Fluchtweg im Unternehmen

Fluchtweg: Gesetzliche Anforderungen – Mindestbreite und maximale Länge

Ein funktionierender Fluchtweg im Betrieb ist ein essenzieller Bestandteil des Arbeitsschutzes und kann im Ernstfall Leben retten. Ob bei einem Brand, einer Evakuierung oder einer anderen Gefahrensituation – nur durch klar gekennzeichnete und frei zugängliche Fluchtwege kann gewährleistet werden, dass Mitarbeiter und Besucher das Gebäude sicher und zügig verlassen können. In jedem Unternehmen müssen Fluchtwege den gesetzlichen Vorgaben entsprechen und regelmäßig überprüft werden, um im Notfall eine reibungslose Evakuierung zu ermöglichen. Welche gesetzlichen Anforderungen ein Fluchtweg erfüllen muss, verrate ich Ihnen in diesem Beitrag.
Inhaltsverzeichnis

Was ist ein Fluchtweg?

Fluchtwege im Betrieb sind speziell gekennzeichnete und freizuhaltende Wege, die es den Mitarbeitern und Besuchern ermöglichen, im Falle eines Notfalls, wie z. B. bei einem Brand oder einer anderen Gefahrensituation, das Gebäude sicher und schnell zu verlassen. Diese Wege führen zu den Notausgängen, die in gesicherten Bereichen oder im Freien enden.

Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten ASR A2.3 definieren in ihrer neuesten Fassung vom März 2022 den Begriff Fluchtwege als „Verkehrswege, an die besondere Anforderungen zu stellen sind und die der selbstständigen Flucht aus einem möglichen Gefahrenbereich und in der Regel zugleich der Rettung von Personen dienen.“ 

Wie viele Fluchtwege muss es geben?

Die Musterbauordnung erklärt im § 33, dass es zwei voneinander getrennte Rettungswege geben muss. Dies gilt für alle Nutzungseinheiten mit mindestens einem Aufenthaltsraum wie Wohnungen, Praxen oder selbstständige Betriebsstätten. 

  • Es müssen in jedem Geschoss mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege ins Freie vorhanden sein.
  • Beide Rettungswege dürfen innerhalb des Geschosses über denselben Flur führen.
  • Für Nutzungseinheiten, die im 1. Obergeschoss oder darüber liegen, muss der erste Rettungsweg über Treppe führen.
  • Der zweite Rettungsweg kann entweder eine zweite Treppe oder eine mit Rettungsgeräten der Feuerwehr erreichbare Stelle im Gebäude sein.

Zusammenfassend müssen nach Vorgabe der Musterbauordnung zwei separate Rettungswege vorhanden sein, um im Notfall mindestens einen Rettungsweg nutzen zu können.

Arten von Fluchtwegen im Unternehmen

Es gibt zwei wesentliche Arten von Fluchtwegen in einem Betrieb: der Hauptfluchtweg und die Nebenfluchtwege.

  1. Hauptfluchtweg: Dieser führt auf dem kürzesten und sichersten Weg direkt ins Freie oder in einen sicheren Bereich. Er ist der primäre Fluchtweg, den Mitarbeiter und Besucher im Notfall nutzen sollen.
  2. Nebenfluchtwege: Diese bieten eine Ausweichmöglichkeit an Positionen im Betrieb, in denen der Hauptfluchtweg nicht mehr sicher passierbar ist. Auf Nebenfluchtwege kann verzichtet werden, insofern die Passierbarkeit des Hauptfluchtweges möglich ist – also wenn beispielsweise Maßnahmen ergriffen wurden, die die sichere Passierbarkeit des Hauptweges ermöglichen.

Eine Nebenfluchtweg kann ebenfalls über den Hauptfluchtweg führen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass letztere alle gesetzlichen Anforderungen eines Hauptfluchtweges erfüllen kann.

Welche Anforderungen bestehen an Fluchtwege?

Es gibt eine Vielzahl an gesetzlichen Anforderungen an Fluchtwege, die unter anderem in der ASR A2.3 definiert werden. Die wichtigsten Anforderungen im Überblick:

  • Fluchtwege sollten “auf möglichst kurzem Weg” unmittelbar ins Freie führen, mindestens aber zu einem gesicherten Bereich.
  • Die Anforderungen des Bauordnungsrechts der Länder müssen bereits beim Errichten der Fluchtwege beachtet werden.
  • Fluchtwege sind in ihrer erforderlichen Breite freizuhalten. Notausgänge müssen stets geöffnet werden können, eine Verstellung der Notausgänge ist durch geeignete Maßnahmen zu unterbinden.
  • Durchgangssperren gilt es zu vermeiden.
  • Falls Höhenunterschiede auf dem Fluchtweg unvermeidbar sind, sollten diese so gering wie möglich gehalten werden. In solchen Fällen müssen sie mit Schrägrampen ausgeglichen werden, die eine maximale Steigung von 6 % nicht überschreiten dürfen.
  • Der Bereich im Freien/gesicherte Bereich darf nicht die Gefahr eines Rückstaus bergen.
  • Aufzüge sind bei Fluchtwegen verboten. Lediglich Aufzüge, die zum Flucht von Menschen mit Behinderung dienen, sind zulässig, insofern diese für eine Rettung geeignet sind (Nachweis muss erbracht werden).
  • Dachflächen, die als Fluchtwege genutzt werden, müssen stabil genug sein, um das Gewicht sicher zu tragen, rutschfest ausgeführt und widerstandsfähig gegen Feuer sein.
  • Die Menge, Größe und Position der Sammelstellen muss angemessen zu der Belegschaft sein.

Wo sind die Anforderungen an Flucht- und Rettungswege geregelt?

Die detaillierten Anforderungen an Flucht- und Rettungswege sind in den Technischen Regeln für Arbeitsstätten „Fluchtwege und Notausgänge (ASR A2.3) geregelt. Die neueste Fassung vom März 2022 kann im Internet eingesehen werden. 

Wie lang darf ein Fluchtweg maximal sein?

Die ASR A2.3 definiert eindeutig, wie lang ein Fluchtweg in einem betrieblichen Gebäude maximal sein darf. Die Länge des Hauptfluchtweges wird als die kürzeste Strecke definiert, die vom Startpunkt des Fluchtweges bis zu einem Notausgang zurückgelegt werden kann. Dabei werden Einrichtungsgegenstände nicht berücksichtigt, jedoch dürfen Wände nicht durchquert werden. Die Hauptfluchtweglänge sollte so kurz wie möglich gehalten werden, muss übersichtlich verlaufen und darf maximal die folgende Distanz nicht überschreiten:

RäumlichkeitenMaximale Länge des Fluchtweges
Für Räume ohne oder mit normaler BrandgefährdungBis zu 35 Meter
Für Räume mit erhöhter Brandgefährdung mit selbsttätigen FeuerlöscheinrichtungenBis zu 35 Meter
Für Räume mit erhöhter Brandgefährdung ohne selbsttätige FeuerlöscheinrichtungenBis zu 25 Meter
Für Räume, in denen eine Gefährdung durch explosionsgefährliche Stoffe bestehtBis zu 10 Meter
Maximale Länge von Fluchtwegen

Für Räume, in denen auf Basis einer individuellen Gefährdungsbeurteilung eine abweichende Gefährdung festgestellt wird, muss unter Beachtung der geltenden Technischen Regeln ermittelt werden, ob gegebenenfalls eine geringere Länge des Fluchtweges erforderlich ist. 

Welche Mindestbreite muss ein Rettungsweg haben?

Abhängig von der Personenzahl, die einen Fluchtweg benutzt, muss dieser eine definierte Mindestbreite besitzen. Diese wird ebenfalls in der ASR A2.3 zweifelsfrei festgelegt: 

Anzahl PersonenLichte Mindestbreite von Durchgängen und TürenLichte Mindestbreite von Hauptfluchtwegen
Bis 50,80 Meter (empfohlen: 0,90 Meter)0,90 Meter
Bis 200,90 Meter1,00 Meter
Bis 500,90 Meter1,20 Meter
Bis 1001,00 Meter1,20 Meter
Bis 2001,05 Meter1,20 Meter
Bis 3001,65 Meter1,80 Meter
Bis 4002,25 Meter2,40 Meter
Mindestbreite von Fluchtwegen und Türen sowie Durchgängen auf Fluchtwegen

Abweichend gelten für Fluchtwege aus besonderen Bereichen die folgenden baulichen Vorgaben:

Fluchtwege aus besonderen SektorenLichte Mindestbreite in Metern
Gänge zu persönlich zugewiesenen Arbeitsplätzen0,60 Meter
Nebengänge von Lagereinrichtungen für die ausschließliche Be- und Entladung von Hand0,75 Meter
Türen von Toilettenzellen und von Toilettenräumen mit nur einer Toilette entsprechend ASR A4.1 „Sanitärräume“0,55 Meter
Mindestbreite von Fluchtwegen aus besonderen Sektoren

Zusätzlich gelten für Gebäude, die bis zum 30.09.2022 errichtet worden ist oder deren Bauantragsstellung zum Ende September 2022 erfolgt ist, in Teilen abweichende Regelungen bei der lichten Mindestbreite, die in der ASR A2.3 dargestellt werden. Für Sonderbauten wie Verkaufsstätten, Beherbergungsstätten oder Versammlungsstätten gelten ebenfalls alternative Bestimmungen. 

Wie müssen Fluchtwege gekennzeichnet werden?

In den Technischen Regeln für Arbeitsstätten „Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung (ASR A1.3) wird festgelegt, wie Fluchtwege gekennzeichnet werden müssen. Die Kennzeichnungen Notausgang rechts oder Notausgang links sowie Rettungsweg rechts oder Rettungsweg links müssen grundsätzlich mit einem Richtungspfeil verwendet werden. 

Mit welcher Sicherheitsbeleuchtung müssen Fluchtwege ausgestattet sein?

Eine Sicherheitsbeleuchtung muss auf Grundlage der DIN VDE V 0108-100-1 bei einem totalen Stromausfall im Gebäude weiterhin funktionieren. Rechtsgrundlagen für die Sicherheitsbeleuchtung von Fluchtwegen sind in der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und in den Technischen Regeln für Arbeitsstätten ASR 2.3 „Fluchtwege, Notausgang, Flucht- und Rettungsplan“ sowie in der ASR A3.4/3 „Sicherheitsbeleuchtung, optische Sicherheitsleitsysteme“ zu finden. 

  • Die Beleuchtungsstärke der Sicherheitsbeleuchtung für Fluchtwege muss im Mindestfall 1 Lux betragen.
  • Die Farben müssen den Anforderungen gemäß DIN ISO 3864-1 und -4 entsprechen.
  • Die Leuchtdichte der Sicherheitsfarbe muss an jeder Stelle des Sicherheitszeichens mindestens 2cd/m² betragen.

Typischerweise sind Rettungszeichen an ihrer quadratischen Form sowie der „signalgrünen“ Hintergrundfarbe mit „signalweißer“ Symbolfarbe erkennbar. 

Welche Anforderungen bestehen an Notausgänge auf Fluchtwegen? 

Als Notausgang wird ein Ausgang im Verlauf eines Fluchtweges definiert, der entweder direkt ins Freie oder in einen gesicherten Bereich führt. Notausgänge müssen ständig freigehalten werden. Können Notausgänge oder Fluchttüren von außen verstellt werden, müssen sie zwingend als Notausgang gekennzeichnet werden. Sie müssen ohne Hilfe von innen zu öffnen sein und in Fluchtrichtung aufschlagen. 

Karussell- oder Schiebetüren dürfen nicht als Notausgänge oder Fluchttüren in Gebäude eingebaut werden, wenn sie ausschließlich manuell betätigt werden können. Aufzüge sind ebenfalls unzulässig. Notausstiege weisen im Lichten mindestens 0,90 m in der Breite und mindestens 1,20 m in der Höhe auf.

Welche Anforderungen bestehen an Treppen und Treppenräume? 

Treppen und Treppenräume müssen auf Basis der § 34 und 35 der MBO ebenfalls verschiedene bauliche Vorgaben einhalten. Unter anderem sollte:

  • Jedes nicht zu ebener Erde liegende Geschoss und der benutzbare Dachraum eines Gebäudes müssen über mindestens eine Treppe oder alternativ eine Rampe mit flacher Neigung erreichbar sein. Einschiebbare Treppen sind in den Gebäudeklasse 1 und 2 zulässig. In allen anderen Gebäuden müssen Treppen starr und fest installiert sein. 
  • Treppen müssen einen festen und griffsicheren Handlauf haben.
  • Eine Treppe darf nicht unmittelbar hinter einer Tür beginnen.
  • Jede notwendige Treppe muss zur Sicherstellung der Rettungswege aus den Geschossen ins Freie in einem eigenen, durchgehenden Treppenraum liegen.
  • Jeder notwendige Treppenraum muss an einer Außenwand liegen und einen unmittelbaren Ausgang ins Freie haben.
  • Notwendige Treppenräume müssen zu beleuchten sein und müssen belüftet werden. 

Pflicht zur Unterweisung in Flucht- und Rettungswege

Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, ihre Mitarbeiter regelmäßig über die Flucht- und Rettungswege im Betrieb zu unterweisen. Diese Unterweisung muss sicherstellen, dass alle Beschäftigten:

  • die Standorte der Notausgänge, Sammelstellen und Rettungswege kennen,
  • die Kennzeichnung der Flucht- und Rettungswege verstehen und
  • wissen, wie sie sich im Ernstfall zu verhalten haben.

Die Schulungen müssen nicht nur bei der Einstellung, sondern auch in regelmäßigen Abständen sowie bei wesentlichen Änderungen der Fluchtwege durchgeführt werden. Eine jährliche Unterweisung ist Pflicht. Sollte ein Flucht- und Rettungsplan nötig sein, ist dieser im Rahmen der Unterweisung vorzulegen und zu erklären.

Ziel ist es, im Notfall eine schnelle und sichere Evakuierung zu gewährleisten.