Zerrissener Arbeitsvertrag, der Wunsch nach Widerruf des Arbeitsvertrages verdeutlichen soll

Arbeitsvertrag widerrufen: Geht das? Alternativen vor Arbeitsantritt

In Zeiten eines voranschreitenden Fachkräftemangels sind Unternehmen in der Regel froh über jeden qualifizierten neuen Mitarbeiter. Trotzdem kann es in manchen Fällen notwendig sein, einen rechtskräftig geschlossenen Arbeitsvertrag kurzfristig zu widerrufen und zu kündigen. Ein typisches Praxisbeispiel könnte eine betriebsinterne Budgetkürzung sein, die kurz vor dem geplanten Arbeitsbeginn des neuen Mitarbeiters umgesetzt werden muss. Da die Position nicht mehr finanziert werden kann, muss die Vereinbarung 3 Wochen vor Arbeitsbeginn zurückgezogen werden. Können Sie als Arbeitgeber in diesem Fall den Arbeitsvertrag widerrufen? Welche rechtlichen Möglichkeiten stehen Ihnen zur Verfügung und welche Fristen gelten?
Inhaltsverzeichnis

Gibt es beim Arbeitsvertrag ein Widerrufsrecht?

Grundsätzlich ist im deutschen Arbeitsrecht kein generelles Widerrufsrecht für Arbeitsverträge bekannt. Dies gilt sowohl für Arbeitnehmer wie für Arbeitgeber. Ein einmal unterschriebener Arbeitsvertrag kann nicht schriftlich widerrufen werden, wie dies beispielsweise bei Verbraucherverträgen möglich ist.

Nicht zur Arbeit zu erscheinen, ohne zu kündigen, ist aus Arbeitnehmersicht keine Option. Gleiches gilt aus Arbeitgebersicht für den Fall, den neuen Angestellten nicht zu beschäftigen, ohne ihn zu kündigen. Beides kann zu Schadensersatzforderungen oder Vertragsstrafen führen.

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 07.02.2019 (6 AZR 75/18) klargestellt, dass Arbeitnehmer nicht als Verbraucher im Sinne des Widerrufsrechts gelten. Aus diesem Grund besteht kein Widerrufsrecht für Arbeitsverträge. Der § 312 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) kann ausschließlich auf Verbraucherverträge und nicht auf Arbeitsverträge angewandt werden. Er gilt nur bei Verträgen, bei denen sich der Verbraucher zu der Zahlung eines Preises verpflichtet.

Gibt es auch kein Widerrufsrecht vor Arbeitsantritt?

Aus den geltenden Gesetzen und der Rechtsprechung ergibt sich, dass auch vor Arbeitsantritt kein Widerrufsrecht abgeleitet werden kann. In bestimmten Ausnahmefällen, beispielsweise bei nachweislich arglistiger Täuschung oder Irrtum, kann ein Arbeitsvertrag im Einzelfall angefochten werden.

Alternative: Wie kann das Arbeitsverhältnis vor Arbeitsantritt beendet werden?

Trotz der fehlenden Möglichkeit eines Widerrufs des Arbeitsvertrags gibt es Alternativen, um den Arbeitsvertrag vor Arbeitsantritt zu beenden:

  • Kündigung durch den Arbeitgeber
  • Kündigung durch den Arbeitnehmer
  • Aufhebungsvertrag

Kündigung durch den Arbeitgeber

Der geschlossene Arbeitsvertrag kann unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist arbeitgeberseitig gekündigt werden. In der Regel beträgt die Kündigungsfrist in der Probezeit 2 Wochen. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer in den 2 Wochen entgeltlich von der Arbeit freistellen, sodass dieser seine Tätigkeit faktisch nicht antreten muss. Er erhält für 2 Wochen seinen Lohn und scheidet in der Folge in der Probezeit vertragsgemäß aus dem Arbeitsverhältnis aus.

In der Probezeit oder bei Kleinbetrieben mit weniger als 10 Mitarbeiter bedarf es keiner Angabe zu den Kündigungsgründen.

Kündigung durch den Arbeitnehmer

Für Arbeitnehmer gelten die arbeitsvertraglich festgehaltenen Kündigungsfristen ebenfalls. Sie können in der Regel ohne Angabe von Gründen vor Arbeitsbeginn kündigen.

Im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.03.2004 (2 AZR 324/03) wird eindeutig erklärt:

„Grundsätzlich kann ein Arbeitsvertrag unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist oder auch aus wichtigem Grund vor dem vereinbarten Dienstantritt gekündigt werden, wenn die Parteien dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen haben oder sich der Ausschluss der Kündigung aus den Umständen – etwa der Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall des Nichtantritts der Arbeit – zweifelsfrei ergibt.“

Aufhebungsvertrag als Alternative zum Widerruf?

Ein Aufhebungsvertrag kann eine sinnvolle Alternative zum Widerruf des Arbeitsvertrages bzw. dessen Kündigung sein. Im Aufhebungsvertrag wird zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einvernehmlich vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis beendet wird.

Vorteile eines Aufhebungsvertrags sind:

  • Flexibilität: Beide Parteien können frei über die Bedingungen verhandeln.
  • Rechtskonformität: Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten.
  • Aufhebung vor Kündigungsfrist: Sofortige Wirkung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist.

Arbeitgeber sollten darauf achten, dass der Aufhebungsvertrag schriftlich vereinbart wird und alle relevanten Punkte klar und rechtskonform geregelt sind. Neben der Kenntnis zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen macht es aus Arbeitgebersicht Sinn, sich im Zweifel rechtlichen Rat einzuholen. Ein durchdachter Kündigungsprozess oder ein wohlüberlegter Aufhebungsvertrag, der zwischen beiden Parteien vereinbart wird, können helfen, unnötige Konflikte zu vermeiden.

Kann ein Unternehmen eine vorzeitige Kündigung ausschließen?

Ein Unternehmen kann durch spezielle Klauseln im Arbeitsvertrag die Grundlage dafür schaffen, dass eine vorzeitige Kündigung ausgeschlossen oder erschwert wird. Derartige Klauseln müssen den gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechen und dürfen keine unzulässigen Einschränkungen der Arbeitnehmerrechte beinhalten.

Beispielsweise könnte eine Klausel eine längere Kündigungsfrist vorsehen oder eine Vertragsstrafe bei Nichterfüllung des Vertrags vereinbaren.

Beispiel für eine Klausel im Arbeitsvertrag, die eine vorzeitige Kündigung ausschließt:

Die Kündigung vor Dienstantritt wird ausgeschlossen. Bei vorzeitiger Kündigung wird eine Vertragsstrafe in Höhe von 2 Monatsgehältern fällig.“