Abmahnung & Kündigung wegen Beleidigung: erlaubt? + Muster
Welche Arten von Beleidigungen sind arbeitsrechtlich nicht zulässig?
Ist der Arbeitsanfall im Unternehmen außergewöhnlich hoch und der Stresspegel steigt, kann man sich unter Arbeitskollegen auch mal schnell im Wort vergreifen. Wird der Umgangston jedoch zu rau und die Äußerungen respektlos, droht dem Mitarbeiter eine Abmahnung wegen Beleidigung. Denn neben den vertraglich vereinbarten Hauptpflichten ist es die Pflicht des Arbeitnehmers, sich sowohl seinen Vorgesetzten als auch seinen Kollegen gegenüber höflich und mit dem gebührenden Respekt zu verhalten.
Wird diese Nebenpflicht aus seinem Arbeitsvertrag verletzt, liegt eine abmahnfähige Beleidigung vor. Doch in welchen Fällen spricht man von einer Beleidigung, die arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann?
Bei Beleidigungen (im Betrieb) unterscheidet man folgende drei Fälle:
- die inhaltliche Beleidigung,
- die Formalbeleidigung und
- respektloses Verhalten,
Inhaltliche Beleidigung
Eine inhaltliche Beleidigung liegt dann vor, wenn der Inhalt des Gesagten selbst beleidigenden Charakter besitzt. Dies ist zweifelsfrei bei Schimpfwörtern (z. B. Penner, Idiot) der Fall, kann aber ebenso durch eine Geste wie etwa den gezeigten Mittelfinger oder den „Scheibenwischer“ gegeben sein.
Formalbeleidigung
Da eine Beleidigung grundsätzlich dann bejaht werden kann, wenn man die Ehre des anderen angreift, können auch die äußeren Umstände oder die Form der Aussage darüber entscheiden, ob eine sogenannte Formularbeleidigung vorliegt. Eine derartige Einordnung der Aussage ist abhängig vom üblichen Umgangston im Betrieb. Bei einer allgemein eher raueren Umgangsart zwischen Kollegen werden bestimmte Äußerungen dementsprechend nicht zu schnell als Beleidigungen aufgefasst.
So wäre die Bezeichnung – auch eines homosexuell ausgerichteten Kollegen – als „Schwuchtel“ als ehrverletzend einzustufen. Wogegen bei der Bezeichnung eines Polizisten als „Bullen“ eine beleidigende Absicht verneint wurde, da sie aus Sicht des Gerichts noch als Umgangssprache durchgehen kann, wenn der beleidigende Charakter nicht ausdrücklich beabsichtigt war (LG Regensburg, Urt. vom 06.10.2005 – 3 Ns 134 Js 97458/04).
Respektloses Verhalten
Darüber hinaus liegt eine Verletzung der vertraglichen Nebenpflichten auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer ein besonders respektloses Verhalten an den Tag legt. Verabschiedet sich der Mitarbeiter von seinem Chef beispielsweise mit den Worten „Ich wünsche Ihnen ein beschissenes Wochenende“, so liegt keine Beleidigung vor. Doch die Äußerung ist in dem Maße unhöflich, dass eine derartige Respektlosigkeit von dem Vorgesetzten nicht geduldet werden muss, sondern vielmehr abgemahnt werden kann.
Rechtfertigt eine Beleidigung eine Abmahnung?
Ja, wenn Kollegen, Vorgesetzte oder Kunden vorsätzlich beleidigt werden, kann eine Abmahnung wegen Beleidigung erfolgen. Denn der Arbeitnehmer begeht damit nicht nur eine Vertragspflichtverletzung. Daneben stört er das allgemeine Betriebsklima, das sich grundsätzlich durch ein höfliches und respektvolles Miteinander auszeichnet. Zudem ist es die Pflicht des Arbeitgebers, Störungen dieser Art zu unterbinden. Durch die Abmahnung wegen Beleidigung wird dem betreffenden Mitarbeiter unmissverständlich klargemacht, dass er die Grenzen eines sozialen Miteinanders überschritten und die geltenden Regeln verletzt hat.
Ob eine Beleidigung immer gleich eine Abmahnung nach sich zieht, ist im konkreten Fall eine Frage der sonst üblichen Umstände im Unternehmen. Diese beurteilen sich nach dem allgemeinen Umgangston, der psychischen Verfassung des Einzelnen, auch dem Bildungsstand oder sie müssen im Einzelfall in der jeweiligen Situation bewertet werden. So kann sich die alltägliche Sprache innerhalb einer großen Fabrik oder auf einer Baustelle von den Gepflogenheiten im Büro deutlich unterscheiden. Nicht jede Äußerung erfolgt demnach gleich mit ehrverletzender Absicht.
Auf der anderen Seite muss der Empfänger nicht jedes Fehlverhalten hinnehmen. Darf davon ausgegangen werden, dass die inhaltliche oder die Formalbeleidigung für den Betroffenen verletzend ist, muss mit einer Abmahnung wegen Beleidigung gerechnet werden. Umso mehr, wenn sich der Beleidigende im Fall uneinsichtig zeigt, da die Abmahnung neben der Rüge auch eine Warnung beinhaltet. Denn nach der Abmahnung sind auch weitreichendere Konsequenzen möglich …
Ist eine Beleidigung ein Kündigungsgrund?
Wenn man die Abmahnung wegen Beleidigung als warnende Vorstufe betrachtet, ist es vorhersehbar, dass in bestimmten Fällen eine Kündigung droht. Vor allem dann, wenn sich der Mitarbeiter trotz erfolgter Abmahnung zu einer Wiederholung hinreißen lässt. Denn die Abmahnung verfolgt nach deutschem Arbeitsrecht das Ziel, den Arbeitnehmer auf sein Fehlverhalten und seine Pflichtverletzung hinzuweisen und zu warnen. Die Abmahnung wegen Beleidigung stellt im arbeitsrechtlichen Sinn keine Strafe dar, vielmehr besitzt sie neben den genannten Gründen zusätzlich noch eine Dokumentationsfunktion.
Eine ordentliche Kündigung kommt demnach dann infrage, wenn eine weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht mehr ohne Störfälle zu erwarten ist. Voraussetzung hierfür ist jedoch in den meisten Fällen eine vorherige Abmahnung. Denn gerade sie soll den Arbeitnehmer als Ultima Ratio daran erinnern, auch in Zukunft seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen. Und dazu gehört nun mal ein respektvolles Miteinander und eben keine beleidigenden Äußerungen.
Zu berücksichtigen ist, in welcher womöglich angespannten Situation die Beleidigung gefallen ist. Hat sich der Arbeitnehmer inmitten einer hitzigen Auseinandersetzung ehrverletzend geäußert, kann dies im konkreten unter Umständen milder bewertet werden.
Lässt der Arbeitnehmer diese Warnung außer Acht, so ist der Arbeitgeber zur Kündigung wegen Beleidigung berechtigt. Darüber hinaus kann die Abmahnung wegen Beleidigung in besonderen Fällen sogar entbehrlich sein.
Kann dem Arbeitnehmer wegen Beleidigung fristlos gekündigt werden?
Eine fristlose Kündigung ist stets als letztes Mittel zu betrachten, wenn es aus Sicht des Arbeitgebers nicht möglich erscheint, das Arbeitsverhältnis auf einem anderen Weg retten zu können. Sieht er nach einer Beleidigung das Tischtuch zwischen ihm und seinem Angestellten jedoch endgültig zerrissen, kann er in besonderen Fällen auch auf die fristlose Kündigung zurückgreifen. Grobe Beleidigungen können dann Anlass geben, eine außerordentliche Kündigung auszusprechen. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Dienstverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bei wichtigem Grund gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Dies ist im Einzelfall zu überprüfen.
Aus Sicht des Arbeitgebers kann in Fällen einer schweren Beleidigung das Arbeitsklima mehr als nur gefährdet sein. Ist davon auszugehen, dass es z. B. durch eine öffentlich getätigte Beleidigung als unrettbar zerstört angesehen werden muss, wird der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis insgesamt beenden wollen. Insbesondere wenn nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich das Verhältnis zukünftig wieder bessern wird.
Neben einer verhaltensbedingten, ordentlichen Kündigung ist die fristlose Kündigung demzufolge dann anwendbar, wenn der wichtige Grund etwa in einer Kundenbeleidigung besteht. Daneben kommen z. B. sexistisch oder rassistisch motivierte Beleidigungen in Wort und Bild als wichtige Gründe in Betracht, um eine außerordentliche Kündigung auszusprechen.
Wie sollten Arbeitgeber bei persönlichen Beleidigungen reagieren?
Wird man als Arbeitgeber von seinem Angestellten beleidigt, kommt es bei den anzuwendenden Konsequenzen auf verschiedene Faktoren an. Als Chef muss man sich keine herabsetzenden oder ehrverletzenden Äußerungen – ganz gleich welcher Art – gefallen lassen. Darüber hinaus stellt eine Beleidigung in jedem Fall eine Verletzung nebenvertraglicher Pflichten dar. In den allermeisten Fällen wird der Arbeitgeber daher nicht umhinkönnen, seinen Mitarbeiter abzumahnen. Dies gilt sicherlich auch dann, wenn die Äußerung in der Hitze des Gefechts oder aber nach Dienstschluss getätigt wurde.
Auch eine verhaltensbedingte, ordentliche Kündigung ist dann eine Option, wenn eine weitere Zusammenarbeit wenig Chancen auf Erfolg hat. Hierbei ist zu bedenken, dass die Kündigung erforderlich, angemessen und dazu geeignet sein muss, die Interessen des Arbeitgebers zu schützen. In dem Zusammenhang stellen sich z. B. Fragen, ob eine Wiederholungsgefahr besteht oder als wie schwerwiegend das Fehlverhalten einzustufen ist.
Gilt etwa das Arbeitsklima als nachhaltig gestört, kann eine Abmahnung entbehrlich sein und sogar die fristlose Kündigung als einziger Ausweg dienen. In derartigen Fällen kann natürlich auch anwaltlicher Rat hilfreich sein.
Dennoch sollte der Arbeitgeber grundsätzlich das persönliche Gespräch mit seinem Angestellten suchen. Dies kann selbst dann ratsam sein, wenn eine (fristlose) Kündigung bereits beschlossen ist.
Wie sollten Arbeitgeber bei Beleidigungen zwischen Kollegen agieren?
Beleidigen sich die Arbeitskollegen untereinander, kann ein klärendes Gespräch mit dem Arbeitgeber eine sinnvolle Alternative sein, um die Wogen ein wenig zu glätten. Mehr noch: Aufgrund seiner Fürsorgepflicht ist der Arbeitgeber verpflichtet, seine Mitarbeiter vor (weiteren) Beleidigungen zu schützen. Ob das Gespräch mit dem Arbeitnehmer dann zu einer Abmahnung wegen Beleidigung, einer ordentlichen oder gar fristlosen Kündigung führt, ist natürlich einer individuellen Prüfung geschuldet.
Aber nicht nur aus Gründen des guten Betriebsklimas sollte der Arbeitgeber bei Beleidigungen eingreifen. Denn der „beleidigte“ Mitarbeiter könnte im Fall berechtigt sein, selbst zu kündigen. Sollte dem Arbeitgeber nachgewiesen werden, sich nicht hinreichend um den Schutz des Arbeitnehmers bemüht zu haben, droht ihm nicht nur eine Kündigung, sondern unter Umständen auch eine Schadensersatzforderung seitens des Mitarbeiters.
In jedem Fall hat der Arbeitgeber das Recht, sich in Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmers einzumischen. Und im besten Fall macht er von dieser Möglichkeit etwa durch ein klärendes Gespräch auch Gebrauch.