Notwendiges und gewillkürtes Betriebsvermögen – die Unterschiede

Da das Betriebsvermögen im Steuerbilanzrecht eine wesentliche Rolle spielt, müssen Unternehmen die Differenzierung zwischen notwendigem und gewillkürtem Betriebsvermögen verstehen und anwenden können. Dieser Artikel geht auf die Unterschiede beider Bezeichnungen ein, untersucht die steuerlichen Folgen der Unterteilung und zeigt anhand von Praxisbeispielen, welche Vermögensgegenstände zum notwendigen und zum gewillkürten Betriebsvermögen zählen.
Inhaltsverzeichnis

Ein Unternehmen besteht aus steuerlicher Sicht aus der Summe unterschiedlicher Vermögensgegenstände. Diese verteilen sich, angefangen vom einfachen Tisch in der Kantine bis hin zu hochwertigen Maschinen und Geräten. Auf Grundlage des § 246 des Handelsgesetzbuches (HGB) sind Unternehmen verpflichtet, Wirtschaftsgüter und Vermögensgegenstände in ihre Bilanz aufzunehmen. Nicht in jedem Fall steht dem Betrieb ein Wirtschaftsgut zu 100 % zur Verfügung. Ein typisches Beispiel hierfür ist ein privat genutzter Firmen-Pkw oder ein Business-Laptop, der ebenfalls für private Zwecke verwendet wird. In diesem Fall wird bei der Gewinnermittlung des Steuerpflichtigen von gewillkürtem Betriebsvermögen gesprochen.

Notwendiges Betriebsvermögen und gewillkürtes Betriebsvermögen – die Unterschiede

Welche Vermögensgegenstände in einem Betrieb zum notwendigen und gewillkürtem Betriebsvermögen gehören, ist anhand ihrer Nutzungsintensität feststellbar und muss im Einzelfall geprüft werden. Grundsätzlich wird die Unterscheidung zwischen notwendigem und gewillkürtem Betriebsvermögen im Steuerrecht wie folgt vorgenommen:

Notwendiges Betriebsvermögen Gewillkürtes Betriebsvermögen
Wird prinzipiell im Betrieb eingesetzt. Eindeutiger und direkter Bezug zum Unternehmen, seinem Zweck und zu den Produkten des Betriebs

Beispiele:

– Produktionsmaschinen oder Geräte, die der Herstellung von Waren dienen

– Firmengebäude oder Produktionshallen

– Lieferwagen zum Transport von Waren und Dienstleistungen
Wirtschaftsgüter gehören weder vollständig zum Privat- noch zum Betriebsvermögen.

Beispiele:

– Dienstwagen, bei dem die private Nutzung ausdrücklich gewährt wird.

– Firmen-Laptop oder Diensthandy, das privat genutzt werden kann

 Wichtig: Für die korrekte Zuordnung eines Wirtschaftsgutes zum gewillkürten Betriebsvermögen ist es nach einem Erlass des Bundesfinanzministeriums vom 17.11.2004 erforderlich, dass die Aufnahme des Gegenstandes in das Betriebsvermögen zeitnah in ein laufend zu führendes Bestandsverzeichnis aufgenommen oder vergleichbar aufgezeichnet wird.

Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass notwendiges Betriebsvermögen grundsätzlich einen direkten Bezug zum Unternehmen hat und hauptsächlich vom Unternehmen genutzt wird. Der Gesetzgeber definiert, dass notwendiges Betriebsvermögen zu mehr als 50 % für Unternehmenszwecke eingesetzt werden muss. Gewillkürtes Betriebsvermögen befindet sich im Gegensatz in der Zwischenzone zwischen notwendigem und privaten Betriebsvermögen.

Beispiel: Ein Wirtschaftsgut, zum Beispiel ein Dienstwagen, wird hauptsächlich geschäftlich und in Teilen ebenfalls privat genutzt. Er gehört zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn nachvollziehbar ist, dass dieser unmittelbar für eigenbetriebliche Belange zum Einsatz kommt. Liegt die betriebliche Nutzung des Fahrzeugs zwischen 10 % und 50 % kann der Firmen-Pkw als gewillkürtes Betriebsvermögen eingestuft werden. In diesem Fall muss durch ein Fahrtenbuch nachgewiesen werden, welche Kosten privat und geschäftlich angefallen sind. Alternativ kann die 1%- Regelung für den Privatanteil gewählt werden. Ein Firmenwagen, der zu mehr als 90 % für private Zwecke eingesetzt wird, ist steuerrechtlich kein Dienstwagen. Er muss als Privatwagen ausgewiesen werden.

Ähnlich wie beim Dienstwagen verhält es sich ebenfalls bei Hardware wie beispielsweise einem Smartphone oder einem Tablet, das geschäftlich und privat genutzt werden kann.

Grundsätzliche rechtliche Vorgaben zum Betriebsvermögen

Das Handelsrecht gibt Unternehmen auf, einen Jahresabschluss zu erstellen, in dem sowohl Vermögensgegenstände wie Verbindlichkeiten und Barmittel ausgewiesen werden. Die Wirtschaftsgüter fließen in die Bilanz des Betriebs ein.

Der § 39 der Abgabenordnung (AO) verpflichtet Unternehmen in diesem Zusammenhang, bei der Gewinnermittlung zwischen notwendigem und gewillkürtem Betriebsvermögen zu unterscheiden. Im Gesetz wird erklärt: „Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, werden den Beteiligten anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist.“ Das im Jahr 2009 veröffentlichte Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz erläutert hierzu, dass der wirtschaftliche Eigentümer in der Verantwortung steht, Vermögensgegenstände zu bilanzieren. Dies bedeutet für die Praxis, dass das Unternehmen als Eigentümer eines dienstlich genutzten Laptops diesen als gewillkürtes Betriebsvermögen ausweisen muss.

Eine Klarstellung, wo die Trefflinie zwischen betrieblichem und gewillkürtem Betriebseigentum sowie zu privatem Eigentum verläuft, wurde im Jahr 2003 in einem Urteil des Bundesfinanzhofs (IV R13/03) vorgenommen. Wichtige Leitsätze des Urteils zeigen auf, dass Betriebsvermögen in Betrieben aller Größenordnungen diversifiziert werden muss:

  • Die Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) steht der Bildung gewillkürten Betriebsvermögens nicht entgegen. Dies bedeutet, dass kleinere Unternehmen ebenso gewillkürtes Betriebsvermögen ausweisen können. Diese gehören entweder zum Anlage- oder Umlaufvermögen oder zu den Verbindlichkeiten.
  • Die Zuordnung eines gemischt genutzten Wirtschaftsguts zum gewillkürten Betriebsvermögen scheidet aus, wenn das Wirtschaftsgut in geringfügigem Umfang betrieblich genutzt wird.  Als geringfügig ist ein betrieblicher Anteil von weniger als 10 v. H. der gesamten Nutzung anzusehen.

Mit dem wegweisenden Urteil des Bundesfinanzhofs gilt bei der Zuordnung von Wirtschaftsgütern und bei der Gewinnermittlung nach EstG das folgende Prinzip:

Notwendiges Betriebsvermögen Gewillkürtes Betriebsvermögen Privatvermögen
Betrieblicher Nutzungsanteil 51 % – 100 % Betrieblicher Nutzungsanteil 10 % – 50 % Betrieblicher Nutzungsanteil < 10 %

 Die Einkommensteuerrichtlinien (EStR) zu § 4 EstG beschreiben im Unterpunkt 4.2 ebenfalls unmissverständlich, wann Wirtschaftsgüter als notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen eingestuft werden.

Steuerliche Folgen der Unterteilung für Steuerpflichtige

Die steuerlichen Folgen der Unterteilung in notwendiges und gewillkürtes Betriebsvermögen und Privatvermögen wirken sich wie folgt auf die Gewinnermittlung und die Betriebsausgaben aus:

Notwendiges Betriebsvermögen Gewillkürtes Betriebsvermögen Privatvermögen
Ausgaben und Gewinne sind zu 100 % steuerlich für die Gewinnermittlung anrechenbar Ausgaben und Gewinne müssen nach eigenbetrieblichem Nutzungsanteil unterschieden werden. Bei einem Dienstwagen geschieht dies zum Beispiel durch ein Fahrtenbuch oder die 1 %-Regelung. Ausgaben und Gewinne haben keinen Einfluss auf die Betriebsausgaben und die Gewinnermittlung

Unternehmen sind in der Verantwortung, die Nutzungsanteile aller Maschinen, Geräte, Fahrzeuge und anderer Wirtschaftsgüter in Bezug auf ihre private und geschäftliche Nutzung zu überprüfen. Abhängig vom Zweck und der Nutzungsdauer müssen sie diese aus steuerlicher Sicht als notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen oder als Privatvermögen einstufen.

Wann Unternehmensbeteiligungen zum Betriebsvermögen zählen

Viele Unternehmer sind neben ihrem Betrieb über Unternehmensbeteiligungen an weiteren Geschäften mitbeteiligt. In manchen Fällen können innerfamiliäre Konstrukte aus steuerlichen Gründen aufgebaut werden, bei denen beispielsweise der Ehemann an der Firma seiner Frau beteiligt ist. Wie eine Unternehmensbeteiligung steuerlich zugeordnet werden muss, zeigt ein Grundsatzurteil des Bundesfinanzhofs vom 12.06.2019.

Die Richter urteilten in diesem Zusammenhang, dass „die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zum notwendigen Betriebsvermögen gehört, wenn sie entweder dazu bestimmt ist, die gewerbliche (branchengleiche) Betätigung des Steuerpflichtigen entscheidend zu fördern oder wenn sie dazu dient, den Absatz von Produkten des Steuerpflichtigen zu gewährleisten.“

Die Entscheidung des Gerichts macht deutlich, dass Unternehmensbeteiligungen zum notwendigen Betriebsvermögen gehören, wenn sie unmittelbaren Einfluss auf die Hauptgeschäftstätigkeit haben. Im Urteil wird auf einen Leitsatz des BFH-Urteils vom 04.02.1998 verwiesen, in dem ausgeführt wurde, dass notwendiges Betriebsvermögen dadurch gekennzeichnet ist, dass es für den Betrieb eine konkrete und unmittelbare Funktion besitzt.

Äquivalent verhält es sich, wenn ein stiller Gesellschafter sich finanziell an einem anderen Betrieb beteiligt. Gewinne aus der stillen Beteiligung müssen abhängig vom Umfang als gewillkürtes oder notwendiges Betriebsvermögen ausgewiesen werden. Nettogewinne stellen darüber hinaus gewerbliche oder selbstständige Einkünfte dar und gelten nicht als Kapitalerträge.

Sonderfall: Einstufung von Grundstücken zum Betriebsvermögen

Für Grundstücke mit betrieblich genutzten Gebäuden gilt dies nicht. Sie können entweder als notwendiges Betriebsvermögen oder als Privatvermögen ausgewiesen sein. Eine Teilung in einen betrieblichen und einen privaten Nutzungsanteil ist ausschließlich möglich, wenn es sich gemäß EStR R 4.2 Absatz 9 um Grundstücke oder Grundstücksteile handelt,

  • die nicht eigenbetrieblich genutzt werden und weder eigenen Wohnzwecken dienen noch Dritten zu Wohnzwecken unentgeltlich überlassen sind sondern
  • zu Wohnzwecken oder zur gewerblichen Nutzung an Dritte vermietet sind.

Diese können als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden, wenn die Grundstücke oder die Grundstücksteile in einem gewissen objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb stehen und ihn zu fördern bestimmt und geeignet sind.

Zusammenfassend gilt, ähnlich wie bei der Zuordnung zwischen gewillkürtem und notwendigem Betriebsvermögen ebenso für Grundstücke: Besteht bei Grundstücken oder Grundstücksteilen, die vermietet oder verpachtet sind ein direkter Zusammenhang zum Betrieb, können diese als gewillkürtes Betriebsvermögen angesehen werden. Aus Gründen der Transparenz und aufgrund der umfangreichen Vorschriften zum Betriebsvermögen ist es zielführend, vor der Bewertung und Zuordnung einen Steuerberater zu konsultieren.

Weitere Formen von Betriebsvermögen in Personengesellschaften – das Sonderbetriebsvermögen

Neben dem notwendigen und gewillkürten Betriebsvermögen müssen Personengesellschaften im Unternehmenssteuerrecht das Sonderbetriebsvermögen unterscheiden. Beim Sonderbetriebsvermögen handelt es sich um Wirtschaftsgüter, die einem Mitunternehmer und nicht der Personengesellschaft gehören. Beispielsweise besitzt ein Gesellschafter und Mitunternehmer das Grundstück einer Produktionsstätte im Ausland. Dieses hat eine hohe Relevanz für den Betrieb und muss als Wirtschaftsgut in die steuerliche Gesamtbetrachtung eingearbeitet werden.

Der § 15 Absatz 1 EStG legt in diesem Zusammenhang nahe, dass Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft und einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist, unmittelbar beteiligt sind. Auch wenn der Begriff Sonderbetriebsvermögen gesetzlich nicht definiert ist, kann aus dem EStG abgeleitet werden, dass Sonderbetriebsvermögen ebenfalls zum Betriebsvermögen des Unternehmens gezählt werden müssen. Steuerrechtlich erfolgt eine Zuordnung in aktives und passives Sonderbetriebsvermögen.

Aus betrieblicher Sicht ist es essenziell, zwischen notwendigem und gewillkürtem Betriebsvermögen, Privatvermögen und Sonderbetriebsvermögen zu unterscheiden

Als Betriebsvermögen werden grundsätzlich alle Vermögensgegenstände betrachtet, die im Besitz eines Unternehmens sind. Neben Maschinen, Geräten und Fahrzeugen gehören hierzu ebenfalls Grundstücke, Gebäude und geringwertige Wirtschaftsgüter. Aus steuerlicher Sicht muss unterschieden werden, ob Wirtschaftsgüter prinzipiell und unmittelbar im Betrieb eingesetzt werden oder ob eine private, betriebsfremde Nutzung erfolgt.

Als notwendiges Betriebsvermögen aus Sicht des EStG werden alle Wirtschaftsgüter angesehen, die zu mehr als 50 % für Unternehmenszwecke genutzt werden. Bei einer Nutzung zwischen 50 % bis 90 % wird vom sogenannten gewillkürten Betriebsvermögen gesprochen. Wird ein Wirtschaftsgut zu über 90 % für private Zwecke eingesetzt, gehört es zu Privatvermögen. Als Sonderprivatvermögen bezeichnet man Güter, die von Mitunternehmern in eine Personengesellschaft eingebracht werden.

Aus Sicht des Steuerpflichtigen ist es essenziell, die verschiedenen Arten des Betriebsvermögens zu kennen, um eine steuerlich korrekte Gewinnermittlung zu gewährleisten, die alle Formen des Betriebsvermögens objektiv darstellt.