Dies ist eine Infografik mit der Aufschrift: "Psychische Erkrankung als Arbeitsuntall gewertet - Das müssen Sie als Arbeitgeber beachten".

Psychische Erkrankung – ein Arbeitsunfall? Urteil

Wann liegt ein Arbeitsunfall vor – und wann nicht? Immer dann, wenn ein gesundheitlicher Schaden eintritt, stellt sich diese Frage. Doch gerade bei psychischen Gesundheitsschäden ist die Abgrenzung zu einem Arbeitsunfall nicht immer eindeutig. Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, dass eine psychische Erkrankung als Arbeitsunfall anerkannt wird, und ob auch eine dauerhafte psychische Belastung oder ein Burnout als Arbeitsunfall betrachtet wird, zeigen wir Ihnen in diesem Artikel.
Inhaltsverzeichnis

Wird eine psychische Erkrankung als Arbeitsunfall anerkannt?

Ja, auch eine psychische Erkrankung kann als Arbeitsunfall anerkannt werden. In diesem Fall ist die psychische Störung auch von der gesetzlichen Unfallversicherung gedeckt. Allerdings ist die Anerkennung einer psychischen Erkrankung als Arbeitsunfall an spezielle Voraussetzungen geknüpft.

Voraussetzungen: Wann wird eine psychische Erkrankung als Arbeitsunfall anerkannt?

Eine psychische Erkrankung wird lediglich als Arbeitsunfall anerkennt, wenn die folgenden zwei Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Das psychische Krankheitsbild muss gemäß einem anerkannten Diagnosemanual wie dem ICD oder DSM positiv diagnostiziert und objektiv bestätigt werden.
  2. Die psychische Erkrankung muss unmittelbar auf ein Unfallereignis zurückzuführen sein. Dabei muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit belegt werden, dass das Ereignis die wesentliche (Mit-)Ursache für die psychische Erkrankung war.

Bei letzterem gilt die sogenannte „Theorie der rechtlich wesentlichen Ursache„, die besagt, dass das arbeitsbedingte Ereignis maßgeblich zum Ausbruch der Erkrankung beigetragen haben muss.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann die psychische Erkrankung als Arbeitsunfall anerkannt werden.

Psychische Erkrankung durch dauerhafte Belastung – ein Arbeitsunfall?

Sollte eine psychische Erkrankung durch eine dauerhafte Belastung am Arbeitsplatz auftreten, kann diese psychische Störung nicht als Arbeitsunfall anerkennt werden.

Der Grund: Für die Anerkennung einer psychischen Erkrankung als Arbeitsunfall muss nachgewiesen werden, dass sie durch ein einmaliges, akutes und belastendes Ereignis im Arbeitsumfeld ausgelöst wurde. Denn hier ist die Definition eines Arbeitsunfalls maßgeblich: „Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen,“ (§ 8 Abs.1 S. 2 SGB VII).

Beispiele hierfür wären:

  • schwerer Unfall,
  • eine plötzliche Bedrohung oder
  • eine traumatische Erfahrung.

Ist der direkte Zusammenhang zu einem einmaligen Unfall nicht gegeben, wird eine psychische Erkrankung in der Regel nicht als Arbeitsunfall anerkannt.

Wird ein Burnout als Arbeitsunfall anerkennt?

Nein, ein Burnout wird in der Regel nicht als Arbeitsunfall anerkannt. Denn ein Burnout entsteht oft durch langfristige berufliche Überlastung oder chronischen Stress. Ein Burnout entwickelt sich demnach schleichend. Da ein Arbeitsunfall jedoch ein plötzliches, zeitlich begrenztes Ereignis voraussetzt, passt die schrittweise Entstehung eines Burnouts nicht in diese Definition.

Beispiel: Psychische Erkrankung als Arbeitsunfall anerkannt – das Urteil

Wenn eine psychische Belastung während der Arbeit entsteht und daraus ein Gesundheitsschaden wird, liegt ein Arbeitsunfall vor. Das besagt auch ein Urteil des Hessischen Landessozialgerichts in Darmstadt. Den Fall stellen wir Ihnen nachfolgend vor.

Linktipp: Sie finden das Urteil im Internet unter der Kennung „Hessisches Landessozialgericht“. Urteil vom 17.10.2017, Az. L 3 U 70/14.

Der Fall: Psychische Erkrankung einer Mitarbeiterin

Eine Mitarbeiterin in einem Servicezentrum der deutschen Bahn erhielt während ihrer Tätigkeit von der Bahnsteigaufsicht einen Rucksack, dessen Inhalt sie im Beisein eines Kollegen dokumentierte. Später stellten Beamte der Bundespolizei fest, dass Geld, Schmuck und eine Festplatte aus der Fundsache fehlten. Sie nahmen dann die 44-jährige Frau mit auf das Polizeirevier, wo sie sich komplett entkleiden und einer Leibesvisitation unterziehen musste. Dabei fühlte sie sich ausgeliefert, hilflos und ohnmächtig.

In der Folge löste diese – aus Sicht der Frau ungerechtfertigte Maßnahme – bei ihr eine psychische Erkrankung aus. Die Unfallversicherung lehnte aber eine Anerkennung als Arbeitsunfall ab und meinte, es habe sich bei der polizeilichen Kontrolle um eine private Verrichtung gehandelt, die den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz unterbrochen habe.

Das Urteil: Psychische Folgeerkrankung als Arbeitsunfall gewertet

Das Gericht in Darmstadt folgte dieser Begründung nicht und verurteilte die Versicherung zur Anerkennung der polizeilichen Maßnahmen als Arbeitsunfall. Es kam dabei zu der folgenden Begründung.

Begründung: Warum gilt die psychische Erkrankung als Arbeitsunfall?

Mitarbeiterin wurde „Opfer der Situation“ Es war wohl entscheidend, dass die Arbeitnehmerin nicht selbst aktiv etwas getan hatte, was zu der späteren psychischen Belastung geführt hat. Als Sachverständiger möchte ich dies noch ergänzend erläutern: Da kein aktives Handeln vorlag, die Frau also quasi „Opfer der Situation“ wurde, ist die daraus entstehende psychische Erkrankung eine Folge der beruflichen Situation – und für diese Folge muss die Berufsgenossenschaft dann natürlich aufkommen.

Was bedeutet dieses Urteil für Sie als Arbeitgeber?

Die Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich psychischer Belastungen bekommt damit eine noch viel größere Rolle im betrieblichen Arbeitsschutz. Bislang konnten sich viele herausreden und betonen, dass auch eine private Komponente dabei eine wesentliche Rolle spielen könnte. Mit diesem Urteil ist das Argument jetzt vom Tisch. Das Gericht hat nicht eine genetische Disposition oder eine frühere traumatische Erfahrung berücksichtigt, sondern eindeutig auf die jeweiligen Verhältnisse Bezug genommen.

Rechtshinweis: Dieser Beitrag dient nur zu Informationszwecken, stellt keine Rechtsberatung dar und kann insbesondere keine individuelle rechtliche Beratung ersetzen, welche die Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigt. Aus diesem Artikel kann auch nicht auf einen notwendigerweise ähnlichen Ausgang in anderen Fällen geschlossen werden.