Ein Arbeitgeber, der Dank seiner Fürsorgepflicht des Arbeitgebers eine ausgeglichene Work-Life-Balance hat.

Fürsorgepflicht des Arbeitgebers: Umfang & Folgen der Pflichtverletzung

Sobald der Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis beginnt, übernimmt der Arbeitgeber die arbeitsrechtliche „Fürsorge“ für seinen Mitarbeiter. Der Gesetzgeber hat in einer Vielzahl von Vorschriften unterschiedlicher Gesetze die sogenannte Fürsorgepflicht bestimmt. Doch was genau ist damit gemeint bzw. welche Pflichten des Arbeitgebers sind dadurch umfasst? In unserem Leitfaden erläutern wir für Sie den Umfang der Fürsorgepflicht und stellen einzelne Bereiche anhand von Beispielen vor. Daneben erklären wir, ab wann eigentlich eine Verletzung der Fürsorgepflicht vorliegt und welche Folgen dies für den Arbeitgeber hat.
Inhaltsverzeichnis

Was ist die Fürsorgepflicht (Definition)?

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers stellt eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht gegenüber seinen Mitarbeitern dar. Danach hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass der Arbeitnehmer bei der Ausführung seiner vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung sowohl körperlich unversehrt bleibt als auch von psychischen Belastungen oder Schäden verschont wird.

Dabei ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, den Arbeitsplatz selbst sicher zu gestalten bzw. zu erhalten und zum Schutz der Gesundheit sämtliche Unfallgefahren zu beseitigen. Dies umfasst außerdem sowohl den fairen Umgang des Arbeitgebers mit den Angestellten als auch die Schaffung einer allgemein positiven Arbeitsatmosphäre unter den Kollegen.

Was ist der Unterschied zur Sorgfaltspflicht?

Bei der Fürsorgepflicht ist der Arbeitgeber grundsätzlich gehalten, den Arbeitnehmer vor Gefahren zu schützen, indem die entsprechenden Arbeitsbedingungen geschaffen werden.

Die Sorgfaltspflicht umfasst dagegen lediglich die konkrete Gefahrensituation, die sich aus den Umständen oder dem Verhalten der betreffenden Personen ergibt. In solchen Fällen ist der Arbeitgeber verpflichtet, die sich hieraus ergebende Gefahr durch spezielle Sicherheitsvorkehrungen frühzeitig zu erkennen und zu beseitigen.

Was umfasst die Fürsorgepflicht?

Will der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht gegenüber dem Mitarbeiter nachkommen, so tut er dies dann am besten, wenn er die Gesundheit seiner Angestellten schützt. Allgemein gesprochen, muss er alles Zumutbare unternehmen, um am Arbeitsplatz sämtliche Gefahren für Leib und Leben zu vermeiden.

Der Begriff Arbeitsplatz umfasst dabei u. a. sowohl Büroräume, größere Geschäftsbetriebe, Arbeitsstellen außerhalb der Betriebsstätte (z. B. Baustellen) oder auch die Räumlichkeiten des privaten Home Office.

Die einzelnen Bereiche, in denen die Fürsorgepflicht zum Tragen kommt, sind so vielfältig wie die verschiedenen Gesetzesgrundlagen. Neben dem BGB kommen dabei Vorschriften und Verordnungen des Arbeitsrechts zum Tragen.

Arbeitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz

Im Bereich des Arbeitsschutzes muss der Arbeitgeber nach § 5 ArbSchG die potentiellen Gefahren für die Beschäftigten ermitteln und dementsprechende Arbeitsschutzmaßnahmen ergreifen. Gefährdungspotenzial findet sich nach dem Arbeitsschutzgesetz in den folgenden Bereichen bzw. Situationen:

  1. Gestaltung bzw. Einrichtung von Arbeitsstätte und individuellem Arbeitsplatz
  2. physikalische, chemische und biologische Einwirkungen
  3. Verwendung von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen
  4. Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufe und Arbeitszeit
  5. nicht geeignete Qualifikation der Beschäftigten
  6. psychische Belastungen während bzw. durch die Arbeit

Bei der Einrichtung und Erhaltung eines sicheren Arbeitsplatzes rücken neben der Sicherheit von Büromöbeln, Schreibtischen und -stühlen auch der Schutz vor biologischen oder chemischen Einflüssen in den Fokus, denen der Arbeitgeber mit spezieller Schutzkleidung bzw. -masken entgegenzuwirken hat.

Hinsichtlich der Gefahren, die von Geräten, Anlagen und Maschinen ausgehen können, kommt es im Rahmen der Fürsorgepflicht besonders auf die fachspezifische Einarbeitung der Mitarbeiter an. Hierbei besteht eine Unterrichtungspflicht seitens des Arbeitgebers, der seinen Arbeitnehmer nicht nur hinsichtlich einer exakten Bedienung einweisen, sondern parallel dazu auch deren adäquate Qualifikation berücksichtigen muss. Gleichzeitig ist der Arbeitgeber gehalten, über allgemein bestehende Gefahren am Arbeitsplatz aufzuklären.

Darüber hinaus sind bei Arbeitsstätten allgemein wie auch konkret am Arbeitsplatz die äußeren, etwa klimatischen Umstände so zu regeln, dass für ausreichend Lichtquellen, eine permanente Luftzufuhr oder moderate Temperaturen gesorgt ist.

Fürsorgepflicht bei Homeoffice-Arbeitsplatz

Auch wenn die Arbeitserbringung über das Modell des Home Office vereinbart ist, muss der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht für umfassende Sicherheit am privaten Arbeitsplatz sorgen, sodass jederzeit ausreichend Schutz für Leib und Leben seines Angestellten gegeben ist.

Arbeitszeiten und Urlaub

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers schlägt sich auch bei der Gestaltung der Arbeitszeiten nieder. So ist sowohl im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) als auch im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) geregelt, dass sich der Arbeitnehmer zur Erhaltung seiner Gesundheit und auch Leistungsfähigkeit nicht überarbeiten darf und somit einen Anspruch auf ausreichend Pausen bzw. genügend Erholungsurlaub besitzt.

Physische und psychische Gesundheit sowie Mobbing-Prävention

Sowohl das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz als auch das im Grundgesetz verankerte Persönlichkeitsrecht (Art. 2 GG) liefern die gesetzlichen Grundlagen für das zu schützende Wohlergehen des Arbeitnehmers auf der psychischen Ebene. Der Angestellte soll sich in seiner Persönlichkeit frei entfalten können. Soziale Konflikte, die gegen die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes verstoßen und womöglich zu Mobbing führen, sind seitens des Arbeitgebers anzusprechen und zu beseitigen (s. Urteil vom 25.10.2007 – 8 AZR 593/06).

Datenschutz und Privatsphäre

Auch personenbezogene Daten sind laut Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) durch den Arbeitgeber zu schützen. Hierzu zählen z. B. die Bewerbungsunterlagen des Mitarbeiters. Daneben ist es dem Arbeitgeber nicht gestattet, den genutzten Arbeitsplatz einer permanenten Überwachung etwa durch Videoaufnahmen auszusetzen.

Für wen besteht erhöhte Fürsorgepflicht?

Zu den Gruppen, die eine bevorzugte Behandlung in Anspruch nehmen können und bei denen eine erhöhte Fürsorgepflicht besteht, gehören z. B. Schwangere und Minderjährige. Nach § 4 MuSchG darf eine schwangere Frau keine Mehrarbeit leisten, gleichzeitig muss der Arbeitgeber eine ausreichend lange Ruhezeit zwischen den Arbeitszeiten gewährleisten. Gleiches gilt für Jugendliche, die gemäß § 8 Abs. a JArbSchG täglich nicht länger als acht Stunden arbeiten dürfen.

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber Schwerbehinderten geht so weit, dass er dafür Sorge tragen muss, sein Unternehmen extra behindertengerecht einzurichten. Dabei sollen die Arbeitsbedingungen stets die Voraussetzung schaffen, sogar möglichst vielen Schwerbehinderten eine Anstellung zu ermöglichen. Hierfür kann der Arbeitgeber beim Integrationsamt extra Zuschüsse oder Darlehen beantragen.

Kann die Fürsorgepflicht beschränkt oder ausgeschlossen werden?

Nein, diese Möglichkeiten bestehen für den Arbeitgeber nicht. Auch die Unterscheidung von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Fürsorgepflichten bietet keine Grundlage, diese Pflichten beschränken oder ganz aufheben zu können. Gerade aufgrund der Vielzahl von gesetzlichen Vorschriften in Bezug auf die Pflicht, effektive Sicherheitsmaßnahmen rund um den Arbeitsplatz zu ergreifen, kann sich der Arbeitgeber nicht von einer solchen Verpflichtung befreien. In § 619 BGB ist demzufolge festgelegt, dass dem Arbeitgeber obliegende Pflichten nicht „im Voraus durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden“ können.

Wann liegt eine Verletzung der Fürsorgepflicht vor?

Die Verletzung der Fürsorgepflicht wird meist durch die gesundheitliche Beeinträchtigung des Arbeitnehmers indiziert. Verletzt sich also der Mitarbeiter bei der Erbringung seiner vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung, so ist anzunehmen, dass der Arbeitgeber seiner Pflicht, Leib und Leben des Angestellten zu schützen, nicht ausreichend nachgekommen ist.

Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer Opfer von Mobbing am Arbeitsplatz wird und der Arbeitgeber den fairen Umgang unter den Kollegen nicht gefördert und nach Konfliktsituationen nicht wiederhergestellt hat.

Eine Verletzung der Fürsorgepflicht ist demzufolge immer dann gegeben, wenn der Arbeitgeber die gebotenen Sicherheitsmaßnahmen nicht befolgt bzw. ergriffen hat und das Wohlergehen des Arbeitnehmers Schaden genommen haben.

Was sind die Folgen, wenn der Arbeitgeber die Fürsorgepflicht verletzt?

Wenn eine Verletzung der Fürsorgepflicht bejaht werden kann, weil z. B. eine konkrete Gefahr am Arbeitsplatz vorliegt oder Mobbing und Diskriminierung vorherrschen, kann der Arbeitnehmer die Erbringung seiner Arbeitsleistung verweigern. Eine mögliche Anzeige bei der Aufsichtsbehörde darüber hinaus zeigt, dass der Arbeitgeber bei einer Verletzung der Fürsorgepflicht mit empfindlichen Konsequenzen zu rechnen hat.

Wenn Leib und Leben in Gefahr sind, darf der Arbeitnehmer nicht nur die Arbeit zurückbehalten, sondern er kann sich auch ganz von seinem individuellen Arbeitsplatz entfernen.

Beinahe als milde Maßnahme wäre die Klage auf (Wieder-)Herstellung des ordnungsmäßen Zustands des Arbeitsplatzes anzusehen. Denn daneben droht dem Arbeitgeber im Falle eines Personenschadens sogar eine Klage auf Schadensersatz – dies allerdings nur, wenn der Arbeitgeber den Schaden gemäß § 104 Abs. 1 SGB VII (Siebtes Buch Sozialgesetzbuch) vorsätzlich herbeigeführt haben sollte.

In allen anderen Fällen ist der Anspruch auf Schadensersatz bzw. eine Heilbehandlung an die Berufsgenossenschaft zu richten.

Gesetzliche Grundlage der Fürsorgepflicht

Eine spezielle, gesetzliche Grundlage, welche eine Fürsorgepflicht begründet, existiert als solche nicht. Vielmehr ist das Prinzip bzw. das Gebot der Fürsorgepflicht  in verschiedenen Gesetzen verankert, so auch im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Denn nach § 618 BGB ist der Arbeitgeber zu einzelnen Maßnahmen verpflichtet, die dem Schutz seiner Beschäftigten dienen.

Explizit genannt werden Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die vom Arbeitgeber („der Dienstberechtigte“) so einzurichten sind, dass der Arbeitnehmer („der Verpflichtete“) gegen Gefahr für Leben und Gesundheit bestmöglich geschützt ist.

Darüber hinaus finden sich weitere Regelungen und Vorschriften zur Fürsorgepflicht  in verschiedenen Gesetzen wie z. B.:

  • dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG),
  • dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG),
  • dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) oder
  • dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG)