Grafik mit zwei handelnden Personen und der Aufschrift: Reserve-Charge-Verfahren

Reverse-Charge-Verfahren: Anwendung, Rechnung & Vorteile

Normalerweise weist ein umsatzsteuerpflichtiger Unternehmer in seinen Rechnungen Umsatzsteuer aus, die er anschließend ans Finanzamt abführen muss. Doch zu diesem Grundsatz gibt es eine Ausnahme: Das sogenannte Reverse-Charge-Verfahren, nach dem der leistende Unternehmer eine Nettorechnung ausstellt und der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer ausrechnen und ans Finanzamt abführen muss. Doch wann genau findet das Reverse-Charge-Verfahren Anwendung?
Inhaltsverzeichnis

Was ist das Reverse-Charge-Verfahren?

Unter dem Reverse-Charge-Verfahren wird eine spezielle Steuerregelung betreffend der Umsatzsteuer verstanden. Bei diesem Verfahren muss nicht das Unternehmen, also der Leistungsbringer oder Leistende, die Umsatzsteuer entrichten, sondern der Leistungsempfänger. Das Reverse-Charge-Verfahren in der Umsatzsteuer macht den Leistungsempfänger also zum Schuldner der Umsatzsteuer für Leistungen eines anderen Unternehmers. Demnach handelt es sich bei dem Reverse-Charge-Verfahren um eine Umkehrung der Steuerschuldnerschaft.

Wann findet das Reverse-Charge-Verfahren Anwendung?

Das Reverse-Charge-Verfahren, die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft, kommt nur unter den folgenden Voraussetzungen zur Anwendung:

  • Es liegt ein grenzüberschreitender Geschäftsabschluss vor.
  • Sowohl der Rechnungsaussteller (= Erbringer der Leistung) als auch der Leistungsempfänger (= Rechnungsempfänger) ist ein Unternehmer.
  • Im Zentrum steht eine Lieferung oder Leistung, die im § 13b Abs. 2 UStG abgehandelt wird.

Die exakten Vorgaben, für welche Leistungen das Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung kommt, finden Sie also in Paragraf 13b UStG sowie näher beschrieben in verschiedenen Schreiben des Bundesfinanzministeriums.

Welche Leistungen erfordern das Reverse-Charge-Verfahren?

Reverse Charge kommt also in vielen Bereichen zum Einsatz, in denen es in der Vergangenheit Probleme mit den Umsatzsteuerzahlungen ans Finanzamt gab. Paragraph 13b UStG sieht das Verfahren deshalb unter anderen bei Bauleistungen, Leistungen von Gebäudereinigern oder bei Lieferung sicherungsübereigneter Wirtschaftsgüter vor.

Gemäß § 13b Abs. 2 des deutschen Umsatzsteuergesetzes (UStG) sind bestimmte Leistungen von der Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens betroffen. Dieses Verfahren wird angewendet, wenn es um unter anderem um folgende Leistungen geht:

  • Werklieferungen,
  • Umsätze im Rahmen des Grunderwerbssteuergesetzes,
  • Lieferung von Sicherungsgütern,
  • Bauleistungen,
  • Gold und Goldplattierungen oder auch
  • Konsolen, Mobilfunkgeräten und Tablets.

Eine abschließende Aufzählung finden Sie in § 13b Abs. 1 und Abs. 2 UStG.

Beispiel für das Reverse-Charge-Verfahren

Ein in der Schweiz ansässiger Unternehmer erbringt als Leistender für Ihr Unternehmen in Deutschland umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistungen. Dafür rechnet er 10.000 Euro netto – also ohne Umsatzsteuerausweis – ab. Da nach Paragraph 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG für Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers das Reverse-Charge-Verfahren gilt, müssen Sie als Leistungsempfänger die Umsatzsteuer ausrechnen – hier 1.900 Euro – und nach Paragraph 13b Abs. 5 UStG als Schuldner ans Finanzamt abführen.

Sind Sie zum Vorsteuerabzug berechtigt, dürfen Sie trotz des fehlenden Umsatzsteuerausweises in gleicher Höhe Vorsteuer gegenrechnen. Im Endeffekt müssen Sie also null Euro ans Finanzamt zahlen.

Betrifft das Reverse-Charge-Verfahren auch Kleinunternehmen?

Ist ein Unternehmer beim Finanzamt als Kleinunternehmer nach § 19 UStG erfasst, muss er keine Umsatzsteuer ausweisen und kann im Gegenzug keine Erstattung der Vorsteuer beantragen. Da er jedoch umsatzsteuerlich dennoch als Unternehmer einzustufen ist, kann er Steuerschuldner werden und muss fremde Umsatzsteuer ans Finanzamt abführen. Kurios, aber nicht zu ändern.

Beispiel: Ein Kleinunternehmer nach § 19 UStG versteigert über ebay Waren. Ebay stellt ihm, den Leistungsempfänger, hierfür eine Rechnung über netto 1.000 Euro. Da die Rechnung von ebay aus Luxemburg stammt, ist das Reverse-Charge-Verfahren anzuwenden. Folge: Der Kleinunternehmer muss als Leistungsempfänger die Umsatzsteuer für ebay in Höhe von 1.90 Euro als Schuldner ans Finanzamt abführen. Einen Vorsteuerabzug hat er als Kleinunternehmer nicht.

Warum gibt es das Reverse-Charge-Verfahren?

Ziel des eingeführten Reverse-Charge-Verfahrens ist die Sicherstellung, dass die Umsatzsteuer des im Ausland ansässigen Unternehmens in Deutschland bezahlt wird. Ohne Reverse Charge könnte der im Ausland ansässige Unternehmer die Umsatzsteuer offen ausweisen, Sie als Leistungsempfänger könnten sich die Vorsteuer erstatten lassen und der Rechnungsaussteller könnte sich aus dem Staub machen, ohne die Umsatzsteuer in Deutschland zu bezahlen.

Das Reverse-Charge-Verfahren wurde daher in Deutschland eingeführt, um Betrug und Steuerhinterziehung im Bereich der Umsatzsteuer zu bekämpfen und die effiziente Erhebung dieser Steuer sicherzustellen. Denn bereits in der Vergangenheit gab es Fälle, in denen Unternehmen Umsatzsteuer auf ihren Rechnungen auswiesen, diese jedoch nicht an das Finanzamt abführten. Dies führte zu erheblichen Steuerausfällen für den Staat.

Was sind die Vorteile des Reverse-Charge-Verfahrens?

Das Reverse-Charge-Verfahren birgt nicht nur für den deutschen Staat Vorteile, indem es Steuerausfällen vorbeugt. Auch die Unternehmen selbst – und zwar sowohl der Leistungsgeber als auch Leistungsempfänger – profitieren von dem Reverse-Charge-Verfahren.

Vorteile für LeistungsgeberVorteile für Leistungsempfänger
Keine Kontaktaufnahme zu dem deutschen FinanzamtVorsteuerabzug in Höhe der abzuführenden Umsatzsteuer
Keine gesonderte Abgabe der UmsatzsteuerVereinfachung grenzüberschreitender Geschäfte
Vereinfachung grenzüberschreitender Geschäfte

Es gilt der Grundsatz: Meldet der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nach § 13b UStG im Reverse-Charge-Verfahren an, bekommt er ohne Wenn und Aber den ihm zustehenden Vorsteuerabzug.

Welche Regelung gilt beim Reverse Charge Schweiz?

Reverse Charge hat nicht nur in Deutschland die Vorteile zur Sicherung des Umsatzsteueraufkommens und der Umkehrung der Steuerschuld. Es hat den Vorteil, dass das Reverse-Charge-Verfahren in allen EU-Staaten und in Ländern wie beispielsweise der Schweiz angewandt wird.

Beispiel: Ein in Deutschland ansässiger Unternehmer erbringt an den Leistungsempfänger in der Schweiz an ein Schweizer Unternehmen Beratungsleistungen.

Folge: Solche Leistungen sind in der Schweiz umsatzsteuerpflichtig und unterliegen der Schweizer Bezugssteuer (= Reverse Charge Schweiz). Das Schweizer Unternehmen muss die Umsatzsteuer für den deutschen Leistenden an den Schweizer Fiskus abführen.

Wie wird das Reverse-Charge-Verfahren auf Rechnungen angegeben?

Sollte das Reverse-Charge-Verfahren zum Einsatz kommen, muss auf der Rechnung ein entsprechender Vermerk aufgeführt werden – beziehungsweise exakt den folgenden Satz: „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers

Wichtig: Der Vorsteuerabzug im Kontext des Reverse-Charge-Verfahrens ist nicht an eine korrekte Rechnung gebunden. Ist der Empfänger zum Abzug der Vorsteuer berechtigt, ist es völlig egal, ob die Rechnung alle nach § 14 Abs. 4 UStG notwendigen Rechnungsangaben enthält oder ob überhaupt eine Rechnung gestellt wird (Abschnitt 13b.15 Abs. 2 und 3 Umsatzsteueranwendungserlass).