Beitragsbild des Artikels "Kassendifferenz". Ein Piktogramm auf der rechten Seite zeigt eine Kassiererin bei ihrer Tätigkeit an der Kasse.

Kassendifferenz: Wer haftet in welchem Umfang? + Tipps zur Vermeidung

Verkäufer und Verkäuferinnen im Einzelhandel, die neben der Kundenberatung ebenfalls an der Kasse arbeiten, kennen Situationen, in denen der Kassier-Vorgang unübersichtlich ist. Eine Zwischenfrage einer Kundin, langfristiger Stress oder ein Moment der Unaufmerksamkeit können dazu führen, dass zu viel oder zu wenig Rückgeld gegeben wird oder ein anderer signifikanter Fehler an der Kasse passiert. Doch was sind die Folgen bei einer Kassendifferenz? Muss der Arbeitnehmer für Kassendifferenzen haften? Und falls ja, in welchem Umfang?
Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Kassendifferenz?

Als Kassendifferenz bezeichnet man eine Abweichung oder einen Fehlbetrag zwischen dem erwarteten Kassenbestand und dem tatsächlichen Bestand.

Beispiel: Ein Einzelhandelsunternehmen hat auf Basis der Auswertung der digitalen Kasse 4.235,70 Euro eingenommen. Neben den unbaren Buchungen, bei denen Kunden mit EC- oder Kreditkarte bezahlt haben, wurden 935,70 Euro in bar eingenommen. Beim Zählen des Bargelds fällt allerdings auf, dass der Barbestand der Kasse nur 932,80 Euro beträgt. Der Fehlbetrag beläuft sich auf 2,90 Euro.

Wer haftet bei einer Kassendifferenz?

Eine Differenz in der Kasse kann aus Versehen oder absichtlich entstehen. In Deutschland ist die Haftungsfrage in Bezug auf eine Kassendifferenz klar umrissen: Jeder, der an einer Kasse arbeitet, hat grundsätzlich die Pflicht, ein neutrales Kassenfach zu übergeben.

Diese Arbeitnehmerhaftung ergibt sich aus dem § 280 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). In diesem Paragrafen wird erklärt:

Verletzt der Schuldner (Arbeitnehmer) eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis (Arbeitsverhältnis), so kann der Gläubiger (Arbeitgeber) Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen.

Dieser Passus des BGB bedeutet nicht, dass Arbeitgeber bei jeder Differenz berechtigt sind, Schadenersatz zu verlangen. Dies ist ausschließlich möglich, wenn ein vorsätzlicher oder fahrlässiger Tatbestand nachgewiesen werden kann.

Wann haften Mitarbeiter – und in welchem Umfang?

Bei der Haftung des Mitarbeiters geht es vor allem um eine Interessenabwägung. Hierfür werden Faktoren wie die Schadenshöhe und der Betrag, die wirtschaftliche Situation des Arbeitnehmers und das genaue Verschulden berücksichtigt und abgewogen.

In der Regel wird das folgende Stufen-Modell genutzt, um die Haftungsfrage zu klären:

Grad der FahrlässigkeitHaftbarkeit
Leichte Fahrlässigkeit0 Prozent
Mittler Fahrlässigkeit50 Prozent
Grobe Fahrlässigkeit oder sogar Vorsatz100 Prozent

Doch wann liegt welcher Grad an Fahrlässigkeit vor?

Wann liegt leichte Fahrlässigkeit bei Kassendifferenz vor?

Von einer leichten Fahrlässigkeit spricht man, wenn ein Mitarbeiter seine Sorgfaltspflicht im Umgang mit der Kasse in geringem Maße verletzt hat. Arbeitnehmer haften nicht für eine leichte Fahrlässigkeit, beispielsweise wenn im Stress zu viel oder zu wenig Bargeld in die Kasse eingelegt wurde. Die meisten Kassendifferenzen entstehen aufgrund einer leichten Fahrlässigkeit. Viele Unternehmen haben aus diesem Grund das sogenannte Mankogeld eingeführt, dass kleine Fehlbeträge ausgleicht.

Wann liegt eine mittlere Fahrlässigkeit bei Kassendifferenzen vor?

Bei mittlerer Fahrlässigkeit, die ein vorsätzliches oder gleichgültiges Verhalten impliziert, kann der Betrag der Haftung bei der Hälfte der Kassendifferenz liegen. Dies bedeutet, dass der Mitarbeiter hälftig und persönlich für die Differenz aufkommen muss. Ein gleichgültiges Verhalten könnte beispielsweise vorliegen, wenn eine Kassiererin in einem Supermarkt versehentlich einen Artikel nicht scannt oder falsch abrechnet, weil sie durch Gespräche mit Kunden oder Kollegen langfristig abgelenkt ist.

Dieses Verhalten geht über eine einfache Unachtsamkeit hinaus, da von einem Kassierer erwartet wird, dass er die Vorgänge an der Kasse genau verfolgt. Es stellt gleichzeitig keine grobe Fahrlässigkeit dar, da kein vorsätzliches Fehlverhalten vorliegt.

Wann spricht man von grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz bei Kassendifferenzen?

Als vorsätzliche Handlung bezeichnet man zum Beispiel den Griff des Mitarbeiters in die Kasse, der als Diebstahl gilt. Auch die vorsätzliche Falschberechnung zum eigenen Vorteil wird als Vorsatz gewertet.

Es ist sinnvoll, in diesem Fall einen Anwalt für Arbeitsrecht zurate zu ziehen. Grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz erfordert vonseiten des Arbeitgebers eindeutige Nachweise. Können diese Beweise, wie der fehlende Betrag entstanden ist, plausibel vorgelegt werden, ist der Mitarbeiter zu 100 Prozent haftbar.

Rechtfertigt eine Kassendifferenz eine Abmahnung oder Kündigung?

Das Arbeitsrecht enthält für eine Abmahnung oder eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund von Kassendifferenzen hohe Hürden. Ob eine Abmahnung oder eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sind, hängt vom Einzelfall ab. Aus Unternehmenssicht macht es Sinn, einen Anwalt für Arbeitsrecht zu konsultieren und die rechtlichen Rahmenbedingungen im Detail zu betrachten.

Viel hängt von den individuellen Umständen und dem Wiederholungsgrad ab. Eine einmalige leichte Fahrlässigkeit kann in der Regel nicht zur Kündigung führen. Bei einer Kette von Vorfällen, fortlaufender großer Differenzen im Kassenbestand oder bei einem Vertrauensverlust zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnte eine Kündigung gerechtfertigt sein. Abmahnungen sind der erste Schritt in einer längerfristigen Eskalationsspirale und sollen dem Arbeitnehmer deutlich machen, dass seine Handlungen nicht akzeptabel sind und dringend verändert werden müssen. Ein Anwalt ist der beste Ansprechpartner für eine fortlaufende Rechtsberatung.

Kann der Arbeitgeber die Haftung vollständig auf den Arbeitnehmer lagern?

Aus arbeitsrechtlicher Sicht kann die Haftung bei einer Kassendifferenz nicht vollständig auf den Arbeitnehmer verlagert werden. Damit trotzdem eine einfache, effiziente und zielführende Methode im Alltag zur Verfügung steht, nutzen viele Unternehmen die sogenannte Mankovereinbarung, die ebenfalls als Mankogeld bezeichnet wird.

Was ist eine Mankovereinbarung?

Eine Mankovereinbarung ist ein rechtsgültiger Vertrag, der die Haftung bei Fehlbeständen und Kassendifferenzen regelt. In der Mankovereinbarung legen Arbeitnehmer und Arbeitgeber also gleichermaßen fest, wie im Falle einer Kassendifferenz zu verfahren ist.

Ziel einer Mankovereinbarung ist es, eine klare Regelung zu schaffen, wie mit Fehlbeträgen umgegangen wird, die während der Arbeitszeit entstehen.

Mitarbeiter, die einer Mankovereinbarung zustimmen, übernehmen eine gewisse Verantwortung und haften bis zu einem gewissen Grad für die entstandenen Mankos, also für die Differenzen zwischen Soll- und Ist-Beständen.

Was sind die Voraussetzungen für eine Mankovereinbarung?

In Deutschland müssen Mankovereinbarungen bestimmten rechtlichen Anforderungen entsprechen, um gültig zu sein.

  • Eine Mankovereinbarung muss schriftlich als Anlage zum Arbeitsvertrag oder direkt im Arbeitsvertrag festgehalten werden.
  • Eine Mankovereinbarung muss klar, verständlich und eindeutig formuliert sein.
  • Die Vereinbarung muss angemessen sein und darf den Arbeitnehmer nicht benachteiligen.
  • Die Mankovereinbarung darf nichtgegen das geltende deutsche Arbeitsrecht verstoßen.

Mankogeld

Häufig überweist der Arbeitgeber ein Mankogeld (Fehlgeldentschädigung) zusätzlich zum regulären Arbeitslohn des Arbeitnehmers. Bis zu 16 Euro pro Monat ist das Mankogeld von der Lohnsteuer und der Sozialversicherung befreit. Für alle Kassendifferenzen eines Monats haftet in diesem Fall der Mitarbeiter.

Was sind die Vor- und Nachteile der Mankovereinbarung?

Mankovereinbarungen bieten sowohl Vor- als auch Nachteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Was sind die Vorteile der Mankovereinbarung?

Der Abschluss einer Mankovereinbarung schafft nicht nur klare Regeln bei der Frage nach der Verantwortung für Verluste, sondern trägt auch dazu bei, dass Mitarbeiter sorgfältiger mit den ihnen anvertrauten Werten umgehen und hat damit eine präventive Wirkung.

Weitere Vorteile:

  • Klarheit und Transparenz
  • Fairer Umgang mit Verlusten
  • Vorbeugung von Diebstahl und Betrug
  • Fördert das Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeiter
  • Effizienzsteigerung im Bereich der Kasse

Welche Nachteile birgt die Mankovereinbarung?

Mankovereinbarungen können einen erheblichen Druck auf Mitarbeiter ausüben, besonders in hochfrequentierten oder chaotischen Arbeitsumgebungen, wo Fehler leicht passieren können.

Weitere Nachteile:

  • Potenzielle Ablenkung von systematischen Problemen
  • Kann zu Misstrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer führen
  • Rechtsfragen bei der Implementierung und Umsetzung

Beispiel-Formulierung Mankovereinbarung

Die folgende auszugsweise Formulierung einer Mankovereinbarung als Zusatz zum Arbeitsvertrag muss im Einzelfall individuell angepasst und rechtlich geprüft werden:

„Für das übernommene Haftungsrisiko erhält der Arbeitnehmer eine monatliche Fehlgeldentschädigung von 16,00 Euro (jährlich 192,00 Euro), die aktuell als steuer- und sozialversicherungsfreier Arbeitslohn gilt. Der Arbeitnehmer haftet auch ohne nachgewiesenes Verschulden für Kassenfehlbestände. Er hat ein Recht auf Entlastungsbeweis. Die Beweislast für das Vorliegen eines Mankos liegt beim Arbeitgeber.“

9 Tipps für Arbeitgeber: Wie reduzieren Sie Kassendifferenzen?

Die Wahrscheinlich von Kassendifferenzen können Sie durch wenige Maßnahmen gezielt reduzieren. Folgende Tipps gilt es zu beherzigen:

  1. Führen Sie ein klares und gut kommuniziertes Kassenmanagement.
  2. Organisieren Sie regelmäßige Trainings für Mitarbeiter zur korrekten Kassenführung.
  3. Führen Sie turnusmäßige Überprüfungen der Kassenführung durch.
  4. Implementieren Sie transparente Verfahrensweisen für die Handhabung von Kassendifferenzen.
  5. Dokumentieren Sie alle Kassentransaktionen sorgfältig, um Unstimmigkeiten schnell aufklären zu können.
  6. Schaffen Sie Anreize für Mitarbeiter, die durch Genauigkeit und Zuverlässigkeit bei der Kassenführung auffallen.
  7. Etablieren Sie ein faires System zur Verantwortungsübernahme bei Kassendifferenzen (Mankovereinbarung), das sowohl präventiv wirkt als auch Lösungen bietet.
  8. Führen Sie eine faire und gründliche Untersuchung durch, wenn Kassendifferenzen auftreten. Beziehen Sie dabei alle relevanten Mitarbeiter ein und stellen Sie sicher, dass die Privatsphäre und die Rechte der Mitarbeiter gewahrt bleiben.
  9. Nutzen Sie Technologie zur Fehlerminimierung wie automatisierte Kassensysteme und regelmäßige Software-Updates.

FAQ zu Kassendifferenzen

Ein direkter Abzug vom Lohn stellt in der Regel eine unzulässige Benachteiligung des Arbeitnehmers dar. Im ersten Schritt muss aus Arbeitgebersicht geprüft werden, ob die Kassendifferenz aufgrund von leichter, mittelschwerer oder grober Fahrlässigkeit zustande gekommen ist. Ein direkter Abzug von Gehalt ist ausschließlich unter Einhaltung der tarifvertraglichen, arbeitsvertraglichen oder gesetzlichen Grundlagen gestattet.
Auch buchhalterischer Sicht empfiehlt es sich, eine Kassendifferenz nicht als Verlust, sondern als Manko zu verbuchen. Hierbei ist es wichtig, klare Dokumentation und Abrechnungen zum Manko zu führen, um etwaige finanzielle Ausgleichszahlungen korrekt nachzuweisen. Im Kontorahmen SKR 03 kann für einen Fehlbetrag das Konto 2309 (Sonstige Aufwendungen unregelmäßig) genutzt werden. Im Kontorahmen SKR 04 wird das Konto 6969 genutzt. Bei einem Plusbetrag wird das Konto 2709 (Sonstige Erträge, unregelmäßig SKR 03) bzw. 4839 (SKR 04) verwandt.
In einem Einzelhandelsgeschäft oder einem Gastronomiebetrieb mit viel Kundenkontakt sind Kassendifferenzen zwischen 1 bis 2 Euro pro Tag als normal anzusehen. 10 Cent plus oder minus pro Stunde gelten bei einer Kasse als typisch und unkritisch.