Vereinbarung sind die Hürden für eine einseitige, betriebsbedingte Änderungskündigung für die gesamte Belegschaft hoch. Aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.06.2005 (2 AZR 642/04) kann abgelesen werden, dass eine einseitige Änderungskündigung nur möglich ist,
- Wenn bei einer Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebs führen.
- Vor einer einseitigen Änderungskündigung sind Arbeitgeber verpflichtet, einen umfassenden Sanierungsplan zu implementieren, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft.
Was kann der Arbeitnehmer gegen eine Gehaltskürzung unternehmen?
Erhalten Arbeitnehmer eine Gehaltskürzung von ihrem Chef, deren Gründe rechtlich nicht nachvollziehbar sind, haben sie die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. Nach erfolgloser Verhandlung mit dem Arbeitgeber kann im zweiten Schritt gegen die Lohnkürzung vor dem zuständigen Arbeitsgericht Klage und eine einstweilige Verfügung eingereicht werden.
Bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Gehaltskürzung ist es aus Arbeitnehmersicht zielführend, sich von einem Anwalt für Arbeitsrecht beraten zu lassen. Dieser prüft die Gründe für die Gehaltskürzung und bereitet die Klage vor dem Arbeitsgericht vor. Wurde das Gehalt vom Arbeitgeber bereits gekürzt, hat der Arbeitnehmer bei einer erfolgreichen Verhandlung die Möglichkeit, vor dem Arbeitsgericht Schadenersatzansprüche geltend zu machen.
Wie hoch darf eine Gehaltskürzung ausfallen?
Der Gesetzgeber beziffert nicht, in welcher Höhe eine Gehaltskürzung angesetzt werden darf. Gehaltskürzungen können durch einen Tarifvertrag und ebenso durch Lohnuntergrenzen oder den gesetzlichen Mindestlohn limitiert sein. Dieser beträgt seit 01.01.2024 12,41 Euro. Ebenso kann die Höhe einer Gehaltskürzung im Arbeitsvertrag festgelegt werden und beispielsweise auf 10 Prozent des Bruttolohns begrenzt werden.
Müssen Gehaltskürzungen angekündigt werden?
Individuelle Gehaltskürzungen für einen Mitarbeiter müssen vor dem Kürzen des Gehalts schriftlich kommuniziert werden. Gleiches gilt für betriebsbedingte Gehaltskürzungen für die gesamte Belegschaft. Sie müssen ebenfalls frühzeitig angekündigt werden, damit die Arbeitnehmer über die neue Vergütung so früh wie möglich Bescheid wissen.
Müssen Gehaltskürzungen mit dem Betriebsrat abgestimmt werden?
Ob der Betriebsrat bei Gehaltskürzungen ein Mitbestimmungsrecht nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat, muss im jeweiligen Einzelfall geklärt werden.
Grundsätzlich gilt, dass in tarifgebundenen Unternehmen die Löhne und Gehälter von den Tarifparteien geregelt werden. Ihre Änderung unterliegt aus diesem Grund nach § 77 BetrVG einem Regelungsverbot. In Einzelfällen können Arbeitgeber und der Betriebsrat sogenannte betriebliche Bündnisse schließen, bei denen durch den Verzicht von Gehaltsbestandteilen der Abbau von Arbeitsplätzen verhindert wird. Zur Sicherheit empfiehlt es sich, stets den Betriebsrat bei Gehaltskürzungen einzubeziehen.
Was sind Alternativen zur Gehaltskürzung?
Als Alternativen zur Gehaltskürzung kommen die folgenden Wege und Mittel in Betracht:
- die Änderungskündigung.
- Einschmelzen von Gehaltsbestandteilen und Benefits, beispielsweise Anpassen der Dienstwagenregelung, sowie
- die nachträgliche Verhandlung von Gehalt und Zulagen zwischen Chef und Arbeitnehmer.