Onboarding und das Thema Sicherheit
Selbst eine bestens gebildete und mitunter langjährig erfahrene Fachkraft ist bei ihrer Einstellung in gewisser Hinsicht ein Neuling. Das gilt zumindest für alles im Beruf, was sich auf Ihr Unternehmen und seine individuellen Charakteristika bezieht – angefangen bei den internen Strukturen, den Arbeitsabläufen und dem Gebäude-Layout.
Wenn Sie den beruflichen Teil des Onboardings stringent und geplant durchführen, machen Sie es schon besser als viele andere. Doch wo ein gutes Onboarding einen Mitarbeiter tatsächlich sauber in den Arbeitsplatz eingliedern kann, wird das Thema Sicherheit speziell bei Büroberufen oftmals vernachlässigt. Die Folgen reichen von unnötig erhöhter Gesundheitsbelastung bis zu womöglich fatalem Fehlverhalten in Gefahrenlagen.
Lesen Sie deshalb jetzt, wie Sie es in Ihrem Hause besser machen können – egal wie weit weg der Gedanke an Arbeitsunfälle im Büro auf den ersten Blick sein mag. Womit wir bereits beim ersten Tipp wären:
1. Sehen Sie das Büro als tatsächlichen Hort möglicher Gefahren
Warum wird die Sicherheit beim Onboarding häufig vernachlässigt? Häufig liegt es daran, dass viele Führungskräfte das Büro selbst nicht als wirklich gefahrenträchtig ansehen. Der Tenor: „Was soll hier schon passieren?“.
Insbesondere im Vergleich mit Orten wie etwa dem Lager oder einer Produktionsstraße mag das Büro tatsächlich ein weniger gefahrenträchtiger oder körperlich anspruchsvoller Arbeitsplatz sein. Daraus jedoch abzuleiten, im Büro könne generell nichts passieren, wäre falsch und gefährlich.
Zwar gibt es hier tatsächlich keine lauten Maschinen, keine Gefahrstoffe und keine tonnenschweren Lasten. Wohl aber
- kann die Büroarbeit auf Dauer in ergonomischer Hinsicht ähnlich belastend sein wie so mancher „körperliche“ Beruf,
- sind einige Gefahren nahezu universell (etwa Stolpern und Fallen) und
- können sich Gefahren, die in anderen Abteilungen entstehen, auf das Büro auswirken; etwa Brände.
In vielen Betrieben, in denen das Office nur eine Abteilung unter vielen ist, entsteht daraus sogar eine Diskrepanz: Während die Sicherheit und das Gefahrenbewusstsein in Lager und Co. vielfach hervorragend sind, wird das Büro durch die Vernachlässigung der dortigen Belastungen und Risiken teils sogar ein unsichererer Ort – wenigstens unsicherer, als es allein schon durch ein sicherheitsbewusstes Onboarding möglich wäre.
Derartiges zu vermeiden und Awareness zu verschaffen sollte Ihr erstes Anliegen sein. Daher ist es nötig, sich selbst der Risiken im Büro bewusst zu werden. Werfen Sie dazu gerne einen Blick auf Statistiken. Etwa diejenigen zu Belastungen am Arbeitsplatz oder den häufigsten Auslösern von Arbeitsunfällen – von denen viele auch im Büro auftreten. Dazu sollte es ebenfalls gehören, in Ihrem Team ein Bewusstsein zu schaffen.
2. Nehmen Sie die DGUV-Unterweisungspflichten ernst
Es gibt keinen Arbeitsplatz, keinen Beruf, der in Deutschland in Sachen Arbeitssicherheit nicht durch diverse Gesetze sowie davon abgeleitete Vorgaben und Normen abgedeckt wird – etwa die Vorschriften der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) oder der Berufsgenossenschaften (BG).
Unter anderem sind Sie daher durch die DGUV verpflichtet, Mitarbeiter umfassend zum Thema Sicherheit zu unterweisen. Konkret in vier individuellen Fällen:
- Immer dann, wenn ein neuer Mitarbeiter eingestellt wird.
- Für alle Teammitglieder in einem jährlichen Turnus.
- Individuell bei Änderungen im Tätigkeitsfeld bzw. Aufgabenbereich.
- Bei der Einführung neuer Arbeitsmittel, Prozesse oder Technologien.
Der Arbeitsort Büro ist hiervon explizit nicht ausgenommen. Im Gegenteil, in Form der DGUV-Regel 115-401 existiert sogar ein eigenes umfassendes Werk, das sich ausschließlich mit dem Thema Arbeitsschutz in diesem Umfeld befasst.
Definitiv wird für Ihren Betrieb eine Gefährdungsbeurteilung existieren. Diese können Sie zusammen mit der erwähnten DGUV-Regel zur perfekten Basis machen, um neu hinzukommende Office-Teammitglieder zu briefen und solche Schulungen immer wieder zu wiederholen.
3. Bleiben Sie nicht nur auf einer theoretischen Ebene
Bei vielen Aspekten des Onboarding-Prozesses genügt es völlig, neuen Mitarbeitern in Form von mündlichen Erläuterungen und schriftlichen Handouts zu assistieren. Denken Sie etwa an bestimmte Bezeichnungsformate für Dateien. Bei verschiedenen Punkten von Arbeitssicherheit und Ergonomie kann eine solche Herangehensweise jedoch zu wenig Wirkung entfalten. Sie bleibt für die Mitarbeiter zu theoretisch und daher mitunter zu abstrakt.
Nehmen wir das Thema Brandschutz- und Bekämpfung. Natürlich könnten Sie, etwa im Rahmen der Unterweisung, laminierte Übersichtskarten aushändigen. Auf denen wären beispielsweise die Lage aller Notausgänge, Feuerlöscher, Brandmelder und Brandschutztüren eingezeichnet. Ausreichend wäre das jedoch keinesfalls:
- Karten- und Grundrissansichten sind für viele Menschen schwerverständlich. Erst recht, wenn sie neu in dieser Umgebung sind.
- Solche „Theorie-Materialien“ tendieren dazu, nach einem Briefing so schnell nicht wieder betrachtet zu werden.
- Selbst im Büro befindet sich nicht jeder dauerhaft an seinem Schreibtisch. Dadurch wird diese Lösung immer dann unbrauchbar, wenn etwas abseits des Computerarbeitsplatzes geschieht – denn das Teammitglied müsste nicht nur einen solchen Grundriss dauernd bei sich tragen, sondern sich rasch und richtig darauf orientieren können.
Wir empfehlen daher dringend, diese Theorie zusammen mit der Praxis zu verbinden. Führen Sie neue Teammitglieder durch die Räume und zeigen Sie ihnen, wo sich alles befindet. Verweisen Sie jedoch nicht nur auf Feuerlöscher und Co., sondern erläutern Sie, was zu tun und zu unterlassen ist.
Brandschutztüren etwa funktionieren automatisch, können aber ebenso händisch geschlossen werden, wenn sie eine Feststelleinrichtung besitzen. Zu diesem Zweck dürfen sie zu keiner Zeit blockiert werden. Neue Mitarbeiter sollten deshalb sowohl erfahren, wo diese Türen liegen als auch aktiv selbst erleben, wie sie sich selbsttätig schließen, manuell schließen lassen – und geöffnet werden können.
In gleicher Manier sollten die neuen Mitglieder kürzesten Wege aus der Abteilung ins Freie durch Abgehen gezeigt bekommen. Derartiges „Learning by doing“ prägt sich erfahrungsgemäß viel besser ein als theoretische Erläuterungen – und ist daher selbst im Stress eines Ausnahmefalls deutlich präsenter.
4. Halten Sie regelmäßige Übungen ab
Aus Sicht von Arbeitssicherheit und Ergonomie stellen sich nicht nur neuen Angestellten in Ihrem Haus, sondern insbesondere Berufsneulingen darunter manche Fragen. Etwa:
- Wie muss ich meinen konkreten Stuhl und Schreibtisch für vollwertige Ergonomie einstellen?
- Woran erkenne ich, dass im Haus ein echter Notfall vorliegt? Wie würde ich hierbei alarmiert werden?
- Welche Meldeketten gibt es? Wen müsste ich beispielsweise bei einem gesundheitlichen Notfall (oder dem eines Kollegen) wie verständigen?
- Wie bediene ich, beispielsweise bei einem Brand im Kopierraum oder auf dem Herd der Teeküche, die Löschmittel richtig?
- Wie wirken die Fluchtwege, wenn sie nicht mehr so gut ausgeleuchtet sind wie an einem normalen Arbeitstag? Etwa nur unter Notbeleuchtung oder sogar verraucht?
Zu einigen dieser Punkte mag es in Ihrem Betrieb (pflichtgemäß) besonders befähigte Mitarbeiter geben; etwa Ersthelfer oder Brandschutzbeauftragte. Doch wo der Ersthelfer schon ab zwei anwesenden Beschäftigten zwingend notwendig ist, ist der Brandschutzbeauftragte optional, solange nicht etwa bestimmte Branchen- oder Versicherungsvorgaben einen fordern.
Außerdem:
- Erneut gilt: Grau ist alle Theorie.
- Auch befähigte Mitarbeiter können abwesend sein.
- Entschlossenes Handeln von Laien hat schon vielfach Leben gerettet.
Aus all diesen Gründen heraus sollten Sie zumindest für die Onboarding-Kollegen zeitnah praktische, professionell geführte Instruktions- bzw. Übungseinheiten abhalten. Mitunter können Sie Neueinstellungen sogar zum Anlass nehmen, für das gesamte Büro-Team Auffrischungen durchzuführen. Schwerpunkte:
- Das Nutzen bzw. Aussehen der Fluchtwege und Notbeleuchtungen bei Dunkelheit und ausgeschalteter/reduzierter Beleuchtung.
- Das Handling, Bereitmachen und Einsetzen von Feuerlöschern und Löschdecken.
- Der Klang und andere Eigenschaften von Alarmen im Haus.
- Medizinisches Notfall-Basiswissen wie das Stillen von Blutungen, den Einsatz von Auto-Defibrillatoren, Mund-zu-Mund-Beatmung, die Heimlich-Methode oder die stabile Seitenlage.
Solche Praxis-Einheiten können entweder durch die dafür vorgesehenen Spezialisten in Ihrem Haus durchgeführt werden oder durch externe Dienstleister. Wichtig ist nur, dass Ihre neuen Mitarbeiter all dieses Wissen bereits in den ersten Tagen geliefert bekommen. Schlicht aus dem Grund, weil schon am allerersten Arbeitstag ein solcher Notfall eintreten könnte – und es definitiv nicht immer möglich ist, sich einfach den erfahreneren Kollegen anzuschließen.
5. Vergessen Sie nicht die Kollegen im Homeoffice
Sofern es bei Ihnen neue Mitarbeiter eingestellt werden, die sich dauerhaft im Homeoffice befinden, könnten Sie mitunter denken, diese könnten von derart umfassenden Maßnahmen ausgeklammert werden.
Das stimmt jedoch ganz und gar nicht. Denn Ergonomie sowie verhaltensbezogene Risiken existieren völlig unabhängig vom Arbeitsort. Teils wirken sie in Heimarbeit sogar noch stärker, weil die Mitarbeiter dort je nach Lebenssituation völlig auf sich allein gestellt sein werden.
Nicht zuletzt werden solche Neueinstellungen meist zumindest für einige Tage im Unternehmen sein, um dort eingearbeitet zu werden – und vielleicht immer mal wieder zu Gast sein.
Daher sollten Sie diesbezüglich jede neue Fachkraft unterschiedslos behandeln. Selbst, wenn im Homeoffice beispielsweise die Lage von Brandbekämpfungsmitteln irrelevant sein mag, so sind viele andere Handlungsweisen es jedoch nicht und können daher in Berufsalltag und Notfall einen Unterschied machen.