Infografik über die Anwendung und Ausnahmen des Kündigungsschutzes in Deutschland.

Kündigungsschutz: Ab wann? Für wen? Wie umgehen?

Anders als in den USA, wo es keinen gesetzlichen Kündigungsschutz gibt, müssen in Deutschland bei einer arbeitgeberseitigen Kündigung die Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) beachtet werden. Im Gegensatz zum amerikanischen Arbeitsrecht, das auf dem Prinzip „at-will-employment“ (Beschäftigung nach Belieben) basiert, können Arbeitgeber in Deutschland Mitarbeiter nicht jederzeit und ohne Angabe von Gründen kündigen. Dieser Artikel erklärt praxisbezogen und anhand von Beispielen, wann der gesetzliche Kündigungsschutz des KSchG in Deutschland im Arbeitsrecht Anwendung findet und welche Arbeitnehmergruppen von einem besonderen Kündigungsschutz profitieren. Ebenso wird aus Arbeitgebersicht erklärt, ob und wie der besondere Kündigungsschutz umgegangen werden kann.
Inhaltsverzeichnis

Was ist der Kündigungsschutz?

Der Kündigungsschutz in Deutschland bezeichnet den gesetzlichen Rahmen im Arbeitsrecht, der Arbeitnehmer vor ungerechtfertigten oder willkürlichen Kündigungen schützt. Erklärtes Ziel des Kündigungsschutzes ist es, soziale Härten zu vermeiden. Der § 1 des KSchG erklärt:

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

Mit seinen Vorgaben und Richtlinien im Kündigungsschutzgesetz will der Gesetzgeber Arbeitnehmern eine gewisse Arbeitsplatzsicherheit bieten. Der Kündigungsschutz umfasst hierfür verschiedene Regelungen im Arbeitsrecht, die sicherstellen, dass Kündigungen nur unter bestimmten Voraussetzungen und nach festgelegten Verfahren erfolgen dürfen.

Der Kündigungsschutz bietet sowohl einen allgemeinen Schutz vor Kündigungen für alle Arbeitnehmer. Zusätzlich werden im Gesetz bestimmte Personengruppen genannt, die einen besonderen Kündigungsschutzgesetz genießen.

Wann findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung?

Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) findet im Arbeitsrecht Anwendung, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Unternehmenszugehörigkeit von sechs Monaten
  2. Mehr als 10 Mitarbeiter werden in der Regel beschäftigt
  3. Es handelt sich um Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes

Schauen wir uns die einzelnen Voraussetzungen im Detail an:

Voraussetzung 1: Unternehmenszugehörigkeit von sechs Monaten

Der Arbeitnehmer ist mindestens sechs Monate ununterbrochen im selben Betrieb oder Unternehmen beschäftigt. Vorher gilt eine Probezeit, in der Arbeitnehmer und Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit einer Kündigungsfrist von 2 Wochen kündigen können. Maßgeblich für die Berechnung der Unternehmenszugehörigkeit ist der Zeitpunkt des Zugangs des Kündigungsschreibens.

Beispiel aus der Praxis

Herr Müller trat am 1. Januar 2023 als Vertriebsmitarbeiter bei der ABC Pharma GmbH an. Die Probezeit dauerte sechs Monate bis zum 30. Juni 2023. Da das Unternehmen mit der Leistung von Herrn Müller nicht zufrieden war, wurde der Mitarbeiter am 02.07.2023 gekündigt.

Da Herr Müller zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als sechs Monate ununterbrochen im Betrieb tätig war, galt er nicht mehr als in der Probezeit befindlich. Für die Berechnung der Unternehmenszugehörigkeit war der Zugang des Kündigungsschreibens maßgeblich. Das Unternehmen hat die Kündigungsfrist nicht beachtet und die Kündigung zu spät versandt. Aus diesem Grund unterliegt Herr Müller nach der Probezeit der gesetzlichen Kündigungsfrist und genießt den besonderen Kündigungsschutz auf Grundlage des Kündigungsschutzgesetzes.

Voraussetzung 2: Der Betrieb beschäftigt in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer

Das Kündigungsschutzgesetz gilt nach § 23 KSchG unter folgenden Bedingungen:

  1. Arbeitsverhältnis ab 1. Januar 2004: Das KSchG findet Anwendung, wenn der Betrieb in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer (ohne Auszubildende) beschäftigt.
  2. Arbeitsverhältnis vor dem 31. Dezember 2003: Hat das Arbeitsverhältnis bereits am 31. Dezember 2003 bestanden, gilt das KSchG, wenn der Betrieb zu diesem Zeitpunkt regelmäßig mehr als 5 Arbeitnehmer (ohne Auszubildende) beschäftigte, die auch zum Kündigungszeitpunkt noch im Betrieb sind. Neueinstellungen nach dem 31. Dezember 2003 werden in der Kalkulation nicht berücksichtigt.

Die Anrechnung von Teilzeitmitarbeitern erfolgt nach folgendem Muster:

  • Arbeitnehmer mit mehr als 30 Wochenstunden zählen als volle Arbeitskräfte.
  • Beschäftigte bis einschließlich 20 Stunden pro Woche zählen als 0,50 Arbeitskräfte.
  • Beschäftigte bis einschließlich 30 Stunden pro Woche zählen als 0,75 Arbeitskräfte.

Voraussetzung 3: Es handelt sich um einen Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes

Zu den „normalen“ Arbeitnehmern gehören alle Angestellten und Arbeiter sowie Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis beispielsweise aufgrund von Elternzeit ruht. Auszubildende werden bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl nicht berücksichtigt.

Voraussetzungen erfüllt: Was sind die Folgen des Kündigungsschutzes?

Wenn die drei genannten Voraussetzungen erfüllt sind, genießen Arbeitnehmer den vollen Kündigungsschutz nach dem KSchG. Dies bedeutet für die betriebliche Praxis, dass eine Kündigung erst wirksam ist, wenn sie sozial gerechtfertigt ist. Dies ist nach § 1 KSchG der Fall, wenn die Kündigung auf Gründen beruht, die in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Dringende betriebliche Erfordernissen können ebenfalls eine arbeitgeberseitige Kündigung rechtfertigen.

Wichtig: Arbeitgeber müssen bei einer Kündigung in jedem Fall die dreiwöchige Klagefrist abwarten, die Arbeitnehmern bei einer Kündigung zusteht. Der § 4 des KSchG beschreibt, dass ein Arbeitnehmer das Recht hat, eine sozial ungerechtfertigte oder aus anderen Gründen rechtsunwirksame Kündigung innerhalb von drei Wochen beim Arbeitsgericht anzufechten. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (siehe § 3 KSchG), sollte der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt werden.

Wer hat Kündigungsschutz?

Grundsätzlich haben alle Arbeitnehmer, die in Betrieben mit mehr als zehn Mitarbeitern beschäftigt sind und die Wartezeit von sechs Monaten erfüllt haben, Anspruch auf den gesetzlichen Kündigungsschutz.

Wer hat kein Kündigungsschutz?

Ausnahmen vom Kündigungsschutz gelten in bestimmten Fällen für leitende Angestellte, die aufgrund ihrer besonderen Position und Entscheidungsbefugnisse nicht unter das KSchG fallen.

Auch in Kleinbetrieben, die weniger als zehn Mitarbeiter beschäftigen, besteht in der Regel kein Kündigungsschutz nach dem KSchG. In diesen Betrieben können Kündigungen leichter ausgesprochen werden.

Ab wann greift der Kündigungsschutz?

Der Kündigungsschutz greift ab dem siebten Monat des Arbeitsverhältnisses nach der Probezeit in Betrieben mit mehr als zehn Mitarbeitern.

Nach Ablauf der Wartezeit unterliegt der Arbeitnehmer den Schutzbestimmungen des KSchG. Arbeitgeber müssen den Nachweis erbringen, dass eine Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber sachliche Gründe für die Kündigung nachweisen muss, die entweder in der Person des Arbeitnehmers, in seinem Verhalten oder in dringenden betrieblichen Erfordernissen liegen. Bei einer Klage des Arbeitnehmers vor dem Arbeitsgericht haben Arbeitgeber eine Nachweispflicht.

Was ist der besondere Kündigungsschutz?

Der besondere Kündigungsschutz bietet besonders schutzwürdigen Personengruppen einen erweiterten Kündigungsschutz. Zu diesen Personengruppen gehören unter anderem:

Schwangere Mitarbeiterinnen und Mütter

Schwangere Arbeitnehmerinnen genießen ab dem Zeitpunkt der Schwangerschaft bis zum Ende der Elternzeit einen besonderen Kündigungsschutz. Kündigungen während dieser Zeit sind grundsätzlich unzulässig und nur in Ausnahmefällen mit Zustimmung der zuständigen Behörde möglich.

Gesetzliche Grundlage:

Die Kündigung gegenüber einer Frau ist unzulässig, während ihrer Schwangerschaft, bis zum Ablauf von vier Monaten nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche und bis zum Ende ihrer Schutzfrist nach der Entbindung, mindestens jedoch bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung.

Mutterschutzgesetz § 17 (MuSchG)

Schwerbehinderte Angestellte

Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben einen besonderen Kündigungsschutz. Dieser Schutz vor einer Kündigung berücksichtigt ihre besondere Lebenssituation. Die Kündigung eines schwerbehinderten Mitarbeiters ist ausschließlich in Ausnahmefällen und mit Zustimmung des Integrationsamtes zulässig. Das Integrationsamt prüft auf Grundlage des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch § 168 (SGB IX) die Interessen des schwerbehinderten Arbeitnehmers und vermittelt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Info: Der besondere Kündigungsschutz gilt auch für Vertrauenspersonen von schwerbehinderten Menschen.

Betriebsratsmitglieder

Mitglieder des Betriebsrats genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Dieser ist notwendig, um die Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit des Betriebsrats zu gewährleisten. Eine Kündigung von Betriebsratsmitgliedern ist nur unter sehr strengen Voraussetzungen und mit Zustimmung des Betriebsrats denkbar. Dies legt § 15 des KSchG klar dar. Der erweiterte Kündigungsschutz gilt auch für ein weiteres Jahr nach Ausscheiden aus dem Betriebsrat.

Weitere Personen mit besonderen Kündigungsschutz

Zu den weiteren Personengruppen, bei denen ein besonderer Kündigungsschutz greift, gehören:

  • Freiwillige Wehrdienstleistende,
  • Datenschutzbeauftragter im Betrieb,
  • Immissionsschutz-, Störfall- oder Gewässerschutzbeauftragte,
  • Auszubildende,
  • Befristet beschäftigte Mitarbeiter,
  • Arbeitnehmer in Pflegezeit (Pflegezeitgesetz),
  • Arbeitnehmer mit tariflicher Unkündbarkeit,
  • Mitglieder des Wahlvorstands, Wahlbewerber oder Initiatoren von Betriebsratswahlen.

Ausnahmen: Wann kann der besondere Kündigungsschutz umgangen werden?

Der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte und andere geschützte Gruppen kann in den folgenden Fällen umgangen oder aufgehoben werden:

  • Befristetes Arbeitsverhältnis: Der Sonderkündigungsschutz gilt nicht bei Auslaufen eines befristeten Vertrags.
  • Probezeit: In den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses, was üblicherweise der Probezeit entspricht, gilt der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte nicht.
  • Aufhebungsvertrag: Bei einvernehmlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Aufhebungsvertrag ist keine Zustimmung des Integrationsamts erforderlich.
  • Arbeitnehmerkündigung: Wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer selbst kündigt, greift der Sonderkündigungsschutz nicht.
  • Saisonarbeit: Bei Betrieben, deren Tätigkeit von Witterungsbedingungen abhängt (z.B. in der Landwirtschaft), kann unter bestimmten Bedingungen ohne Zustimmung des Integrationsamts gekündigt werden.
  • Außerordentliche Kündigung: In Ausnahmefällen mit wichtigem Grund nach § 626 BGB kann eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden, auch wenn eine Unkündbarkeitsregelung besteht.
  • Behördliche Zulassung: In besonderen Fällen kann die zuständige Behörde eine Kündigung trotz Sonderkündigungsschutz für zulässig erklären.
  • Betriebsschließung: Bei einer vollständigen Betriebsschließung kann auch unkündbaren Mitarbeitern außerordentlich gekündigt werden, allerdings unter Gewährung einer Auslauffrist.

Es ist wichtig zu beachten, dass die genannten Ausnahmefälle in der Regel an spezifische Bedingungen geknüpft sind. Der Einzelfall muss sorgfältig geprüft werden. Arbeitgeber handeln zielführend, wenn sie vor einer außerordentlichen Kündigung einen Anwalt für Arbeitsrecht hinzuziehen und den Einzelfall aus Sicht des Arbeitsrechts prüfen lassen.

FAQ zum Kündigungsschutz

Weitere Fragen und Antworten zum Kündigungsschutz liefert unser FAQ:

Der Betriebsrat hat eine wichtige Rolle beim Kündigungsschutz. Er muss auf Grundlage des Betriebsverfassungsgesetzes bei jeder Kündigung angehört werden. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Betriebsrat über die Gründe und Umstände der geplanten Kündigung zu informieren. Der Betriebsrat kann der Kündigung widersprechen. In diesem Fall ist der Arbeitnehmer bei einer Klage vor dem Arbeitsgericht in einer guten Verhandlungsposition.
Ein höheres Lebensalter führt nicht automatisch zu einem besonderen Kündigungsschutz. Allerdings kann das Alter im Rahmen der sozialen Auswahl bei betriebsbedingten Kündigungen eine Rolle spielen. Arbeitnehmer, die kurz vor dem Rentenalter stehen, können unter bestimmten Umständen besonderen Schutz genießen.
In Kleinbetrieben mit bis zu zehn Mitarbeitern besteht in der Regel kein Kündigungsschutz nach dem KSchG. Dennoch müssen auch hier die allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätze und der Kündigungsschutz für bestimmte Personengruppen berücksichtigt werden.
Ein Arbeitnehmer gilt als unkündbar, wenn er aufgrund besonderer gesetzlicher Regelungen oder tarifvertraglicher Vereinbarungen einen besonderen Kündigungsschutz genießt. Beispiele hierfür sind Schwangere, schwerbehinderte Menschen, Betriebsratsmitglieder, einige Beamte und Mitarbeiter, die kurz vor dem Rentenalter stehen.