Rückstellungen: Bildung, Buchung und Auflösung
Was sind Rückstellungen?
Rückstellungen sind ein Instrument aus der Buchhaltung. Damit bilden Unternehmen ungewisse Verbindlichkeiten ab, die in der Zukunft erwartet werden. Die genaue Höhe oder der genaue Zeitpunkt dieser Verbindlichkeiten sind jedoch noch unklar – das ist beispielsweise bei fehlenden Lieferantenrechnungen oder Rechtsstreitigkeiten der Fall.
Grundsätzlich werden Rückstellungen also für Verpflichtungen gebildet, deren Höhe und respektive oder Fälligkeit Sie noch nicht abschätzen können. Ziel ist es, in der Finanzplanung dennoch eine möglichst realistische Darstellung der finanziellen Situation der Organisation zu erreichen.
Rückstellungen werden auf der Passivseite der Bilanz als Schulden verbucht, dadurch zählen sie zum Fremdkapital.
Welche Arten von Rückstellungen gibt es?
Es gibt mehrere verschiedene Arten von Rückstellungen, die sich in ihrem Verwendungszweck und der Fälligkeit unterscheiden. Zu den wichtigsten Rückstellungen zählen:
- Aufwandsrückstellungen: Aufwandsrückstellungen werden für zukünftige Aufwendungen eingesetzt. Zu den Aufwandsrückstellungen können beispielsweise Rückstellungen für Instandhaltungen oder Reparaturen sein.
- Drohverlustrückstellungen: Der Name „Drohverlustrückstellung“ verrät den Zweck dieser Rückstellungsart. Drohverlustrückstellungen werden für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften oder Rechtsstreitigkeiten gebildet.
- Steuerrückstellungen: Steuern werden immer erst frühestens im Folgejahr für das vorherige gezahlt. Um diese Ausgaben einzuplanen, werden Steuerrückstellungen für voraussichtlich zu zahlende Abgaben gebildet.
- Pensionsrückstellungen: Laut Betriebsrentengesetz (BetrAVG) müssen Unternehmen monatliche Pensionsrückstellungen für zukünftige Pensionszahlungen an Mitarbeiter bilden.
Darüber hinaus gibt es weitere spezifische Rückstellungen wie die Gewerbesteuerrückstellung, Garantierückstellung, Urlaubsrückstellung oder Rückstellungen für Rechts- und Beratungskosten. Die oben genannten sind jedoch die Arten, die am weitesten verbreitet sind und häufigsten genutzt werden.
Warum werden Rückstellungen gebildet?
In erster Linie dient die Bildung von Rückstellungen zu einer realistischen Darstellung der finanziellen Situation und Zukunft eines Unternehmens. Darüber hinaus verfolgen Betriebe damit weitere Ziele:
- Realistische Darstellung der finanziellen Situation: Rückstellungen ermöglichen eine realistische Einschätzung der aktuellen und zukünftigen finanziellen Situation eines Unternehmens. Das ist nicht nur intern, sondern auch extern wichtig, beispielsweise für Kapitalgeber.
- Vorsichtsprinzip: Es gilt bei der Bildung von Rückstellung das kaufmännische Vorsichtsprinzip, das im Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt ist. Durch die Bildung von Rückstellungen werden mögliche Verluste und Aufwendungen so bereits im Vorfeld berücksichtigt.
- Rechtliche Verpflichtung: Gemäß HGB sind Unternehmen verpflichtet, Rückstellungen für bestimmte ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden.
Beispiele für klassische Rückstellungen, die in beinahe jedem Unternehmen vorkommen, sind Instandhaltungsrückstellungen für Reparaturen oder Steuerrückstellungen. Auch Rückstellungen für drohende Rechtsstreitigkeiten kommen oft vor.
Wann müssen Rückstellungen laut HGB gebildet werden?
Das HGB regelt in Paragraf 249, Absatz 1, wann Rückstellungen gebildet werden müssen. Die Pflicht gilt immer dann, wenn ein Unternehmen am Bilanzstichtag eine rechtliche oder faktische Verpflichtung gegenüber Dritten hat, deren Höhe und/oder Fälligkeit noch ungewiss ist. Zudem muss die Inanspruchnahme der Verbindlichkeit wahrscheinlich sein.
Wann können keine Rückstellungen gebildet werden?
Im Gegensatz dazu gibt es Einschränkungen, wann in der Praxis keine Rückstellungen zum Bilanzstichtag gebildet werden dürfen. Das ist der Fall, wenn
- eine Verpflichtung nicht wahrscheinlich ist oder die Aufwendung nicht konkretisiert werden kann,
- eine Selbstverpflichtung vorliegt, die keinen rechtlichen oder wirtschaftlichen Zwang darstellt oder
- die Verbindlichkeit bereits durch eine Rücklage abgedeckt ist.
Wie werden Rückstellungen gebildet?
Sie bilden Rückstellungen, indem Sie schätzen, wie hoch eine bestimmte zukünftige Belastung sein wird. Diese Schätzung weisen Sie in der Bilanz als Rückstellung aus. Wie hoch dieser Schätzwert ist, liegt in Ihrem Ermessen und sollte realistisch und auf Basis von Erfahrungswerten bestmöglich geschätzt werden.
Wie werden Rückstellungen gebucht?
Eine Rückstellung wird immer nach dem gleichen Buchungssatz abgewickelt.
Sollkonten | Habenkonten | Betrag |
Aufwandskonto | Rückstellungskonto | EUR X |
Es gibt verschiedene Aufwands- und Rückstellungskonten. Buchen Sie beispielsweise eine Steuerrückstellung, verwenden Sie die entsprechenden Konten. Stellen Sie sich vor, Ihr Steuerberater teilt Ihnen mit, dass eine Nachzahlung in Höhe von rund 10.000 Euro für die Gewerbesteuer des Vorjahres fällig wird. Diesen Sachverhalt buchen Sie wie folgt:
Sollkonto | Habenkonto | Betrag |
Steueraufwand | Steuerrückstellung | EUR 5.000 |
In SKR03 werden als Rückstellungskonten beispielsweise 3010 (Pensionsrückstellungen), 3060 (Steuerrückstellungen) oder 3075 (sonstige Rückstellungen) verwendet. Die Standardkonten sind 3000 – 3079.
Im anderen Standard-Kontenrahmen, SKR04, sind die Rückstellungskonten 4200 – 4299. Beispiele: 4210 (Pensionsrückstellungen), 4250 (Steuerrückstellungen) oder 4290 (sonstige Rückstellungen).
Wie werden Rückstellungen aufgelöst?
Um zu verstehen, wie Rückstellungen aufgelöst werden, erläutern wir den Vorgang anhand vier verschiedener Beispiele. Angenommen, Sie haben eine Rückstellung in Höhe von 20.000 Euro gebildet. Grund sind zu erwartende Reparaturkosten, da es in einem Teil Ihres Betriebs gebrannt hat.
Je nachdem, wie hoch die Kosten nun tatsächlich ausfallen, erfolgt die Auflösung der Rückstellung auf unterschiedliche Art und Weise.
Tatsächlicher Aufwand ist identisch mit der Rückstellung
Falls der tatsächliche Aufwand der Reparaturkosten für den Brand genau dem Betrag der Rückstellung entspricht, wird diese vollständig aufgelöst. Die Kosten werden als Aufwand verbucht.
Der Buchungssatz könnte wie folgt aussehen, wenn Sie den entsprechenden Kontenrahmen verwenden:
Sollkonto | Habenkonto | Betrag |
3075 – Sonstige Rückstellungen | 4800 – Reparaturaufwendungen | EUR 20.000 |
Tatsächlicher Aufwand ist höher als die Rückstellung
Angenommen, die Reparaturkosten sind aufgrund eines erst später entdeckten, weiteren Schadens höher und liegen bei 25.000 Euro. In diesem Fall wird die Rückstellung in Höhe von 20.000 Euro aufgelöst, die zusätzlichen Kosten von 5.000 Euro werden als Aufwand verbucht.
Die Buchungssätze können wie folgt aussehen:
Sollkonto | Habenkonto | Betrag |
3075 – Sonstige Rückstellungen | 4800 – Reparaturaufwendungen | EUR 20.000 |
4800 – Reparaturaufwendungen | 1600 – Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen | EUR 5.000 |
Tatsächlicher Aufwand ist niedriger als die Rückstellung
Im dritten Beispiel liegen Ihre Reparaturkosten niedriger, da sich der Schaden als nicht ganz so schlimm wie angenommen entpuppt. Die Rückstellung in Höhe von 20.000 Euro wird in diesem Fall teilweise aufgelöst. Zudem wird die überschüssige Rückstellung in Höhe von 5.000 Euro ebenfalls aufgelöst und dem Gewinn zugeführt.
Die Buchungssätze können so aussehen:
Sollkonto | Habenkonto | Betrag |
3075 – Sonstige Rückstellungen | 4800 – Reparaturaufwendungen | EUR 15.000 |
3075 – Sonstige Rückstellungen | 9000 – Gewinn- und Verlustkonto | EUR 5.000 |
Es ist kein Aufwand eingetreten
Zwar ist der vierte Fall im fiktiven Beispiel eher unrealistisch – es gibt auch in der Praxis bei Rückstellungen die Option, dass der Aufwand nicht eintritt. In diesem Fall führen Sie die gesamte Rückstellung in Höhe von 20.000 Euro zum Gewinn zu.
Der Buchungssatz könnte folgendermaßen aussehen:
Sollkonto | Habenkonto | Betrag |
3075 – Sonstige Rückstellungen | 9000 – Gewinn- und Verlustkonto | EUR 20.000 |
Die jeweiligen Buchungssätze können je nach gewähltem Kontenrahmen (SKR03 oder SKR04) und natürlich den realen Aufwänden und Rückstellungen variieren. Das Prinzip der Auflösung bleibt jedoch in jedem Fall gleich.
Wie werden Rückstellungen in der Bilanz dargestellt?
Rückstellungen werden in der Bilanz auf der Passivseite dargestellt. Der entsprechende Posten lautet “Rückstellungen”. Da sie durch ihren gewinnmindernden Charakter den Jahresabschluss und damit den Ertrag oder Verlust eines Unternehmens beeinflussen, sind sie ein wesentlicher Bestandteil der Bilanz und der Finanzen und Steuern eines Unternehmens.
Sie zählen zum Fremdkapital und sind in verschiedene Kategorien unterteilt, dazu zählen beispielsweise Pensionsrückstellungen, Steuerrückstellungen und sonstige Rückstellungen wie zum Beispiel Aufwandsrückstellungen, um eine bessere Übersicht zu gewährleisten.
Jede Kategorie wird dabei separat in der Bilanz ausgewiesen, um möglichst transparent die unterschiedlichen Verpflichtungsarten darstellen zu können. Innerhalb dieser Kategorien werden die Rückstellungen nach ihrem jeweiligen Fälligkeitsdatum unterschieden, um zwischen kurzfristigen und langfristigen Aufwendungen zu unterscheiden.
Was ist ein Rückstellungsspiegel?
Als Rückstellungsspiegel wird eine tabellarische Übersicht über die Entwicklung der Rückstellungen im Jahresabschluss eines Unternehmens bezeichnet. Er zeigt die Veränderungen der Rückstellungen im Geschäftsjahr durch Neubildung, Auflösung, Zuführung und Abgänge – Sie können sich dieses Instrument als eine Art „Rückstellungszusammenfassung” vorstellen.
In der Praxis dient der Rückstellungsspiegel zur transparenten Darstellung der finanziellen Verpflichtungen und trägt zur besseren Nachvollziehbarkeit der Bilanz bei. Kleinere Unternehmen nutzen ihn jedoch meist nicht – die Verwendung ist insbesondere für größere Unternehmen sinnvoll. Für diese reduziert ein Rückstellungsspiegel die Komplexität der Bilanzierung. Zudem gibt er Externen – beispielsweise Geldgebern – einen besseren Einblick und dient zur besseren Nachvollziehbarkeit.