Grafik zur Abrufarbeit

Arbeit auf Abruf: Rechte, Pflichten & Vorteile

Die Abrufarbeit bietet als modernes Arbeitszeitmodell sowohl dem Arbeitgeber als auch seinem Mitarbeiter Flexibilität und positive Gestaltungsmöglichkeiten. Aber darf der Arbeitgeber die Arbeit auf Abruf einfach im Betrieb einführen? In diesem Ratgeber informieren wir über die seit 2019 geltenden Schutzvorschriften. Welche Mindestarbeitszeit ist zu beachten? Wie muss die Abrufarbeit im Vertrag formuliert werden? Darüber hinaus erklären wir, wie weit im Voraus die Arbeit auf Abruf angekündigt werden muss – und welche Folgen bei Nichtbeachtung drohen.
Inhaltsverzeichnis

Was bedeutet Arbeit auf Abruf?

§ 12 TzBfG definiert als zuständiges Gesetz die Arbeit auf Abruf. Eine solche liegt danach dann vor, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, „dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat“.

„Arbeit auf Abruf“ ist allerdings nicht gleichbedeutend mit dem recht einseitigen Bedarfsfall aufseiten des Arbeitgebers. Die seit 2019 geltenden Neuregelungen im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) haben mit ihren Schutzvorschriften vielmehr dafür gesorgt, dass auch die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitnehmers besser geschützt werden.

Dennoch wird der Arbeitnehmer bei der Arbeit auf Abruf nur dann tätig, wenn der Unternehmer die vertraglich vereinbarte Arbeitskraft benötigt und dementsprechend auch verlangen kann. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer zwar flexibel arbeiten kann bzw. darf, aber je nach Bedarf auch tätig werden muss. 

Die Arbeitszeiten und die zu leistenden Arbeitsstunden können demnach von Woche zu Woche stark variieren. Fallen in der einen Woche übermäßig viele Arbeitsstunden an, darf die Gesamtarbeitszeit in der darauffolgenden Woche auch schon mal deutlicher unterschritten werden. Die entsprechenden Höchst- und Mindestarbeitszeiten sind in § 12 Abs. 2 TzBfG geregelt. 

Kann der Arbeitgeber Arbeit auf Abruf einfach anordnen? 

Ist die Arbeit auf Abruf vereinbart, ist der Arbeitnehmer – unter Berücksichtigung der Schutzvorschriften des TzBfG – zur Leistung der Arbeitsstunden verpflichtet. Allerdings ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, das Arbeitsmodell verpflichtend einzuführen und anzuwenden. Vielmehr wird durch die Arbeit auf Abruf sogar gegen allgemein geltende arbeitsrechtliche Grundsätze verstoßen. Zu erwähnen ist hierbei in erster Linie § 615 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).

Gemäß § 615 Satz 3 BGB trägt der Arbeitgeber selbst das Wirtschafts- bzw. das Betriebsrisiko, wenn es zu einem Auftragsrückgang oder sonstigen betrieblichen Problemen kommen sollte. Dies bedeutet, der Arbeitgeber ist auch dann zur Lohnfortzahlung verpflichtet, wenn er aufgrund schlechter Auftragslage eigentlich keine Arbeitskraft benötigt.

Da die Arbeit auf Abruf diesem geltenden Grundsatz entgegensteht, kann sie lediglich durch eine vertragliche Vereinbarung im betreffenden Betrieb eingeführt werden. Denn der individuell gestaltete Arbeitsvertrag geht in diesem Fall den gesetzlichen Bestimmungen vor. Vereinbaren also die beiden Vertragsparteien, dass das Modell Arbeit auf Abruf gelten soll, so willigt der Arbeitnehmer sozusagen in die Aufhebung der gesetzlichen Bestimmungen ein.

Welche gesetzlichen Grenzen sind bei der Arbeit auf Abruf zu berücksichtigen?

Wenn der Arbeitgeber seine Angestellten immer dann zur Arbeit bestellen kann, wenn Bedarf besteht, liegen die Vorteile der Arbeit auf Abruf aus wirtschaftlicher Sicht überwiegend auf seiner Seite. Denn der Arbeitnehmer hätte sich darauf einzustellen, dass er auch mal eine Woche ohne Arbeit bzw. mit weniger Arbeitsstunden überbrücken muss. Noch bevor der Gesetzgeber 2019 das Teilzeit- und Befristungsgesetz neu geregelt hat, hatten Arbeitsgerichte so gestaltete Verträge gerügt und als unwirksam erklärt. Mit der Neuregelung des Teilzeit- und Befristungsgesetz sind nun ergänzend Schutzvorschriften vorgeschrieben, von denen der Arbeitnehmer profitiert. 

Denn auch wenn die Arbeit auf Abruf für beide Seiten ein hohes Maß an Flexibilität bedeutet, so müssen doch gesetzliche Grenzen gelten, die aus arbeitsrechtlicher Sicht ein gewisses Gleichgewicht garantieren. 

Hierzu zählen insbesondere gemäß § 12 Abs. 1 und 3 TzBfG folgende Aspekte:

  • Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind verpflichtet, die insgesamt wöchentlich zu leistende Arbeitszeit genau festzulegen. Daneben bedarf es der Bestimmungen hinsichtlich der täglichen Arbeitszeit, die in einer Mindestanzahl von Arbeitsstunden anzugeben ist. 

Beispiel: Der Arbeitsvertrag hat 15 Arbeitsstunden pro Woche bei einer täglichen Arbeitszeit von mindestens 3 Stunden zum Inhalt.

  • Für den Fall, dass eine wöchentliche Gesamtarbeitszeit trotz der gesetzlichen Vorgabe nicht definiert wurde, gilt automatisch eine Mindestarbeitszeit von 20 Stunden. Bis 2019 waren lediglich mindestens 10 Stunden zu leisten.
  • Gleiches gilt für die Arbeitszeit pro Tag: Fehlen hierzu genaue Angaben, so ist der Arbeitgeber gehalten, den Arbeitnehmer täglich mindestens 3 Stunden zu beschäftigen. Die Arbeitsstunden sind zusammenhängend, ohne Pause zu leisten bzw. zu gewähren.

Kann von der festgelegten Arbeitszeit abgewichen werden?

Ja, wurde die Arbeitszeit pro Woche bzw. Tag vertraglich bestimmt, so ist der Arbeitgeber in gewissen Grenzen berechtigt, davon abzuweichen. 

Wenn sich der Arbeitgeber über eine bessere Auftragslage freuen kann und folglich einen erhöhten Bedarf an Arbeitszeit hat, kann er den Arbeitnehmer über die vertragliche Vereinbarung hinaus beschäftigen. Die zusätzliche Arbeitszeit darf dabei jedoch nicht mehr als 25 % der wöchentlichen Arbeitszeit betragen. 

Beispiel: Sind im Arbeitsvertrag insgesamt 16 Arbeitsstunden pro Woche vereinbart, so dürfen wöchentlich maximal 25 %, also 4 zusätzliche Arbeitsstunden gearbeitet werden.

Gleiches gilt für den umgekehrten Fall. Denn auch in die andere Richtung darf bei der Arbeit auf Abruf von der vereinbarten Arbeitszeit abgewichen werden. Gestaltet sich etwa die Auftragslage negativ, so darf der Arbeitgeber die vertraglich vereinbarte wöchentliche Höchstarbeitszeit um immerhin 20 % reduzieren. 

Beispiel: Der Arbeitsvertrag weist insgesamt 15 Arbeitsstunden aus. Die wöchentliche Arbeitszeit darf in dem Fall um drei Stunden geringer ausfallen.

Wie wird Arbeit auf Abruf im Arbeitsvertrag formuliert? 

Da die Arbeit auf Abruf den allgemeinen Grundsätzen im deutschen Arbeitsrecht widerspricht, muss das Arbeitszeitmodell vertraglich vereinbart werden. Erst dann kann es rechtlich wirksam angewendet werden. Doch wie müssen die entsprechenden Klauseln im Vertrag verankert werden? 

Vertragliche Musterbeispiele für Arbeit auf Abruf

§ 1 – Arbeit auf Abruf

Der Arbeitnehmer erbringt seine Arbeitsleistung den betrieblichen Anforderungen entsprechend. Über den tatsächlichen Bedarf (Zeitpunkt, Arbeitsdauer) entscheidet der Arbeitgeber. 

§ 2 – Arbeitszeit

Die Arbeitszeit beträgt wöchentlich 20 Stunden. 

Die Arbeit erfolgt jeweils nach Bedarf bzw. Abruf des Arbeitgebers. Dieser verpflichtet sich, den Arbeitnehmer täglich mindestens für drei aufeinanderfolgende Stunden zu beschäftigen. Die genaue Arbeitszeit erfolgt fallbezogen, wobei der Arbeitgeber sowohl Beginn als auch Ende der Arbeitszeit festlegt. 

§ 3 – Ankündigung der Arbeitszeit

Der Arbeitgeber teilt dem Arbeitnehmer spätestens vier Tage im Voraus die genauen Arbeitszeiten des bevorstehenden Einsatzes entweder telefonisch, mündlich oder in sonstiger angebrachter Form an. 

§ 4 – Vergütung der Arbeit auf Abruf

Die Bruttostundenvergütung des Arbeitnehmers beträgt  … Euro. Die Vergütung ist auch dann in voller Höhe zu entrichten, wenn die Arbeitszeit weniger als die vertraglich vereinbarte Stundenzahl an Arbeitszeit beträgt. 

§ 5 – Gesetzliche Bestimmungen

Für das Arbeitsverhältnis sind die gesetzlichen Bestimmungen des § 12 TzBfG anwendbar. 

Wie lange muss die Arbeit auf Abruf vorher angekündigt werden? 

Der Arbeitgeber muss seinem Mitarbeiter mindestens vier (Kalender-)Tage vor dem geplanten Einsatz darüber informieren, zu welchem Zeitpunkt dieser zur Arbeit erscheinen soll. Nach § 12 Abs. 3 TzBfG ist der Arbeitnehmer auch nur in diesem Fall verpflichtet, die Arbeit aufzunehmen. Andernfalls erfolgt sie im freiwilligen Rahmen. 

Beispiel: Wenn der Arbeitnehmer nach dem Arbeitszeitmodell der Arbeit auf Abruf an einem Dienstag erscheinen soll, muss der Arbeitgeber bereits am vorherigen Donnerstag (wird nicht mitgerechnet!) die entsprechende Ankündigung aussprechen. 

Was sind die Folgen bei verspäteter Ankündigung?

Unterschreitet der Arbeitgeber die Ankündigungszeit, ist der Arbeitnehmer wie erwähnt nicht verpflichtet, die Arbeitsleistung zu erbringen. In der Praxis passiert dies häufiger, meist erscheint der Arbeitnehmer dennoch pünktlich zur Arbeit. 

Informiert der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter zu kurzfristig, hat dieser grundsätzlich das Recht, die Leistung zu verweigern. 

Wie erfolgt die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei Abrufarbeit?

Das Arbeitszeitmodell Arbeit auf Abruf unterscheidet sich in Bezug auf die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nicht von anderen Arbeitsverhältnissen. Das bedeutet, dass auch in diesem Fall eine Entgeltfortzahlung zu erfolgen hat. Dabei regelt § 12 Abs. 4 TzBfG, wie die Zahlung vonstattengeht. 

Danach ist der Zeitraum der vergangenen drei Monate des Beschäftigungsverhältnisses die Grundlage für eine exakte Berechnung. Maßgeblich ist demzufolge die in diesem „Referenzzeitraum“ erbrachte Arbeitszeit. 

Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bei der Arbeit auf Abruf errechnet sich also aufgrund der durchschnittlichen Arbeitszeit innerhalb von drei Monaten bis zum Krankheitsfall. Wichtig ist hierbei zu beachten, dass gerade die faktische Arbeitszeit bzw. die bisherige faktische Bezahlung zur Berechnung herangezogen wird, denn sie kann deutlich höher ausfallen als die vertraglich vereinbarte. 

Sonstige Ausfälle, eine vereinbarte Kurzarbeit oder gar genommener Urlaub haben auf den Lohnfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall keine negativen Auswirkungen.

Welcher Urlaubsanspruch besteht bei Abrufarbeit?

Ähnlich wie bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gelten auch bei der Abrufarbeit für den Urlaubsanspruch die allgemeinen Schutzvorschriften des Arbeitsrechts. 

Der Urlaubsanspruch umfasst im Falle einer 6-Tage-Urlaubswoche (Montag bis Samstag) – wie auch bei jedem Teilzeit- und Vollzeitarbeitnehmer – gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG (Bundesurlaubsgesetz) insgesamt 24 Tage. Soll weniger bzw. nur an bestimmten Tagen in der Woche gearbeitet werden, wird der Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaub verhältnismäßig berechnet. 

Voraussetzung für die Geltendmachung des Anspruchs ist bei der Abrufarbeit ein Arbeitsverhältnis von mindestens einem Monat. Die Anzahl der gearbeiteten Tage ist hierfür wiederum nicht entscheidend, sondern lediglich das Bestehen des Arbeitsverhältnisses selbst. 

Für die exakte Berechnung des Urlaubsanspruchs, bei dem die tatsächlichen Arbeitstage als Grundlage dienen, ist folgende Formel anwendbar:

(30 Urlaubstage x tatsächliche Arbeitstage im Jahr) / 261 Arbeitstage = Anspruch

Bei insgesamt 177 Arbeitstagen ergibt sich somit ein Anspruch von 20 Urlaubstagen (30 x 177 : 261 = 20).

Ist Abrufarbeit bei einem Minijob möglich?

Grundsätzlich wäre Arbeit auf Abruf auch bei einem Minijob rechtlich möglich. Da die fiktive Wochenarbeitszeit im Jahr 2019 nach § 12 TzBfG von 10 auf 20 Stunden angehoben wurde und der Mindestlohn bei 12,41 Euro (Stand: 2024) liegt, würde das Arbeitsentgelt schnell mehr als 538 Euro (bis 2024: 520 Euro) betragen.

Da der Mindestlohn für alle Arbeitnehmer ab 18 Jahren gilt, kann der Arbeitgeber sie nicht mehr als Minijobber beschäftigen. Er müsste sie vielmehr als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer melden.

Was sind die Vorteile von Abrufarbeit? 

Trotz der erweiterten Schutzvorschriften ist die Abrufarbeit in erster Linie für den Arbeitgeber vorteilhaft. 

Vorteile AbrufarbeitGründe
Niedrige Personalkosten Der Arbeitgeber profitiert bei schlechter Auftragslage von niedrigen Kosten, da er den Arbeitnehmer seltener einsetzen kann. Umgekehrt muss er nur dann mehr an Gehältern zahlen, wenn sich auch die Auftragslage wirtschaftlich günstig zeigt. 
Vereinfachte PersonalplanungDie Auftragslage allein bestimmt, wie viel Arbeitskräfte eingesetzt werden sollen bzw. müssen. Dadurch ist das gesamte Personalmanagement einfacher zu handhaben. 
Abrufarbeit als EinstiegschanceDas Arbeitszeitmodell kann sich für den Arbeitnehmer als Wegbereiter darstellen, um über Teilzeitarbeit zu einer Vollzeitstelle zu gelangen.
Freie Zeiteinteilung Der Arbeitnehmer, der z. B. mit Nebenerwerb weniger Einkommen benötigt, kann flexibler über seine Freizeit entscheiden.

Was sind die Nachteile von Arbeit auf Abruf?

Zu den unstrittigen Vorteilen gesellt sich jedoch auch der ein oder andere Nachteil des Arbeitszeitmodells. 

Nachteile AbrufarbeitGründe
Keine Planung möglichTrotz der geltenden Schutzvorschriften gestaltet sich die Arbeit auf Abruf nur für den Arbeitgeber flexibel. Denn der Arbeitnehmer muss nach kurzer Ankündigungszeit abrufbereit sein und ist daher von seinem Arbeitgeber abhängig.
Finanzielle UnsicherheitDas Gehalt des Arbeitnehmers kann durch „gute“ Monate und Phasen mit eher weniger Aufträgen größeren Schwankungen unterliegen.