Stochastische Strahlenschäden: Definition, Folgen und Beispiele
- Was sind stochastische Strahlenschäden?
- Wie entstehen stochastische Strahlenschäden?
- Was ist der Unterschied zwischen deterministischen und stochastischen Strahlenschäden?
- Was sind die Folgen von stochastischen Strahlenschäden?
- Stochastische Strahlenschäden von Hiroshima
- Gesundheitliche Folgen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl
Was sind stochastische Strahlenschäden?
Unter den stochastischen Strahlenschäden werden Strahlenschäden verstanden, die auf Veränderungen der DNA, an dem Erbmaterial einer Zelle, basieren. Solche Strahlenschäden entstehen durch ionisierende Strahlen. Zu dem bekanntesten stochastischen Strahlenschaden zählt Krebs.
Das Charakteristische bei stochastischen Strahlenschäden: Sie können in Körper- und Keimzellen auch bei niedriger ionisierender Strahlung auftreten. Sowohl bei einer hohen als auch niedrigen Strahlendosis kann ein stochastischer Schaden auftreten, er muss es jedoch nicht. Nimmt die Strahlenexposition allerdings zu, wird die Wahrscheinlichkeit eines Schadens höher. Zwischen der Einwirkung der Strahlen und dem Ausbrechen der Erkrankung können Jahre oder Jahrzehnte vergehen.
Wie entstehen stochastische Strahlenschäden?
Stochastische Strahlenschäden treten mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit auf und das meistens erst Jahre oder Jahrzehnte, nachdem die Bestrahlung stattgefunden hat.
Die genetische Information einer Zelle kann sich durch die Dosis der Strahlung verändern. Dies geschieht durch eine unzureichende oder fehlerhafte Reparatur des Erbgutes. Im Rahmen des natürlichen Prozesses der Zellteilung vermehren sich auch die mutierten Zellen. Durch diesen Vorgang können Jahre nach der Strahlenexposition Krebserkrankungen entstehen. Wenn die DNA in den Keimzellen – im Hoden sowie in den Eierstöcken – produziert wird, kann dies in den nachfolgenden Generationen zu Erbschäden führen.
Was ist der Unterschied zwischen deterministischen und stochastischen Strahlenschäden?
Wie bereits erwähnt unterscheidet der Strahlenschutz zwischen deterministischen und stochastischen Strahlenschäden. Beide Schadenstypen weisen einen unterschiedlichen Zusammenhang zwischen der verabreichten Dosis auf den Organismus und der darauffolgenden Wirkung auf.
Während es bei deterministischen Schäden auf die Überschreitung des Schwellenwerts (500 Millisievert) ankommt, bei der die Schäden stark ansteigen, geht man bei den stochastischen Strahlenschäden davon aus, dass es keinen Schwellenwert gibt.
Schon eine kleine Strahlendosis kann bereits zu Erbgutschäden innerhalb der Körper- und Keimzellen führen. Liegt die Dosis bei deterministischen Schäden dagegen unter 500 Millisievert, ist die Gefahr von Schäden im Körper gering.
Demnach ist es essenziell, stets die Grenzwerte im Strahlenschutz einzuhalten.
Was sind die Folgen von stochastischen Strahlenschäden?
Bei stochastischen Strahlenschäden ist es egal, ob die Dosis über Jahre gering oder einmalig sehr hoch ist. Bei beiden Fällen kann Leukämie sowie Knochen-, Lungen-, Schilddrüsen- und Brustkrebs auftreten. Wie bereits erwähnt zählen auch die erblichen Schäden zu den stochastischen Schäden, die auftreten können.
Stochastische Strahlenschäden von Hiroshima
Das beste Beispiel für das Auftreten von stochastischen Strahlenschäden ist das Abwerfen der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki gegen Ende des zweiten Weltkriegs. Die Strahlenwirkung ist zum Teil bis heute verheerend, denn noch Jahre nach Kriegsende wurden Menschen mit Verstümmelungen geboren.
Darüber hinaus wurde bei vielen Neugeborenen eine geistige Behinderung diagnostiziert. Verantwortlich dafür war die hohe Dosis der Strahlung, die durch den Bombenabwurf ausging. Das Erbgut der Zellen der Menschen wurde durch die Radioaktivität drastisch verändert und an die Nachfolgegenerationen weitergegeben. Darüber hinaus litten zahlreiche Überlebende nach Kriegsende an verschiedenen Krebsarten. Leukämie trat sehr häufig auf.
Gesundheitliche Folgen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl
Die Katastrophe von Tschernobyl hat in den ersten zehn Tagen nach dem Unfall dazu geführt, dass große Mengen radioaktiven Materials freigesetzt und über große Flächen der ehemaligen Sowjetunion sowie auch in wesentlich geringerem Maß über Regionen in Skandinavien und Mitteleuropa verteilt wurden. In den Gebieten mit der höchsten Strahlenbelastung lebten zum Zeitpunkt des Unfalls etwa fünf bis sieben Millionen Menschen.
Bis heute gibt es zu der Zahl der durch den Unfall selbst verursachten Todesfälle und der noch zu erwartenden Todesfälle infolge von Krebserkrankungen unterschiedliche Angaben. Wissenschaftler führen mehr als 30 Jahre nach dem Reaktorunfall eine hitzige Debatte darüber.
Akute stochastische Schäden durch den Reaktorunfall
Akute stochastische und deterministische Strahlenschäden wurden bisher bei den Einsatzkräften und Beschäftigten beobachtet, die unmittelbar nach dem Unfall an den Aufräumarbeiten beschäftigt waren. Ein wirksamer Strahlenschutz für die Menschen war nicht vorhanden. Und bis heute ist ein hundertprozentiger Schutz vor der Strahlung nicht vorhanden.
Die Zahl der Schilddrüsenerkrankungen bei Personen, die als Kinder in den betroffenen Regionen gelebt haben, ist heutzutage deutlich erhöht. Die international tätige Organisation International Physicians for the Prevention of Nuclear War (IPPNW) prognostiziert bis 2056 rund 240.000 zusätzliche Krebsfälle aufgrund des Reaktorunfalls.
Frühschäden durch stochastische Strahlung
Der Reaktorunfall von Tschernobyl hat in weiten Teilen der Bevölkerung zu Früh- und Spätschäden geführt. Aufgrund schwerer Verletzungen und Verbrennungen infolge der Explosion sind zwei Menschen gestorben.
Aus einem Gutachten, das bereits 2005 erschienen und von der Internationalen Atomenergie-Behörde veröffentlicht wurde, geht hervor, dass bei insgesamt 134 Notfallhelfern ein akutes Strahlensyndrom diagnostiziert wurde. Obwohl eine Behandlung sofort erfolgte, verliefen 28 davon tödlich.
Weitere 19 Personen starben laut Bericht in den Folgejahren bis 2004. Allerdings konnte man diese Todesfälle nicht eindeutig auf eine Strahlenexposition zurückführen.
Spätschäden durch stochastische Strahlung
In der ehemaligen Sowjetunion wurde nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl ein erheblicher Anstieg an Schilddrüsenkrebserkrankungen beobachtet. Insbesondere Kinder und Jugendliche waren von den Erkrankungen betroffen.
Von 1991 bis 2005 seien es 6.900 Schilddrüsenkrebserkrankungen in den Gebieten rund um den Reaktor gewesen. Laut weiteren Angaben des Berichts sei die Krebsart um ein Sechsfaches angestiegen, vor allem bei Kindern unter zehn Jahren.
Offensichtlich sei dies eine direkte Folge der Strahlenexposition gewesen, da ohne Strahlenbelastung Schilddrüsenkrebs bei Kindern und Jugendlichen selten auftritt.
Abschätzung zu erwartender Krebsfälle aufgrund der Tschernobyl-Katastrophe
Die International Agency for Research on Cancer (IARC) hat 2005 die Zahl der in Europa auftretenden, strahlungsbedingten Krebsfälle auf 25.000 geschätzt. Allerdings gilt hier ein Unsicherheitsbereich von 11.000 bis 59.000. Wie das IARC schätzt, werden rund 16.000 dieser Krebsfälle tödlich verlaufen.
Das Tschernobyl-Forum (2005) geht aufgrund der Expositionsabschätzungen und auf Basis der etablierten Risikokoeffizienten davon aus, dass man in den radioaktiven kontaminierten Gebieten in den kommenden Jahren mit bis zu 4.000 Todesfällen durch Krebserkrankungen rechnen muss. In Deutschland konnte man aufgrund der Höhe der Strahlenbelastung durch den Tschernobyl-Unfall akute Strahlenschäden bislang ausschließen.