Betriebsbedingte Kündigung – Voraussetzungen, Gründe & Sozialauswahl
- Was ist eine betriebsbedingte Kündigung?
- Welche Voraussetzungen muss die betriebsbedingte Kündigung erfüllen?
- In diesen Fällen kann eine betriebsbedingte Kündigung unwirksam werden
- Welche Gründe rechtfertigen eine betriebsbedingte Kündigung?
- Welche Mitarbeiter können nicht bzw. nur schwer betriebsbedingt gekündigt werden?
Was ist eine betriebsbedingte Kündigung?
Wenn der Arbeitgeber Mitarbeiter entlassen muss, da dies betrieblich erforderlich geworden ist, kommt im deutschen Arbeitsrecht eine betriebsbedingte Kündigung infrage. In dem Fall liegen die Kündigungsgründe nicht in der Person des Angestellten. Vielmehr fallen Arbeitsplätze weg, da das Unternehmen selbst mit weitreichenden Veränderungen zu kämpfen hat, die oftmals nur noch eine Entlassung bzw. eine Kündigung erlauben.
Dies können etwa eine Schließung des Betriebes bzw. einer Filiale oder aber massive Umsatzeinbrüche sein. Da dabei der gesamte Arbeitsplatz wegfällt, findet das Arbeitsverhältnis „betriebsbedingt“ ein jähes Ende. Damit sind derartige Kündigungen scharf von den anderen beiden ordentlichen Kündigungen zu trennen: der verhaltensbedingten Kündigung und der personenbedingten Kündigung. In dieser Gruppe stellen die betriebsbedingten Kündigungen mit großem Abstand den häufigsten Fall dar. Während mit ca. 70 bis 75 % die meisten Arbeitsverhältnisse betriebsbedingt enden, fallen auf verhaltensbedingte Kündigungen noch ca. 25 % und auf personenbedingte Kündigungen lediglich weniger als 5 % aller Entlassungen.
Dafür gibt es jedoch einen plausiblen Grund: Muss ein Unternehmen bzw. das Personalmanagement wegen Stilllegung des Betriebes Arbeitsplätze kündigen, so ist dadurch meist eine größere Gruppe von Arbeitnehmer betroffen.
Muss sich der Arbeitgeber schließlich des Mittels der betriebsbedingten Kündigung bedienen, so stellt sich dies alles andere als einfach dar. Für eine Kündigung aus diesem Grund müssen gleich mehrere Voraussetzungen gegeben sein.
Welche Voraussetzungen muss die betriebsbedingte Kündigung erfüllen?
Muss der Arbeitgeber einem oder gleich mehreren Arbeitnehmern kündigen, kommt es in erster Linie auf die Größe des Betriebes an. Denn wenn mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigt werden, sind die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) anzuwenden. Dem Kündigungsschutz trägt der Arbeitgeber mit einer betriebsbedingten Kündigung dann Rechnung, wenn folgende vier Voraussetzungen bzw. Bedingungen erfüllt sind:
Kündigung aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse
Eine betriebsbedingte Kündigung ist nur dann wirksam ausgesprochen, wenn das Unternehmen den Wegfall von Arbeitsplätzen nicht verhindern kann. Eine nur vorübergehend schlechte Auftragslage oder stärkere Umsatzeinbußen innerhalb eines gewissen Zeitraums sind hierfür nicht ausreichend. Vielmehr muss eine negative Prognose der Wirtschaftlichkeit dargelegt werden können, wonach gerade ersichtlich ist, dass es sich nicht nur um temporäre Schwankungen bezüglich des Umsatzes bzw. des Gewinns handelt.
Mitarbeiter kann nicht anderweitig beschäftigt werden
Vor einer betriebsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber genau ausloten, ob der zu kündigende Arbeitnehmer nicht doch an anderer Stelle weiterbeschäftigt werden kann. Diese sogenannte Dringlichkeit verlangt, dass es keine Möglichkeit in anderen Bereichen des Unternehmens gibt, wo der Mitarbeiter arbeiten könnte, da der Arbeitsplatz dauerhaft verloren ist. Eine solche nach § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 KSchG „geänderte Arbeitsbedingung“ kann sowohl in demselben Betrieb als auch in einem sonstigen Betrieb vorhanden sein, solange er zum gleichen Unternehmen gehört.
Erst wenn diese Alternativen ausgeschlossen werden können, ist eine betriebsbedingte Kündigung seitens des Arbeitgebers statthaft bzw. wirksam.
Interessenabwägung
Im Rahmen einer Überprüfung, welches Interesse der beiden Vertragspartner das andere überwiegt, muss der Arbeitgeber als der Bevorzugte hervorgehen. Erst wenn dessen Interesse an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse seines Mitarbeiters an einer Fortsetzung überragt, ist die betriebsbedingte Kündigung wirksam. Liegen dringende, betriebliche Erfordernisse zur Kündigung vor, und sind daneben keine Möglichkeiten einer Weiterbeschäftigung gegeben, fällt die Interessenabwägung meist zugunsten des Unternehmens bzw. des Arbeitgebers aus.
Sozialauswahl
Die vierte zu erfüllende Voraussetzung einer betriebsbedingten Kündigung betrifft die Sozialauswahl. Kurz gesagt wird durch sie bestimmt, welchem Arbeitnehmer im Unternehmen zuerst gekündigt werden darf.
Wie funktioniert die Sozialauswahl?
Nach § 1 Abs. 3 KSchG kann eine betriebsbedingte Kündigung dann unwirksam sein, wenn der Arbeitgeber bei seiner Auswahl des Arbeitnehmers „die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat“. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber bei gleichem Anforderungsprofil die sozialen Aspekte der infrage kommenden Mitarbeiter berücksichtigen muss.
Dabei ist in einem ersten Schritt festzustellen, wer aus der Gruppe der Arbeitnehmer als unkündbar oder nur schwer kündbar gilt. Zu dieser Gruppe zählen beispielsweise Schwangere oder Schwerbehinderte.
In einem nächsten Schritt erfolgt die Überprüfung der Schutzbedürftigkeit der einzelnen Kandidaten anhand der folgenden vier Unterscheidungskriterien:
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Lebensalter der Mitarbeiter
- Unterhaltspflichten (gegenüber Ehepartner oder Kindern)
- Schwerbehinderung
Die Abwägung welcher Arbeitnehmer schutzwürdiger ist als seine Kollegen, erfolgt dabei oft nach einem extra eingerichteten Punktesystem. Bevor jedem einzelnen Mitarbeiter Punkte zugeteilt werden können, ist auf die „Vergleichbarkeit“ zu achten. Danach werden nur die sozialen Aspekte der jeweiligen Arbeitnehmer miteinander verglichen, deren Arbeitsbereich und Fähigkeiten der gleichen Kategorie angehören.
Was gilt für Betriebe mit weniger als 10 Mitarbeitern?
Sollen Kündigungen in Kleinbetrieben ausgesprochen werden, so ist der Kündigungsschutz grundsätzlich aufgehoben bzw. nur stark eingeschränkt anwendbar. Grundsätzlich muss in einem größeren Betrieb ein Kündigungsgrund angegeben werden, ansonsten ist die Kündigung nach § 1 Abs. 1 und 2 KSchG sozial ungerechtfertigt und somit unwirksam.
Bei Kleinbetrieben mit weniger als zehn Mitarbeitern benötigt der Arbeitgeber keinen Kündigungsgrund, um das Arbeitsverhältnis zu beenden. Des Weiteren ist beispielsweise auch keine Sozialauswahl erforderlich.
Dennoch sind auch in Kleinbetrieben in erster Linie Formvorschriften zu beachten. So muss bei Kündigungen gemäß § 623 BGB die Schriftform gewahrt bleiben. Daneben muss dem Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben ordnungsgemäß zugehen.
Ebenso besteht in Kleinbetrieben für bestimmte Gruppen der sogenannte Sonderkündigungsschutz. Er umfasst neben Schwangeren, Schwerbehinderten und Auszubildenden auch die Betriebsratsmitglieder.
In diesen Fällen kann eine betriebsbedingte Kündigung unwirksam werden
Eine Kündigung durch den Arbeitgeber kann ihre Wirkung verlieren, wenn bestimmte Aspekte nicht beachtet werden.
Darunter fallen die folgenden Punkte:
- Der Betriebsrat wird vor Ausspruch der Kündigung nicht angehört: Gibt es in einem Unternehmen einen Betriebsrat, muss dieser vor der betriebsbedingten Kündigung angehört werden. Wurde dieser Schritt nicht berücksichtigt, ist die Kündigung unwirksam.
- Einem Mitglied des Betriebsrats wird gekündigt: Diese Arbeitnehmergruppe ist vor betriebsbedingten Kündigungen ebenso geschützt wie schwangere oder schwerbehinderte Arbeitnehmer. Bei der Kündigung eines Arbeitnehmers mit Handicap muss zum Beispiel die Zustimmung des Integrationsamts eingeholt werden.
Welche Gründe rechtfertigen eine betriebsbedingte Kündigung?
Wie bereits erwähnt ist eine betriebsbedingte Kündigung nur dann zulässig bzw. wirksam, wenn u. a. dringende betriebliche Erfordernisse eine Entlassung rechtfertigen können. Die Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung lassen sich dabei in zwei verschiedene Gruppen aufteilen: in inner- und außerbetriebliche Gründe.
Innerbetriebliche Gründe:
- Insolvenz des Unternehmens – Schließung bzw. Stilllegung des Betriebes oder einer Filiale
- Outsourcing – Auslagerung einzelner Bereiche
- Umstrukturierung
- Verlagerung von Produktionen
- Einschränken der Produktion
- Neue Fertigungsmethoden zur Effizienzsteigerung
- Durchführung von Rationalisierungsmaßnahmen
- Zusammenschluss mit anderen Betrieben
- Änderung der Betriebsorganisation
Außerbetriebliche Gründe:
- Auftragsmangel bzw. Auftragsrückgang, d. h. fehlende aber auch geringere Aufträge für das Unternehmen
- Umsatz- bzw. Gewinnrückgang
- Absatzschwierigkeiten
- Kürzungen von Drittmitteln bzw. Verlust von Fördermitteln (dadurch fehlende Finanzierung von Arbeitsplätzen)
- Fehlende Rentabilität
- Rohstoffmangel, Dezimierung bzw. Verteuerung der benötigten Rohstoffe
Hierbei ist zu beachten, dass eine betriebsbedingte Kündigung selbst dann zulässig ist, wenn sich die wirtschaftliche Situation nicht übermäßig schwierig darstellt. Dies erklärt, weshalb Umstrukturierungen oder auch Auslagerungen als Gründe für eine Kündigung herhalten dürfen.
Dagegen müssen sämtliche vorgetragene Gründe nicht nur geplant, sondern auch bereits umgesetzt worden sein. Vorher ist eine betriebsbedingte Kündigung nicht zulässig.
Aus Sicht des Arbeitgebers besteht die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer für den Fall eine Abfindung anzubieten, wenn dieser auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet. Ob der Arbeitnehmer dieses Angebot annimmt oder nicht, ist schließlich seine Entscheidung.
Welche Mitarbeiter können nicht bzw. nur schwer betriebsbedingt gekündigt werden?
Auch wenn der Arbeitgeber alle Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung erfüllen kann, bleibt bei bestimmten Personengruppen dennoch der besondere Kündigungsschutz bestehen. Dieser erstreckt sich über verschiedene gesetzliche Vorschriften und ist vom Arbeitgeber unbedingt zu beachten. Mit der Folge, dass manche der Arbeitnehmergruppen nur in Ausnahmefällen kündbar sind.
Dazu gehören:
- Schwangere: § 17 MuSchG (Mutterschutzgesetz) schreibt vor, dass Schwangeren nicht gekündigt werden darf. Dieser Kündigungsschutz besteht ab dem ersten Tag der Schwangerschaft und erstreckt sich bis vier Monate nach der Entbindung – unabhängig von der Dauer des bestehenden Arbeitsverhältnisses.
- Schwerbehinderte: Im Gegensatz zu Schwangeren dürfen Schwerbehinderte in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses gekündigt werden. Danach ist dies gemäß § 174 SGB IX nur mit Zustimmung des Integrationsamtes (unter Abwägung der beiderseitigen Interessen) und unter Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung zulässig. Möglich ist dies vor allem in folgenden Fällen: Insolvenz, dauerhafte Betriebseinstellung, Verkleinerung des Betriebes und Neuanstellung des Schwerbehinderten.
- Betriebsratsmitglieder: Auch die Mitglieder eines Betriebsrates genießen besonderen Kündigungsschutz. Denn nach § 15 Abs. 1 KSchG kann ihnen nur bei einer Betriebsstilllegung ordentlich gekündigt werden. Gleiches gilt, wenn Gründe für eine fristlose bzw. außergewöhnliche Kündigung vorliegen.
- Angestellte in Elternzeit: Mit der Einreichung des Antrags auf Erziehungsurlaub genießen auch Arbeitnehmer in der Elternzeit den besonderen Kündigungsschutz, frühestens jedoch acht Wochen vor Beginn einer Elternzeit bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 BEEG – Bundeseltern- und Elternzeitgesetz).
Wann muss der Arbeitgeber eine Massenentlassungsanzeige machen?
Stehen Massenentlassungen an (z. B. bei einer Fluggesellschaft), so muss der Arbeitgeber bestimmte Vorschriften bei der Verfahrensweise beachten. Eine Massenentlassung liegt im Übrigen dann vor, wenn bei einer Betriebsgröße von 20 bis 60 Angestellten mindestens fünf Mitarbeitern gekündigt wird. Bei einer Größe von 60 bis 500 Arbeitnehmern, müssen 10 % oder mindestens 25 Mitarbeiter eine Kündigung erhalten. Bei mehr als 500 Arbeitnehmern muss die Entlassung mindestens 30 Angestellte betreffen.
Nach § 17 KSchG ist der Arbeitgeber bei einer Massenentlassung verpflichtet, der Agentur für Arbeit gegenüber eine sogenannte Massenentlassungsanzeige zu machen. Danach ist Anzeige zu erstatten, wenn der Arbeitgeber eine jeweils entsprechende Massenentlassung „innerhalb von 30 Tagen“ veranlasst.
Darüber hinaus ist auch der Betriebsrat miteinzubeziehen. Diesen muss er bereits im Vorfeld umfassend über die geplante Massenentlassung informieren (§ 17 Abs. 2 KSchG).