Betriebsvereinbarung: Inhalte, Gültigkeit, Arten & Form
- Was ist eine Betriebsvereinbarung?
- Was sind die Ziele der Betriebsvereinbarung?
- Wer kann eine Betriebsvereinbarung abschließen?
- Welche Arten von Betriebsvereinbarungen werden unterschieden?
- Was sind typische Inhalte von Betriebsvereinbarungen?
- Welche Angaben sollte eine Betriebsvereinbarung enthalten?
- Wie sollte eine Betriebsvereinbarung formuliert werden?
- Wie lange ist eine Betriebsvereinbarung gültig?
- Für wen gilt eine Betriebsvereinbarung?
- Welche Form müssen Betriebsvereinbarungen aufweisen?
- Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung: Was geht vor?
- Wie wird eine Betriebsvereinbarung geschlossen?
Was ist eine Betriebsvereinbarung?
Spricht man im betrieblichen Umfeld von einer Betriebsvereinbarung, ist ein vertragliches Rechtsgeschäft zwischen einem Arbeitgeber und der Arbeitnehmervertretung gemeint. Eine Betriebsvereinbarung legt kollektivrechtliche Normen und Regelungen für alle Arbeitnehmer im Betrieb und deren Arbeitsverhältnis fest.
Gemäß Betriebsverfassungsgesetz gelten Betriebsvereinbarungen unmittelbar und zwingend. Ein durch eine Betriebsvereinbarung eingeräumtes Recht ist rechtlich verbindlich – für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es wird ausschließlich durch einen erklärten Verzicht des Betriebsrats nichtig.
Was sind die Ziele der Betriebsvereinbarung?
Das vorrangige Ziel einer Betriebsvereinbarung besteht darin, faire Bedingungen für die Belegschaft zu gewährleisten und gleichzeitig die Unternehmensziele zu berücksichtigen. Betriebsvereinbarungen können als Kompromiss verstanden werden, da in der Regel keine der beiden Parteien bei einer Betriebsvereinbarung ihre Maximalforderungen zu einem Themengebiet durchsetzen kann.
Vereinfachung und Rechtssicherheit sind weitere wesentliche Ziele von Betriebsvereinbarungen. Durch Betriebsvereinbarungen werden voraussehbare Fragestellungen proaktiv behandelt und geklärt, was zu schnelleren und verbindlichen Entscheidungen im Betrieb führt. Schließt ein Unternehmen mit dem Betriebsrat beispielsweise eine Betriebsvereinbarung zum Thema „Homeoffice“ ab, werden für die Beschäftigten nachvollziehbare, allgemeingültige und rechtsverbindliche Verhaltensnormen für ihr Arbeitsverhältnis aufgestellt, statt langfristig über Einzelfälle zu streiten.
Wer kann eine Betriebsvereinbarung abschließen?
Der § 77 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) stell unmissverständlich klar, dass „Betriebsvereinbarungen gemeinsam vom Betriebsrat und vom Arbeitgeber beschlossen werden.“
Welche Arten von Betriebsvereinbarungen werden unterschieden?
Grundsätzlich werden Betriebsvereinbarungen in zwei Arten unterteilt:
- obligatorische oder erzwingbare Vereinbarungen sowie
- freiwillige Betriebsvereinbarungen.
Neben den beiden Formen der rechtlich verbindlichen Vertriebsvereinbarungen können Arbeitgeber und Arbeitnehmer sonstige, formlose Absprachen in Form von Regelungsabreden schließen, die für den Arbeitgeber unverbindlich sind.
Was sind „Erzwingbare Betriebsvereinbarung?“
Erzwingbare Betriebsvereinbarungen werden abgeschlossen, sobald es sich um mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten im Sinne des BetrVG handelt. Ist der Betriebsrat mitbestimmungspflichtig und muss er rechtsverbindlich angehört werden und hat er zusätzlich das Recht, gegen den Willen des Arbeitgebers eine Einigungs- oder Schlichtungsstelle anzurufen, handelt es sich um eine obligatorische Betriebsvereinbarung.
In den folgenden Fällen räumt das BetrVG dem Betriebsrat unter anderem ein Mitbestimmungsrecht ein:
§ 87 BetrVG | Mitbestimmungsrechte zu Fragen der Ordnung im Betrieb, zum Beginn und Ende der Arbeitszeiten, zu den Arbeitsentgelten und zu insgesamt 14 betriebsinternen Fachfragen. |
§ 91 BetrVG | Mitbestimmungsrecht bei einer Änderung der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung, die den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen. |
§ 94 BetrVG | Aufbau des Personalfragebogens und der allgemeinen Beurteilungsgrundsätze. |
§ 95 BetrVG | Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. |
§ 97 BetrVG§ 98 BetrVG | Mitbestimmung über die Errichtung und Ausstattung betrieblicher Einrichtungen zur Berufsbildung sowie über deren Durchführung |
§ 112 BetrVG | Interessenausgleich über eine Betriebsänderung sowie Ausgestaltung eines Sozialplans |
Was sind freiwillige Betriebsvereinbarungen?
Alle Angelegenheiten die auf Grundlage des Betriebsverfassungsgesetzes nicht unter die Mitbestimmung des Betriebsrats fallen, können in freiwilligen Betriebsvereinbarungen geregelt werden. Voraussetzung für den Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung ist die Einigung auf eine gemeinsame Regelung oder die freiwillige Unterwerfung beider Vertragsparteien unter einen Schiedsspruch.
Das BetrVG zeigt im § 88 sechs Bereiche auf, in denen freiwillige Betriebsvereinbarungen geschlossen werden können:
- zusätzliche Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Gesundheitsschädigungen,
- Maßnahmen des betrieblichen Umweltschutzes,
- Errichtung von betriebsinternen Sozialeinrichtungen,
- Maßnahmen zur Förderung der Vermögensbildung,
- Maßnahmen zur Integration ausländischer Arbeitnehmer sowie zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb,
- Maßnahmen zur Eingliederung schwerbehinderter Menschen.
Was sind typische Inhalte von Betriebsvereinbarungen?
Typische Themen, die in Betriebsvereinbarungen aufgegriffen und geregelt werden, sind Fragen zu Arbeits- und Pausenzeiten, Regelungen zur Arbeitsplatzsicherheit, Absprachen zur Arbeit im Homeoffice oder Vorschriften zur Kleiderordnung im Betrieb.
Anlass der Betriebsvereinbarung | F / E |
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung und der Einführung von Entlohnungsmethoden | E |
Ausgestaltung der Betriebsordnung | E |
Programm zur besseren Eingliederung schwerbehinderter Mitarbeiter im Betrieb | F |
Ausgestaltung von mobiler Arbeit und Regeln für Homeoffice | E |
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und der Urlaubsregelungen im Betrieb | E |
Ausschließliche Nutzung von Sonnen- und Windenergie im Betrieb | F |
Aufbau eines Sozialplans im Rahmen eines Restrukturierungsprogramms | E |
Implementierung eines Programms zur freiwilligen, arbeitgeberfinanzierten Altersvorsorge | F |
Veränderung des Plans der Sprechstunden des Betriebsrats | E |
Einführung von flexiblen Arbeitszeitmodellen | E |
F = Freiwillige Betriebsvereinbarung / E = Erzwingbare Betriebsvereinbarung
Welche Angaben sollte eine Betriebsvereinbarung enthalten?
Betriebsvereinbarungen werden in der Regel stets nach dem gleichen Schema aufgebaut. Folgende Angaben sollten in jeder Betriebsvereinbarung vorhanden sein
- Regelungsinhalt in der Überschrift
- genaue Bezeichnung der Vertragsparteien
- einen präzisen Geltungsbereich
- die Regelungen im Einzelnen
- genaues Datum des Inkrafttretens
- die festgelegte Kündigungsfrist
- mögliche Nachwirkung.
Wie sollte eine Betriebsvereinbarung formuliert werden?
Um Missverständnisse oder Interpretationen bei Betriebsvereinbarungen zu vermeiden, sollten Arbeitgeber stets auf die Formulierung achten. Die Betriebsvereinbarung sollte demnach:
- verständliche und nachvollziehbare Formulierungen aufweisen,
- knappe und präzise Sätze enthalten,
- keine unbestimmten Rechtsbegriffe und Klauseln beinhalten,
- im Zweifel mögliche Unklarheiten näher erläutern.
Wie lange ist eine Betriebsvereinbarung gültig?
Betriebsvereinbarungen gelten als beiderseitige Willenserklärung von Arbeitgeber und Betriebsrat. In einer gemeinsamen schriftlichen Erklärung wird festgelegt, zu welchem Zeitpunkt die Betriebsvereinbarung ihre Gültigkeit erhält und wann sie ausläuft. Die Gültigkeit endet demnach mit dem Ablauf der festgelgten Frist. Eine Betriebsvereinbarung jedoch auch andersweitig ihre Gültigkeit verlieren.
Wie kann eine Betriebsvereinbarung beendet werden?
Beendigungsgründe für eine Betriebsvereinbarung sind unter anderem:
- Zeitablauf gemäß Betriebsvereinbarung,
- Erreichen des in der Vereinbarung beschriebenen Zwecks (z. B. Sozialplan),
- Ablösungsprinzip: Abschluss einer neuen, veränderten Betriebsvereinbarung,
- Aufgabe des Betriebs,
- Aufhebungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Kann eine Betriebsvereinbarung gekündigt werden?
Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen ist möglich. Neben den genannten Beendigungsgründen können Betriebsvereinbarungen auf Grundlage von § 77 BetrVG von jeder Vertragsseite einseitig mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.
Was bedeutet die Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen?
Der § 77 BetrVG enthält im Unterabsatz 6 eine wichtige Nachwirkungs-Klausel, die sich ausschließlich auf Betriebsvereinbarungen beziehen, die zu den erzwingbaren, mitbestimmungspflichtigen Vereinbarungen gehören. Der Gesetzgeber erklärt:
„Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.“
Die Klausel der Nachwirkung bedeutet für die Praxis, dass eine obligatorische Betriebsvereinbarung, die formal ausgelaufen ist, weiterhin für beide Vertragsparteien rechtlich bindend ist, bis sie durch eine neue Vereinbarung ersetzt wird.
Beispielsweise behalten die in einer Betriebsvereinbarung thematisierten flexiblen Arbeitszeitmodelle im Unternehmen so lange ihre Gültigkeit, bis sich Betriebsrat und Geschäftsführung in einer neuen Betriebsvereinbarung auf eine Adaptierung der nachwirkenden Arbeitszeitmodelle einigen. Diese gesetzliche Vorgabe soll sicherstellen, dass wichtige Angelegenheiten trotz unterschiedlicher Auffassungen von Betriebsrat und Geschäftsführung geregelt sind, bis in Verhandlungen neue Vereinbarungen getroffen oder die Einigungsstelle angerufen wird.
Für wen gilt eine Betriebsvereinbarung?
Eine Betriebsvereinbarung stellt kollektivrechtliche Normen für alle Arbeitnehmer eines Unternehmens auf. Somit ist sie für alle Beschäftigten im Betrieb, inklusive der in Arbeitnehmerüberlassung angestellten Mitarbeiter verbindlich. Abweichend kann eine Betriebsvereinbarung für einzelne Unternehmensbereiche, Arbeitnehmergruppen oder Abteilungen aufgestellt werden. Beispielsweise könnte eine Betriebsvereinbarung explizit für die Vertriebsmitarbeiter einer Unternehmensgruppe abgeschlossen werden und ihren Anspruch auf zusätzliche Urlaubstage regeln.
Eine Ausnahme bilden leitende Angestellte. Als leitender Angestellter im Unternehmen gilt, wer die Befugnis besitzt, Beschäftigte eigenständig einzustellen und zu entlassen. Für leitende Angestellte gelten Betriebsvereinbarungen nicht.
Welche Form müssen Betriebsvereinbarungen aufweisen?
Betriebsvereinbarungen müssen gemäß § 77 BetrVG schriftlich niedergelegt werden. Das Landesarbeitsgericht stellte in einem Grundsatzurteil vom 05.10.2009 klar, dass an „Betriebsvereinbarungen keine gegenüber der allgemeinen Regel des § 126 BGB erhöhten Anforderungen zu stellen“ seien (15 Sa 26/09).
Das Gesetz erklärt den Begriff „Schriftform“, in der auch Betriebsvereinbarungen verfasst werden müssen, wie folgt § 126 BGB:
- Urkunde, die vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet wird.
- Bei einem Vertrag (z. B. Betriebsvereinbarung) muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen.
- Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form oder die notarielle Beurkundung ersetzt werden.
Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung: Was geht vor?
Im § 3 des Betriebsverfassungsgesetzes wird erklärt, dass Betriebsvereinbarungen getroffen werden können, wenn keine tariflichen Regelungen oder ein Tarifvertrag gelten. Daraus folgt, dass Vorgaben aus Tarifverträgen höher einzuschätzen sind als Abmachungen in Betriebsvereinbarungen. Betriebsvereinbarungen können Vorgaben aus einem Tarifvertrag nicht aushebeln.
Aus dem Wortlaut im § 77 BetrVG „Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend“, kann ebenfalls abgeleitet werden, dass Regelungen in Arbeitsverträgen weniger Rechtskraft besitzen als kollektivrechtlich abgeschlossene Betriebsvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
Daraus folgt die folgende rechtliche Gewichtung nach dem Günstigkeitsprinzip:
- Tarifvertrag,
- Betriebsvereinbarung,
- Arbeitsvertrag.
Das Günstigkeitsprinzip besagt, dass bei einer Auswahlmöglichkeit aus verschiedenen Rechtsformen, stets die höherwertige Rechtsquelle anzuwenden ist. Demnach gehen Regelungen Tarifverträge
Wie wird eine Betriebsvereinbarung geschlossen?
Der Abschluss einer Betriebsvereinbarung erfolgt in der Regel in sechs Schritten:
- Vorbereitung der Betriebsvereinbarung: Klären Sie als Arbeitgeber zunächst, was Sie mit der konkreten Betriebsvereinbarung regeln wollen oder müssen. Oftmals stellt auch ein Interessenskonflikt zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber einen Anlass für eine neue Betriebsvereinbarung dar. So oder so: Fast immer ist es sinnvoll, dass Sie als Arbeitgeber einen eigenen Entwurf einer Betriebsvereinbarung für die Verhandlungen mit dem Betriebsrat vorlegen.
- Erfolgreiche Verhandlungen mit dem Betriebsrat: Jetzt beginnen die eigentlichen Verhandlungen mit dem Betriebsrat. Als Arbeitgeber sollten Sie sich darauf gefasst machen, dass der Betriebsrat mit einem eigenen Entwurf einer Betriebsvereinbarung aufwartet oder Ihren Entwurf zunächst kritisch prüft. Ziel beider Betriebsparteien ist es, möglichst die eigenen Interessen durchzusetzen. Dennoch ist es wichtig, dass Arbeitnehmervertreter und Arbeitgebervertreter offen und konstruktiv verhandeln.
- Formulierung der Betriebsvereinbarung: Nach der Einigung oder parallel in den Verhandlungen sollten Sie sich über den Inhalt der Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat endgültig einigen. Insbesondere sollten Sie dabei auch auf eine rechtliche Prüfung Wert legen.
- Überprüfung durch den Betriebsrat: Für einen ordnungsgemäßen Beschluss muss der Betriebsrat die Vereinbarung abschließend prüfen. Gegebenenfalls könnte es zu erneuten Verhandlungen kommen.
- Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung: Die Betriebsvereinbarung muss von Ihrem Betriebsrat und Ihnen unterzeichnet werden, § 77 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Ist dies nicht der Fall, ist die Betriebsvereinbarung unwirksam, § 125 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
- Veröffentlichung der Betriebsvereinbarung: Zuletzt wird die Betriebsvereinbarung veröffentlicht – das heißt, alle darin enthaltenen Regelungen müssen allen Arbeitnehmern frei zugänglich gemacht werden Gemäß § 7 Absatz 2 BetrVG ist die Bekanntgabe durch die Auslegung an geeigneter Stelle zu erfolgen.
Kommt es in der Phase der Diskussion zu keiner Einigung und handelt es sich um eine obligatorische Betriebsvereinbarung, bei der der Betriebsrat mitbestimmungspflichtig ist, kann eine Einigungsstelle als Schlichter angerufen werden. Die Einigungsstelle vermittelt zwischen beiden Parteien und formuliert einen Beschluss, der für beide Vertragsparteien rechtlich bindend ist. Oft reicht jedoch auch eine kurze Verhandlungspause von einigen Tagen aus. Der Weg zur Einigungsstelle sollte aufgrund des zeitlichen und finanziellen Aufwandes lediglich zuletzt in Betracht gezogen werden.