Eine Arbeitgeberin und eine Arbeitnehmerin reichen einander die Hände, um ein ruhendes Arbeitsverhältnis abzuschließen.

Ruhendes Arbeitsverhältnis: Beispiele, Ansprüche und Kündigung

Auf dynamischen und globalisierten Märkten sehen sich Arbeitgeber und HR-Professionals regelmäßig mit den unterschiedlichsten arbeitsrechtlichen Fragen konfrontiert. Eine dieser Fragen kann ein ruhendes Arbeitsverhältnis betreffen. Was bedeutet es in der Praxis im Arbeitsrecht, wenn ein Arbeitsverhältnis ruht? Welche Rechte und Pflichten bestehen in einem ruhenden Arbeitsverhältnis. Wann und wie kann ein ruhendes Arbeitsverhältnis gekündigt werden? Diese und weitere Fragen werden im folgenden Artikel anhand von Praxisbeispielen aufgegriffen und beantwortet.
Inhaltsverzeichnis

Was versteht man unter einem ruhenden Arbeitsverhältnis?

Bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis werden die gegenseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag ausgesetzt. Der Arbeitnehmer kommt seiner Arbeitspflicht zeitweise nicht nach. Im Gegenzug wird die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers vorübergehend ausgesetzt.

Trotz dieser fundamentalen Einschnitte im Arbeitsverhältnis besteht dieses fort. Im Gegensatz zu einer Kündigung ruht das Arbeitsverhältnis. Es gilt als nicht beendet. Der Arbeitsvertrag besteht aus arbeitsrechtlicher Sicht fort, ohne dass dessen Bestimmungen Anwendung findet.

Beispiele: Wann liegt ein ruhendes Arbeitsverhältnis vor?

Ein ruhendes Arbeitsverhältnis kann viele Gründe und Ursachen haben. Typische Beispiele lauten:

  • Mutterschutz
  • Elternzeit
  • Einberufung zum Wehrdienst
  • Pflegezeit
  • vorübergehenden Schließung des Unternehmens durch den Arbeitgeber
  • Suspendierung des Arbeitnehmers
  • Sabbatical

Mutterschutz und Elternzeit als Beispiele für ruhende Arbeitsverhältnisse

Ein typisches Beispiel für ein ruhendes Arbeitsverhältnis sind der Mutterschutz oder die Elternzeit. Acht Wochen vor und sechs Wochen nach der Geburt eines Kindes gilt eine Mutter vom Gesetzgeber als von der Arbeitspflicht befreit. Es besteht ein Beschäftigungsverbot des Arbeitnehmers. In dieser Zeit ruht der Arbeitsvertrag. Der Arbeitgeber muss keinen Lohn zahlen, da dieser von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen wird.

Ähnlich verhält es sich während der Elternzeit. Wenn Eltern beschließen, sich nach der Geburt mehrere Monate oder Jahre ausschließlich dem Kind zu widmen, ruht das Arbeitsverhältnis ebenfalls. Es wird kein Lohn bezahlt. Der Arbeitgeber muss das Rückkehrrecht an den Arbeitsplatz beachten, das gemäß Arbeitsrecht greift, wenn die Elternzeit beendet ist.

Vertragliche Vereinbarungen

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können individuell ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses vereinbaren. Eine derartige vertragliche Vereinbarung wird häufig bei Sabbaticals oder im Falle einer Pflegezeit für Angehörige geschlossen. Beide Vertragsparteien einigen sich auf das Ruhen des Arbeitsverhältnisses für einen fest definierten Zeitraum.

Freistellung während Sabbatical – modernes Beispiel für ein ruhendes Arbeitsverhältnis

Als Sabbatical bezeichnet man eine zeitlich begrenzte Auszeit vom Berufsalltag, die es Mitarbeitern ermöglicht, sich auf die persönliche oder berufliche Weiterentwicklung zu konzentrieren. Die Idee des Sabbaticals entstammt ursprünglich der akademischen Welt. Bereits im 19. Jahrhundert erhielten Professoren in den USA die Möglichkeit, nach einer Anzahl von Jahren in der Forschung eine Auszeit von ihren Pflichten zu nehmen, um sich weiterzubilden oder an Forschungsprojekten zu arbeiten. Während der Phase des Sabbaticals ruht das Arbeitsverhältnis.

Beispiel: Ein erfolgreicher Projektmanager in einem deutschen Automobilkonzern entscheidet sich mit seiner Familie für ein Sabbatical. Zum einen möchte er an einem dreimonatigen internationalen Forschungsprojekt in Australien teilnehmen, das ihm persönlich am Herzen liegt. Die restlichen drei Monate sollen für einen ausgiebigen Urlaub in Australien genutzt werden.

Arbeitgeber bieten ihren Mitarbeitern zunehmend an, eine unbezahlte Auszeit zu nehmen, um deren Motivation zu erhalten und ihnen die Möglichkeit zu geben, eigene Projekte zu verwirklichen, ohne den Arbeitsplatz zu kündigen. Ein gut geplantes Sabbatical kann sowohl für den Arbeitnehmer als auch den Arbeitgeber wertvoll sein.

Welche Ansprüche bestehen bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis und welche nicht?

Durch ein ruhendes Arbeitsverhältnis werden einige gegenseitige Ansprüche ausgesetzt. Andere bleiben bestehen. Es gilt, im Detail die einzelnen Ansprüche zu bewerten:

Urlaubsanspruch nach Bundesurlaubsgesetz

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer Entscheidung im Jahr 2019 festgestellt, dass Arbeitnehmer während eines unbezahlten Sonderurlaubs oder wenn ein Arbeitsverhältnis ruht, keinen Urlaubsanspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub erwerben. Diese jüngste Rechtsprechung stellt eine Abweichung von der vorherigen Auffassung des Gerichtes aus dem Jahr 2014 zum Urlaub dar. Damals hatte das BAG entschieden, dass auch während eines Sonderurlaubs Urlaubsansprüche entstehen können.

Im konkreten Fall (LAG Berlin-Brandenburg, 20.6.2017 – 11 Sa 2068/16) hatte eine Arbeitnehmerin für den Zeitraum von September 2013 bis August 2015 unbezahlten Urlaub genommen und anschließend gefordert, ihr nachträglich den gesetzlichen Mindesturlaub für das Jahr 2014 zu gewähren. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gab der Klägerin zunächst Recht und sprach ihr einen Urlaubsanspruch im Umfang von 20 Tagen zu. Diese Entscheidung wurde vom BAG aufgehoben.

Das BAG argumentierte in diesem Fall, dass während der Zeiten eines unbezahlten Sonderurlaubs die Hauptleistungspflichten der Arbeitsvertragsparteien ruhen. Daher entsteht auch kein Anspruch auf Erholungsurlaub. Das bedeutet, dass Zeiten des Sonderurlaubs, in denen das Arbeitsverhältnis ruht, nicht für die Berechnung des gesetzlichen Mindesturlaubs berücksichtigt werden.

Dieser Fall hat weitreichende Konsequenzen für Arbeitnehmer, die sich in einem ruhenden Arbeitsverhältnis befinden. Für die Dauer des Sonderurlaubs besteht kein Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub. Dies stellt sicher, dass Mitarbeiter in ruhenden Arbeitsverhältnissen nicht anders behandelt werden als Angestellte, die durchgehend arbeiten.

Betriebszugehörigkeit

Die Zeit eines ruhenden Arbeitsverhältnisses wird auf die Betriebszugehörigkeit angerechnet.

Kündigungsschutz

Der gesetzliche Kündigungsschutz im Arbeitsrecht bleibt während eines ruhenden Arbeitsverhältnisses bestehen. Eine Kündigung ist arbeitsrechtlich unter Wahrung der Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes möglich.

Nebenpflichten des Arbeitnehmers

Pflichten, die sich aus dem Arbeitsrecht und dem Arbeitsvertrag ergeben, beispielsweise die Pflicht zur Verschwiegenheit, das Wettbewerbsverbot oder die Treuepflicht bleiben bestehen.

Ein Mitarbeiter in einem Sabbatical, dessen Arbeitsverhältnis ruht, kann nicht ohne Genehmigung eine andere Position annehmen. Betriebsinterna oder andere sensible Daten und Informationen dürfen während des ruhenden Arbeitsverhältnisses nicht weitergegeben werden. Dies gilt auch und vor allem bei einer einseitigen Suspendierung des Arbeitgebers, die vor einem Arbeitsgericht verhandelt wird.

Lohnfortzahlung

Der Arbeitgeber ist von der Lohnzahlung befreit, da der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringt.

Sonderzahlungen

Ansprüche auf Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld hängen vom Zweck dieser Leistungen ab. Werden sie für erbrachte Arbeit und Leistung gezahlt, kann der Arbeitgeber sie für ruhende Arbeitsverhältnisse kürzen oder verweigern.

Beiträge zur Sozialversicherung

In einem ruhenden Arbeitsverhältnis werden in der Regel keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt, da der Arbeitnehmer kein Arbeitsentgelt mehr erhält. Dies gilt für alle ruhenden Arbeitsverhältnisse, die länger als einen Monat ausgesetzt sind.

Kann ein ruhendes Arbeitsverhältnis gekündigt werden?

Grundsätzlich ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses in der Ruhezeit möglich. In bestimmten Fällen, wie dem Mutterschutz oder der Elternzeit genießen Arbeitnehmer einen besonderen Kündigungsschutz. Wurde schriftlich vereinbart, dass der Arbeitsvertrag während der Ruhezeit nicht beendet werden darf, muss zunächst die Reaktivierung abgewartet werden.

Die Kündigung eines ruhenden Arbeitsverhältnisses muss zudem, wie jede andere Kündigung, sozial gerechtfertigt sein. Gründe für die Kündigung können betriebsbedingt, personenbedingt oder verhaltensbedingt sein. Die Kündigungsform und die gesetzlichen Kündigungsfristen bleiben auch bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis unverändert. Eine ordnungsgemäße Kündigung des Arbeitnehmers muss schriftlich erfolgen und die gesetzlichen Kündigungsfristen einhalten.

FAQ zu ruhenden Arbeitsverhältnis

Noch offene Fragen? Dann blicken Sie doch einfach in das nachfolgende FAQ zum Thema ruhendes Arbeitsverhältnis.

Bei einer Langzeiterkrankung bleibt das Arbeitsverhältnis in der Regel vollständig bestehen. Der Arbeitnehmer kann vorübergehend keine Leistung bei der Arbeit erbringen. Er hat jedoch weiterhin Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und andere Rechte aus dem Arbeitsvertrag. Erst wenn ein Arbeitnehmer zeitweise eine Rentenzahlung wegen Erwerbsminderung bezieht, kann das Arbeitsverhältnis ruhen.
Der Resturlaub bleibt in der Regel bestehen und kann nach Ende des ruhenden Arbeitsverhältnisses genommen werden. Dies Vorgaben des Bundesurlaubsgesetzes zur Übertragbarkeit (§ 7 BurlG) sowie individuelle arbeitsvertragliche Regelungen müssen beachtet werden.
Ein Arbeitnehmer kann trotz eines ruhenden Arbeitsverhältnisses weiterhin Mitglied des Betriebsrats bleiben. Die Freistellung von der Arbeit hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Betriebsratstätigkeit.