Schichtarbeit gesundheitsgerecht gestalten – Modelle und Bedeutung
- Wie wird Schichtarbeit definiert?
- Welche Schichtsysteme werden unterschieden?
- Welche gesundheitlichen Folgen hat Schichtarbeit?
- Welche Pflichten hat der Arbeitgeber bei der Schichtarbeit?
- Was bedeutet gesundheitsgerechte Schichtarbeit?
- Welche gesundheitsgerechten Modelle der Schichtarbeit gibt es?
- Welche Personengruppe darf nicht in der Nachtschicht arbeiten?
- Gibt es erhöhte Unfallrisiken zu bestimmten Zeiten?
- Haben Schichtarbeiter ein Recht auf arbeitsmedizinische Untersuchungen?
- Welche Regelungen gelten für Pausen im Schichtsystem?
- Wer ist für die Erstellung der Schichtpläne verantwortlich?
- Welche Rechte hat der Betriebsrat bei Schichtarbeit?
Wie wird Schichtarbeit definiert?
Schichtarbeit ist eines von zahlreichen Arbeitszeitmodellen. Bei einem solchen Modell sind Vereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer genau festgelegt und arbeitsvertraglich oder tarifvertraglich festgelegt. Weitere Arbeitszeitmodelle sind zum Beispiel Gleitzeit, Vollzeit oder Teilzeit. Darüber hinaus ist die Arbeit im Homeoffice ein Arbeitszeitmodell – eines, welches in der freien Wirtschaft mit dem Beginn der Corona-Pandemie Auftrieb bekam. Homeoffice-Regelungen gibt es mittlerweile in nahezu jedem Unternehmen.
Gemäß der DGUV-Information 206-024 – “Schichtarbeit (k)ein Problem” bedeutet Schichtarbeit Arbeit zu verschiedenen, teils wechselnden oder ungewöhnlichen Tages- und Nachtzeiten. Als Nachtarbeit wiederum gilt laut Angaben der DGUV-Information jede Tätigkeit, die in der Zeit zwischen 23 und 6 Uhr früh mehr als zwei Stunden umfasst. Darüber hinaus ist Nachtschicht bzw. Dauernachtschicht ein Teil eines Schichtsystems.
Welche Schichtsysteme werden unterschieden?
Das Schichtsystem lässt sich wiederum aufteilen in das Permanente System sowie in das Wechselschichtsystem. Diese beiden Schichtsysteme splitten sich unter anderem aufgrund von der Arbeit in der Nacht nochmal auf:
Permanentes Schichtsystem | Wechselschichtsystem |
---|---|
Tagarbeit | Schichtsystem mit oder ohne Nachtarbeit |
Dauerfrühschicht | |
Dauerspätschicht | |
Dauernachtschicht | |
Geteilte Schichten mit festen Arbeitszeiten |
Beim Wechselschichtsystem spielt außerdem eine Rolle, ob die Beschäftigten am Wochenende arbeiten oder nicht.
Welche gesundheitlichen Folgen hat Schichtarbeit?
Schichtarbeit und vor allem Nachtarbeit sind eine Belastung für die physische und psychische Gesundheit des Körpers. Beschäftigte in Schichtarbeit klagen nicht selten unter Schlafdefiziten. Denn in der Nacht und in Wechselschichten zu arbeiten, unterbricht den natürlichen Biorhythmus, und erfordert, dass der Körper gegen seine innere Uhr arbeitet.
Wenn der Mensch als normalerweise tagaktives Lebewesen nachts aktiv sein muss, fehlt dem Organismus die Fähigkeit zur Regeneration. Bei Schicht- und Nachtarbeit steigt daher die Gefahr, dass die Beschäftigten körperlich und psychisch aus dem Gleichgewicht geraten. Schichtarbeit zerrt auf Dauer an den körperlichen wie auch den seelischen Kräften.
Welche Pflichten hat der Arbeitgeber bei der Schichtarbeit?
Unternehmen müssen im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht für eine gesundheitsgerechte Schichtarbeit sorgen. Die Fürsorgepflicht beinhaltet Schutz-, Sorgfalts- und Auskunftspflichten bei Schichtdiensten. Im Rahmen der Sorgfaltspflicht müssen Arbeitgeber bzw. Unternehmen sämtliche Vorkehrungen treffen, die zum Schutz von Leben und Gesundheit der Beschäftigten beitragen. Es gibt allerdings keine konkrete gesetzliche Grundlage für die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber. § 618 BGB regelt die Pflicht zu Schutzmaßnahmen im Betrieb. Zur Förderung einer gesundheitsgerechten Schichtarbeit und Schichtplangestaltung sollten Arbeitgeber daher aktuelle arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse von der DGUV berücksichtigen.
Was bedeutet gesundheitsgerechte Schichtarbeit?
In der DGUV-Information 206-024 gibt es eine Checkliste zur Gestaltung von Schichtplänen, die sich an den aktuellen Erkenntnissen der Arbeitswissenschaft orientiert und eine gesundheitsgerechte Schichtarbeit – sowohl über den Tag als auch über die Nacht ermöglicht. Die wichtigsten arbeitswissenschaftlichen Aspekte für eine gesundheitsgerechte Schichtplangestaltung lauten:
- Vorwärtswechsel von Schichten,
- schnelle Schichtwechsel,
- Zahl aufeinanderfolgender Nachtschichten (Schichtfolge) gering halten,
- nicht mehr als fünf Arbeitstage oder fünf Schichten nacheinander, zu viel Schichtblöcke vermeiden und
- Freizeit möglichst als Block gestalten, einzelne Arbeitstage zwischen freien Tagen vermeiden.
Welche gesundheitsgerechten Modelle der Schichtarbeit gibt es?
Es gibt verschiedene gesundheitsgerechte Schichtmodelle, die sich von Unternehmen zu Unternehmen unterscheiden:
Modell mit zwei Schichten: Bei diesem Schichtmodell gibt es im Betrieb eine Frühschicht und eine Spätschicht. In beiden Schichten beträgt die Arbeitszeit für die Beschäftigten acht Stunden.
Schichtmodell mit drei Schichten: Betriebe mit diesem Schichtmodell sind in der Regel 24 Stunden besetzt. Hier gibt es eine Frühschicht, eine Spätschicht und eine Nachtschicht mit je acht Stunden Arbeitszeit.
Vier- und Fünf-Schichtmodell: Dieses Schichtmodell kommt meistens dann zum Einsatz, wenn sich das Drei-Schichtmodell nicht umsetzen lässt. Die Zahl beschreibt allerdings nicht die einzelnen Schichten, sondern die Schichtgruppen, in welche die Beschäftigten eingeteilt werden. Wenn ein Unternehmen seine Betriebszeiten auf 24 Stunden an sieben Tage pro Woche umstellt, funktioniert das Dreischichtsystem nicht mehr. Bei diesem Schichtsystem würden sich 56 Wochenarbeitsstunden für die Beschäftigten ergeben. Eine Betriebszeit von 24 Stunden am Tag und das an sieben Tagen die Woche, eingeteilt in drei Schichten für die Mitarbeiter, ergibt diese 56 Wochenstunden. Aus diesem Grund gehen manche Unternehmen dazu über, die Schichtgruppen auf vier zu erweitern, wodurch sich letztendlich 42 Wochenarbeitsstunden für die Mitarbeiter ergeben. Wenn Unternehmen eine weitere Schichtgruppe – eine fünfte Schichtgruppe hinzufügen – verringert sich die wöchentliche Arbeitszeit der Angestellten. In der Regel wird die fünfte Schicht in einem Betrieb als Reserveschicht oder sogenannte Bringschicht bezeichnet, und wird meistens flexibel gestaltet.
Was bedeutet Vollkonti bei der Schichtarbeit?
Vor dem Hintergrund der Schichtmodelle ist oft die Rede von Vollkonti. Der Begriff steht als Abkürzung für „vollkontinuierliches Schichtsystem“. Bei einem solchen Schichtsystem sind die Betriebszeiten 24/7 – also 24 Stunden an sieben Tagen die Woche.
Welche Personengruppe darf nicht in der Nachtschicht arbeiten?
Betriebe, in denen die Beschäftigten die Tätigkeit in Nachtschicht ausüben, dürfen jugendliche Beschäftigte nicht nachts arbeiten lassen. Hier unterliegen sie den Bestimmungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes (JArbschG). Gemäß § 14 Abs.1 JArbschG dürfen Jugendliche unter 18 Jahren nur in der Zeit zwischen 6 und 20 Uhr arbeiten.
Dennoch bestehen gewisse Ausnahmeregelungen wie zum Beispiel für Jugendliche, die in der Gastronomie arbeiten. Sie dürfen bis 22 Uhr beschäftigt werden. Ausnahmen gibt es auch für mehrschichtige Betriebe. In diesen dürfen die Jugendlichen nur bis 23 Uhr beschäftigt werden.
Darüber hinaus dürfen Schwangere sowie Mütter, die mit einem Kind unter zwölf Jahren in einem Haushalt leben, ebenfalls nicht nachts in der Zeit von 20 Uhr bis 6 Uhr arbeiten. Die gesetzliche Grundlage des Nachtschicht-Verbots für die letztgenannte Personengruppe ist § 8 Abs.1 des Mutterschutzgesetzes. Zudem haben Beschäftigte mit gesundheitlichen Problemen einen Anspruch darauf, dass sie tagsüber arbeiten und ihnen dafür ein Arbeitsplatz geschaffen wird. Für Mitarbeiter mit chronischen Erkrankungen und körperlichen Behinderungen gibt es keine generelle Befreiung von Schichtdiensten. Hier müssen sie in Abstimmung mit dem Arbeitgeber individuell klären, ob Schichtdienste für sie geeignet sind.
Gibt es erhöhte Unfallrisiken zu bestimmten Zeiten?
Es ist Tatsache, dass Schichtarbeit Gesundheitsgefährdungen hervorruft und sich auf Unfallrisiken auswirkt. Laut Angaben der DGUV-Information steigt das Unfallrisiko bei folgenden Faktoren an:
- nach der siebenten bis neunten Arbeitsstunde,
- während abweichender oder ungewöhnlicher Arbeitszeiten wie in der Nacht oder am Sonntag,
- durch einen Schichtblock, der nicht durch freie Tage unterbrochen wird,
Die Schichtdauer beeinflusst erheblich das Unfallrisiko. Das gilt nicht nur für Spätschichten und Nachtschichten, sondern auch für eine Folge von Tagschichten. Eine Schichtdauer von zwölf Stunden und dies in Folge kann zu einem höheren Unfallrisiko führen als eine Schichtdauer von acht Stunden in Folge. Schichtarbeit führt zur Bildung von Schlafdefiziten, was wiederum das Unfallrisiko bei der Ausübung der Tätigkeit erhöht.
Wichtig: Betriebe sollten dafür sorgen, dass Schicht- und Nachtarbeiter den gleichen Zugang zur betrieblichen Weiterbildung sowie zu aufstiegsfördernden Maßnahmen haben wie alle anderen Mitarbeiter. Die gesetzlichen Vorschriften dafür finden sich in § 6 Abs. 6 Arbeitszeitgesetz. Eine rechtzeitige Planung ist besonders wichtig, denn die meisten Fortbildungsveranstaltungen sind auf Normalarbeitszeiten abgestimmt.
Haben Schichtarbeiter ein Recht auf arbeitsmedizinische Untersuchungen?
Alle drei Jahre hat ein Mitarbeiter, der in der Nachtschicht eingeteilt ist, das Recht auf eine arbeitsmedizinische Untersuchung. Ab einem Alter von 50 Jahren steht ihm diese Vorsorge jedes Jahr zu. Der Betriebsarzt sollte neben den individuellen Gesundheitsaspekten auch zu Fragen der Ernährung, Einnahme von Medikamenten oder Stimulanzien sowie der Schlafhygiene aufklären und beraten.
Die DGUV empfiehlt im Rahmen der arbeitsmedizinischen Untersuchung die Einrichtung einer Schlafsprechstunde bei Schichtarbeit. In dieser Schlafsprechstunde kann zum Beispiel der Chronotyp eines Mitarbeiters (Lerche = Frühaufsteher oder Eule = Spätaktiver) festgestellt und Einschlaf- und Durchschlafprobleme individuell besprochen werden. Hier kann ein Schlaftagebuch Abhilfe schaffen. Wer dort die Schlafqualität und -befindlichkeiten notiert, erhält darauf aufbauend, in dieser Sprechstunde individuelle Empfehlungen.
Welche Regelungen gelten für Pausen im Schichtsystem?
Das Arbeitszeitgesetz schreibt vor, dass die Arbeitszeit der Arbeitnehmer acht Stunden nicht überschreiten darf. Bis auf zehn Stunden darf die Arbeitszeit verlängert werden (§ 3 ArbZG). Arbeitgeber müssen den Beschäftigten die vorgeschriebenen Arbeitnehmerpausen gewähren – sowohl für die Arbeit am Tag als auch für Schichtarbeit und Nachtschichten. Die Ruhepausen bzw. Arbeitnehmerpausen dienen der Erholung der Beschäftigten sowie dem Erhalt der Gesundheit.
Für Schichtarbeiter gelten die Ruhepausen, die in § 4 des Arbeitszeitgesetzes vorgeschrieben sind. Demnach müssen Beschäftigte nach mehr als sechs Stunden Arbeitszeit eine Pause von dreißig Minuten nehmen. Darüber hinaus ist es möglich, dass die Mitarbeiter zweimal eine viertelstündige Pause einlegen. Wenn die Arbeitszeit mindestens neun Stunden beträgt, müssen die Beschäftigten eine Pause von 45 Minuten einlegen.
Zwischen zwei Schichten steht dem Beschäftigten eine Arbeitnehmerpause von elf Stunden zu, die nicht unterbrochen werden darf. Diese elfstündige Arbeitnehmerpause spielt vor allem beim Schichtwechsel eine große Rolle. Wenn beispielsweise ein Mitarbeiter um 20 Uhr aus der Spätschicht kommt, darf er am Tag darauf nicht um 6 Uhr morgens zur Frühschicht anfangen. In diesem Fall wird die Mindest-Ruhezeit nicht eingehalten.
Wer ist für die Erstellung der Schichtpläne verantwortlich?
Die Schichtpläne werden in der Regel vom Arbeitgeber bzw. vom Vorgesetzten erstellt. Darüber hinaus regeln Schichtpläne die Arbeitszeiten bzw. Schichtdienste und teilen die Beschäftigten in die Frühschicht und Spätschicht ein. In manchen Betrieben gibt es eine Mittelschicht. Auch diese ist in der Schichtplangestaltung zu finden.
Gemäß § 106 Satz 1 Gewerbeordnung (Weisungsrecht) darf der Arbeitgeber unter anderem die Arbeitszeit seiner Mitarbeiter nach billigem Ermessen selbst bestimmen und diese in Schichten einteilen, soweit diese nicht durch den Arbeitsvertrag oder den Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung oder durch gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.
Allerdings müssen Arbeitgeber Schichtpläne frühzeitig anordnen. Mitarbeiter benötigen Klarheit über ihre Arbeitszeit, um so ihre Freizeit abseits ihrer Tätigkeit gestalten zu können. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers entfaltet nur dann seine volle Wirkung, wenn er die Schichtplangestaltung rechtzeitig bekannt gibt.
Welche Rechte hat der Betriebsrat bei Schichtarbeit?
Zudem haben die Mitarbeiter über den Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Gestaltung der Schichtdienste (§ 87 Abs.1 Nr.2, BetrVG). Gemäß dem Betriebsverfassungsgesetz kann der Betriebsrat eines Unternehmens – soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht – unter anderem in folgenden Angelegenheiten mitbestimmen:
- Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Arbeitnehmerpausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage
- Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen
- Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften
- Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs
Wichtig: Der Betriebsrat als Vertreterorgan der Beschäftigten hat ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung des Schichtmodells sowie bei der Schichtfolge.