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Die Vorteile von Genossenschaften: Struktur, Ziele und Rechtsform

Hört man den Begriff Genossenschaft, denkt man an eine große landwirtschaftliche Firma oder eine Bank. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken gehören als Zusammenschluss in Deutschland beispielsweise zur größten genossenschaftlichen Finanzgruppe mit mehr als 700 Banken. Auch Wohnungsgenossenschaften, wie die Neue Lübecker Norddeutsche Baugenossenschaft eG mit mehr als 15.000 Wohnungen oder Energiegenossenschaften und Genossenschaften aus den Sparten Wirtschaft, Handel und Dienstleistungen sind aus Deutschland nicht wegzudenken.
Inhaltsverzeichnis

Genossenschaften haben in der deutschen Wirtschaft eine lange Tradition. Sie sind ein elementarer Bestandteil unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Mit Genossenschaften verbinden die meisten Menschen Eigenschaften und Werte wie Solidarität, Mitbestimmung und einen gemeinschaftlichen Ansatz, um wirtschaftliche und soziale Interessen ihrer Mitglieder zu fördern.

Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über Genossenschaften in Deutschland. Er erklärt, welche Formen von Genossenschaften man in Deutschland unterscheidet und für wen sich die Gründung einer Genossenschaft rechnet. Darüber hinaus geht die Abhandlung auf rechtliche Vorgaben und Gesetze und die offenkundigen Vor- und Nachteile von Genossenschaften ein. Es werden zudem wichtige Fragen zur Haftung in einer Genossenschaft oder zu den laufenden Kosten einer Genossenschaft thematisiert. Am Ende des Artikels finden Sie praxisorientiert eine Anleitung zur Gründung einer Genossenschaft.

Was ist eine Genossenschaft?

Auf Grundlage des § 1 des Genossenschaftsgesetzes (GenG) gründen mindestens drei Personen eine Genossenschaft, um die wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Interessen ihrer Mitglieder in einer Firma zu fördern.

Eine Genossenschaft unterscheidet sich von anderen Rechtsformen dadurch, dass sie den Nutzen für die Mitglieder priorisiert, statt Gewinne zu maximieren. Alle Mitglieder bestimmen demokratisch über die Ausrichtung der Genossenschaft und folgen dem „Prinzip der Identität“.

Das Identitätsprinzip macht Genossenschaften einzigartig. Alle Partner in einer Genossenschaft arbeiten zusammen und besitzen gemeinsam Anteile. Die Teilnehmer steuern nicht nur Geld bei, sondern nutzen auch direkt die Angebote ihrer Organisation. Dieses Vorgehen schafft eine starke Bindung. Über diese Zusammenarbeit entstehen Vorteile und ein positiver Kontakt für jeden Einzelnen. Anders als bei gewinnmaximierten Unternehmen verbinden Genossenschaften das Geschäftliche mit dem Sozialen.

Historisches zu Genossenschaften

Als geistige Väter der Genossenschaften in Deutschland gelten Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch. Raiffeisen startete 1847 mit einem Verein für Hilfsbedürftige und gründete im Jahr 1864 den „Heddesdorfer Darlehnskassenverein“. Schulze-Delitzsch gründete 1849 seine erste Genossenschaft und im Jahr darauf einen Vorschussverein. Beide Männer arbeiteten getrennt voneinander – verfolgten aber dasselbe Ziel. Sie unterstützten Bauern und Handwerker durch Vereinigungen, in denen sich alle halfen, die Genossenschaft verwalteten und verantworteten. Andere Länder übernahmen bald diese Idee der gemeinsamen Selbsthilfe.

Info: Durch eine Novellierung des Genossenschaftsgesetzes im Jahr 2006 konnten Genossenschaften profitieren. Im Gesetz wurde die Gründungsanforderung auf 3 Mitglieder reduziert. Zudem wurden kulturelle sowie soziale Zwecke als Gründungsziele anerkannt.

Welche Formen von Genossenschaften gibt es?

Die Vielfalt der Genossenschaften in Deutschland spiegelt sich in den unterschiedlichen Branchen wider, in denen sie aktiv sind:

  • Wohnungsgenossenschaften (Anmietung von sozial-gefördertem Wohnraum)
  • Landwirtschaftliche Genossenschaften (z. B. gemeinsame Maschinen oder Absatzförderung)
  • Kreditgenossenschaften (z. B. Volksbanken und Raiffeisenbanken)
  • Energiegenossenschaften (z. B. Förderung erneuerbarer Energien)
  • Gewerbliche Genossenschaften (z. B. Einkaufs- oder Produktionskooperationen)

Diese unterschiedlichen Sparten und Branchen in denen Genossenschaften existieren zeigen, wie flexibel und anpassungsfähig die Rechtsform einer Genossenschaft ist. Jede Genossenschaft ist verpflichtet, ihren spezifischen Förderzweck klar zu definieren.

Für wen eignet sich die Gründung einer Genossenschaft?

Die Gründung einer Genossenschaft ist im Besonderen für die folgenden Gruppen empfehlenswert:

  • Unternehmer oder Organisationen, die eine gemeinsame wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Zielsetzung fördern möchten.
  • Freiberufler oder Selbstständige, die von gemeinschaftlichen Ressourcen profitieren wollen.
  • Kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die sich zusammenschließen möchten, um Kostenvorteile oder Marktzugänge zu realisieren.
  • Bürgergruppen, die Projekte wie den Bau von Windrädern oder Fotovoltaikanlagen in ihrer Stadt oder soziale Initiativen und regionale Entwicklung fördern möchten.

Was sind Besonderheiten dieser Rechtsform?

Die Arbeit von Genossenschaften ist durch klare gesetzliche Rahmenbedingungen geregelt:

  • Genossenschaftsgesetz (GenG): Das GenG bildet die zentrale Rechtsgrundlage für Gründung, Organisation und Auflösung von Genossenschaften. Es definiert die rechtlichen Vorgaben, die zu beachten sind.
  • Handelsgesetzbuch (HGB): Da Genossenschaften als Formkaufleute gelten, unterliegen sie zusätzlich bestimmten Regelungen des Handelsgesetzbuchs.

Info: Als Formkaufleute werden alle Unternehmen bezeichnet, die kraft ihrer Rechtsform als Kaufleute gelten und einen Eintrag im Handelsregister besitzen. Darunter fallen juristische Personen wie die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die Aktiengesellschaft (AG) und die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) sowie Genossenschaften (eG).

Gründung und Struktur

  • Mindestanzahl an Mitgliedern: Mindestens drei Mitglieder sind für die Gründung einer Genossenschaft erforderlich.
  • Satzung: Jede Genossenschaft benötigt eine Satzung. Sie fungiert als interne Verfassung und ergänzt gesetzliche Vorgaben.
  • Eintragung in das Genossenschaftsregister: Um nach außen hin rechtsfähig zu sein, muss eine Genossenschaft in das Genossenschaftsregister eingetragen werden.

Organe der Genossenschaft

  • Vorstand, Aufsichtsrat und Generalversammlung: Diese drei Organe sind verpflichtend. Sie übernehmen die Leitung, Kontrolle sowie die Beschlussfassung.
  • Vertreterversammlung: Bei großen Genossenschaften kann die Generalversammlung durch eine Vertreterversammlung ersetzt werden.

Steuerliche Aspekte

  • Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer: Genossenschaften unterliegen wie Kapitalgesellschaften der Körperschaftssteuer und der Gewerbesteuer.
  • Steuervorteile für bestimmte Genossenschaften: Bestimmte Arten von Genossenschaften, beispielsweise Wohnungsbau-Genossenschaften, können von steuerlichen Vergünstigungen profitieren. Unter anderem können sie von der Körperschaftssteuer oder der Gewerbesteuer befreit werden. Außerdem können sie steuerbegünstigt Rücklagen für langfristige Investitionsvorhaben, beispielsweise die energetische Gebäudesanierungen bilden.

5 Besonderheiten, die bei Genossenschaften beachtet werden müssen

  1. Ein Mitglied, eine Stimme: Alle Entscheidungen werden basisdemokratisch getroffen, unabhängig von der Einlage eines Mitglieds.
  2. Haftungsbegrenzung: Die Haftung beschränkt sich im Regelfall auf das Vermögen der Genossenschaft.
  3. Flexibilität: Für kleinere Genossenschaften mit weniger als 20 Mitglieder gibt es Vereinfachungen bei der Jahresabschlussprüfung, die auf Grundlage von § 53a GenG alle zwei Jahre greift.
  4. Feste Satzung: Jede Genossenschaft benötigt eine Satzung, in der die internen Regelungen, Haftungsfragen und Geschäftsanteile festgeschrieben werden.
  5. Pflichtmitgliedschaft in einem Prüfungsverband: Diese Pflichtmitgliedschaft schützt die Genossenschaft und ihre Mitglieder vor Risiken. Der § 11 GenG erklärt,dass eine gutachtliche Äußerung des Prüfungsverbandes feststellt, „ob nach den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere der Vermögenslage der Genossenschaft, eine Gefährdung der Belange der Mitglieder oder der Gläubiger der Genossenschaft zu erwarten ist.“

Was sind die Vor- und Nachteile von Genossenschaften?

Es gibt verschiedene Vorteile und ebenso Herausforderungen, die auf die Mitglieder von Genossenschaften zukommen.

Vorteile

  • Demokratische Mitbestimmung: Jedes Mitglied hat ein gleiches Stimmrecht. Es besteht ein zielorientierter Kontakt und ein Gemeinschaftssinn zwischen den Mitgliedern.
  • Flexibilität: Gründung bereits ab drei Personen möglich.
  • Kapitalrückzahlung: Austretende Mitglieder erhalten ihre Anteile zurück.
  • Förderung des Gemeinschaftsgedankens: Nicht die übliche Gewinnmaximierung, sondern die Förderung der Mitglieder steht im Mittelpunkt der Genossenschaft.
  • Steuerliche Vorteile: Durch Rückvergütungen können Steuervorteile entstehen. Bestimmte Genossenschaften können zudem von der Steuerzahlung entbunden werden.

Nachteile

  • Hoher Verwaltungsaufwand: Vor allem in der Gründungsphase entsteht ein hoher bürokratischer und organisatorischer Aufwand.
  • Eingeschränkte Gewinnorientierung: Die genossenschaftliche Struktur eignet sich nicht für Unternehmungen, die primär auf Gewinnmaximierung ausgerichtet sind.
  • Abhängigkeit von Mitgliedern: Eine starke Mitgliederfluktuation bei Streitigkeiten oder Differenzen zur Ausrichtung kann die Stabilität der Genossenschaft beeinträchtigen.

Kosten und Zeitaufwand für die Gründung einer Genossenschaft

Anders als bei anderen Gesellschaften, ist für die Gründung einer Genossenschaft kein Mindestkapital erforderlich. Trotzdem fallen bei der Gründung einer eG Kosten an, die proaktiv vom Vorstand einbezogen werden müssen.

  1. Prüfungsgebühren, für die vorherige Prüfung durch den genossenschaftlichen Prüfungsverband.
  2. Notarkosten, für die Eintragung ins Genossenschaftsregister beim zuständigen Amtsgericht.
  3. Mitgliedsbeiträge, für die laufende Mitgliedschaft im Prüfungsverband. Dieser errechnet sich entweder umsatzabhängig oder in Form eines Mindestbeitrags.

Zeitlich sollten Gründer von Genossenschaften circa drei bis sechs Monate für den gesamten Prozess der Gründung einplanen.

Wie haftet man in einer Genossenschaft?

Eine eingetragene Genossenschaft (eG) haftet als juristische Person ausschließlich mit ihrem Gesellschaftsvermögen. In Bezug auf die Haftung ist eine Genossenschaft vergleichbar mit anderen Kapitalgesellschaften.

Gläubiger haben bei Verbindlichkeiten ausschließlich Zugriff auf das Vermögen der Genossenschaft. Der Vorstand haftet nicht persönlich. Die Mitglieder haften in der Höhe ihrer gezeichneten Geschäftsanteile. Eine persönliche Haftung der Mitglieder besteht nicht, außer die Satzung legt eine Nachschusspflicht fest. Bei einer vereinbarten Nachschusspflicht zahlen die Mitglieder bei finanziellen Schwierigkeiten der Genossenschaft zusätzliche Einlagen ein, wodurch sich ihre Haftung erhöht.

Kann man einer bestehenden Genossenschaft beitreten?

Es ist jederzeit möglich einer bestehenden Genossenschaft beizutreten. Für viele Geschäftsleute bietet eine Genossenschaft zahlreiche Vorteile. Offensichtliche Mehrwerte sind die gemeinsame Nutzung von Ressourcen wie Maschinen oder Anlagen und die Förderung gemeinsamer Interessen. Zum Beitritt benötigen potenzielle Mitglieder in der Regel:

  1. Eine schriftliche Beitrittserklärung, die die Absicht eines neuen Mitglieds bekundet, der Genossenschaft beizutreten.
  2. Die Zahlung der Einlage gemäß der Satzung der Genossenschaft: Diese hängt von der Größe oder vom Zweck der Genossenschaft ab. Diese Einlage dient der Finanzierung der gemeinsamen Vorhaben.
  3. Die Zustimmung der bestehenden Genossenschaftsorgane. Sie prüfen den Beitritt und müssen ihn offiziell bestätigen.

Der Austritt aus der Genossenschaft ist ebenfalls unkompliziert geregelt. Beim Austritt werden die Einlagen der Mitglieder gemäß den in der Satzung festgelegten Bedingungen zurückgezahlt. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass hierbei oft Kündigungsfristen oder spezifische Bedingungen zu berücksichtigen sind, die in der Satzung festgelegt sind.

Checkliste: Wie gründet man eine Genossenschaft?

Die Gründung einer Genossenschaft ist in 5 klar definierten Schritten möglich:

Erstellung eines BusinessplansMit der Aufstellung eines Businessplans beginnt die Vorphase der Genossenschaftsgründung. Der Businessplan beschäftigt sich mit der Planbarkeit, Rentabilität und Finanzierung der Genossenschaft. Der Plan beinhaltet konkrete Ziele, einen detaillierten Finanzplan sowie die operativen Abläufe und Zuständigkeiten. Geldgeber und Förderer bewerten die Genossenschaft anhand des Businessplans.
Satzung festlegenDie Satzung regelt die rechtlichen und organisatorischen Grundlagen der Genossenschaft. Sie definiert Namen, Sitz, Geschäftszweck sowie die Rechte und Pflichten der Mitglieder. Zusätzlich legt sie die Organe (Vorstand, Aufsichtsrat) und die Gewinnverteilung fest. Eine präzise, rechtskonforme Ausarbeitung verhindert spätere Konflikte.
Durchführung der GründungsversammlungDie Gründungsversammlung markiert den Start der Genossenschaft. Die Gründungsmitglieder beschließen die Satzung und bekennen sich zu den Genossenschaftszielen. Sie wählen den Vorstand und den Aufsichtsrat. Er ist für die operative und strategische Führung zuständig. Ein Protokoll dokumentiert alle Beschlüsse der Versammlung.
Mitgliedschaft in einem PrüfungsverbandDas Gesetz schreibt den Beitritt der Genossenschaft in einen Prüfungsverband vor. Der Verband prüft die wirtschaftliche Tragfähigkeit und erstellt ein Gutachten für die Eintragung. Die Prüfung umfasst die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells und die Realisierbarkeit der Finanzplanung. Regelmäßige Prüfungen durch den Verband sichern die dauerhafte Qualität und Stabilität.
Eintrag ins Genossenschaftsregister (Registergericht)Das Amtsgericht trägt die Genossenschaft nach positivem Gutachten ins Genossenschaftsregister ein. Die Eintragung im Registergericht erfordert die Satzung, das Gründungsprotokoll und das Verbandsgutachten. Die eingetragene Genossenschaft erhält den Status einer juristischen Person und beginnt ihre Geschäftstätigkeit. Sie handelt rechtlich selbstständig und befolgt die gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben.