Flucht- und Rettungswege: Anforderungen mit Checkliste

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Im Notfall retten Flucht- und Rettungswege Leben. Dieser Artikel erklärt die gesetzlichen und baurechtlichen Vorgaben und zeigt auf, wann Unternehmen einen Rettungsplan aufstellen müssen, um im Notfall vorbereitet zu sein.
Inhaltsverzeichnis

Unternehmen stehen in der Verantwortung, Flucht- und Rettungswege zu kennzeichnen und dafür zu sorgen, dass diese und die Notausgänge zu jeder Zeit genutzt werden können. Aus diesem Grund beschäftigt sich dieser Artikel im Detail mit dem wichtigen innerbetrieblichen Thema Flucht- und Rettungswege. Er erklärt den Unterschied zwischen den Begriffen Fluchtweg und Rettungsweg, zeigt die gesetzlichen Vorgaben auf und erklärt, wie Unternehmen einen Rettungsplan aufbauen. Außerdem wird dargestellt, welche Anforderungen im betrieblichen Umfeld an Treppen, Treppenräume, Notausgänge und Fluchttüren gestellt werden. 

Was sind Flucht- und Rettungswege? 

Der § 14 der Musterbauordnung (MBO) gibt wesentliche Hinweise zum Brandschutz bei der Errichtung von baulichen Anlagen. Gemäß MBO sind „bauliche Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.“ 

Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten ASR A2.3 definieren in ihrer neuesten Fassung vom März 2022 den Begriff Fluchtwege als „Verkehrswege, an die besondere Anforderungen zu stellen sind und die der selbstständigen Flucht aus einem möglichen Gefahrenbereich und in der Regel zugleich der Rettung von Personen dienen.“ 

Im Gegensatz zu einem Fluchtweg dienen Rettungswege im engeren Sinne der Fremdrettung. Über einen definierten Rettungsweg können Einsatzkräfte wie Feuerwehr, Polizei oder ein Notarzt ein Unternehmen schnellstmöglich erreichen und verletzte Personen bergen oder anderweitige Gefahren wie ein Feuer eindämmen. 

Während die verschiedenen Bauordnungen nicht zwischen Fluchtwegen und Rettungswegen unterscheiden die Sonderbauverordnungen zwischen den beiden Begriffen. 

Wann sind Flucht- und Rettungswege im Betrieb Pflicht? 

Gemäß § 4 der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) ist der Arbeitgeber verpflichtet, einen Flucht- und Rettungsplan aufzustellen, wenn Lage, Ausdehnung und Art der Benutzung der Arbeitsstätte dies erfordern. Der Plan ist an geeigneten Stellen in der Arbeitsstätte auszulegen oder auszuhängen.“

Dies ist unter anderem bei großen Industriebauten der Fall, die eine Größe von 2.000 Quadratmetern überschreiten oder bei Beherbergungsstätten und Pflegeeinrichtungen, in denen sich regelmäßig ortsfremde oder in ihrer Bewegung eingeschränkte Personen aufhalten. Bildungseinrichtungen und Unternehmen, die mit gefährlichen Stoffen arbeiten, gehören zum Kreis der Betriebe, die einen Flucht- und Rettungsplan aufstellen sollten. 

Die Arbeitsstättenverordnung verpflichtet Unternehmen ebenso im § 4, „dafür zu sorgen, dass Verkehrswege, Fluchtwege und Notausgänge ständig freigehalten werden, damit sie jederzeit benutzbar sind. Der Arbeitgeber hat Vorkehrungen so zu treffen, dass die Beschäftigten bei Gefahr sich unverzüglich in Sicherheit bringen und schnell gerettet werden können.“ 

Im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) § 10 wird ebenfalls auf Erste Hilfe und sonstige Notfallmaßnahmen im Betrieb Bezug genommen. Gemäß ArbSchG hat der „Arbeitgeber entsprechend der Art der Arbeitsstätte und der Tätigkeiten sowie der Zahl der Beschäftigten die Maßnahmen zu treffen, die zur Ersten Hilfe, Brandbekämpfung und Evakuierung der Beschäftigten erforderlich sind.“ 

Auch wenn der Gesetzgeber in der Arbeitsstättenverordnung und im Arbeitsschutzgesetz keine grundsätzliche Verpflichtung darlegt, wann Flucht- und Rettungswege im Betrieb Pflicht sind, macht es aus Unternehmenssicht viel Sinn, im Detail zu prüfen, ob ein Flucht- und Rettungsplan für den eigenen Betrieb angezeigt ist. Überall dort wo Menschen zusammen arbeiten, Maschinen und Geräte potenzielle Gefahren darstellen oder bei Unfällen in kürzester Zeit ein Brand entstehen kann, sollten Mitarbeitern die Rettungswege und Fluchtwege bekannt sein.  

Was sind die Bestandteile von Rettungswegen? 

Ein Rettungsweg in einem Gebäude kann von verschiedenen Komponenten umgeben sein, die das Bauordnungsrecht spezifiziert. Dazu gehören: 

  • Flure,
  • Treppen und Treppenräume,
  • Türen und anderweitige Ein- und Ausgänge ins Freie,
  • Rettungstunnel und Rettungsbalkone,
  • Offene Laubengänge.

Wie müssen Flucht- und Rettungswege baulich gestaltet sein?

In der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) wird im Detail erklärt, wie Flucht- und Rettungswege baulich gestaltet sein müssen: 

Bauliche Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass, 

  • Der Entstehung eines Brandes vorgebeugt wird
  • Der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird
  • Bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren möglich ist
  • Wirksame Löscharbeiten möglich sind.

Der § 5 der Musterbauverordnung bestimmt zusätzlich, dass von öffentlichen Verkehrsflächen insbesondere für die Feuerwehr ein geradliniger Zu- oder Durchgang zu rückwärtigen Gebäuden zu schaffen ist. Tragende und aussteifende Wände und Stützen müssen im Brandfall ausreichend lang standsicher sein. Außenwände und Außenwandteile wie Brüstungen und Schürzen sind so auszubilden, dass eine Brandausbreitung auf und in diesen Bauteilen ausreichend lang begrenzt ist.

Oberflächen von Außenwänden sowie Außenwandbekleidungen müssen einschließlich der Dämmstoffe und Unterkonstruktionen schwer entflammbar sein. Brandwände müssen als raumabschließende Bauteile zum Abschluss von Gebäuden (Gebäudeabschlusswand) oder zur Unterteilung von Gebäuden in Brandabschnitte (innere Brandwand) ausreichend lang die Brandausbreitung auf andere Gebäude oder Brandabschnitte verhindern. Ähnliches gilt für Decken, die im Brandfall ausreichend lang standsicher und widerstandsfähig gegen die Brandausbreitung sein müssen. 

Welche Anforderungen bestehen an die notwendigen Flure?

Der § 36 der Musterbauordnung definiert „notwendige Flure“ als „Flure, „über die Rettungswege aus Aufenthaltsräumen oder aus Nutzungseinheiten mit Aufenthaltsräumen zu Ausgängen in notwendige Treppenräume oder ins Freie führen.“

Sie müssen in einer Weise angeordnet und ausgebildet werden, dass die Nutzung im Brandfall ausreichend lang möglich ist. Des Weiteren müssen notwendige Flure: 

  • So breit sein, dass sie für den größten zu erwartenden Verkehr ausreichen. 
  • In den Fluren ist eine Folge von weniger als drei Stufen unzulässig.
  • Sie sind durch nichtabschließbare, rauchdichte und selbstschließende Abschlüsse in Rauchabschnitte zu unterteilen. Die Rauchabschnitte sollen nicht länger als 30 m sein.
  • Notwendige Flure mit nur einer Fluchtrichtung, die zu einem Sicherheitstreppenraum führen, dürfen nicht länger als 15 Meter sein.
  • Die Wände notwendiger Flure müssen als raumabschließende Bauteile feuerhemmend und in Kellergeschossen feuerbeständig sein. 

Wann sind notwendige Flure nicht erforderlich?

  • In Wohngebäuden der Klasse 1: Freistehende Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und mit weniger als drei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m².
  • In Wohngebäuden der Klasse 2: Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m².
  • In sonstigen Gebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2, ausgenommen in Kellergeschossen. 
  • Innerhalb von Wohnungen oder innerhalb von Nutzungseinheiten mit nicht mehr als 200 m².

In allen anderen Gebäuden müssen notwendige Flure aus Brandschutzerwägungen integriert werden. 

Checkliste: wichtige Anforderungen an Flucht- und Rettungswege

  • Fluchtwege: Verkehrswege, die der selbstständigen Flucht aus einem möglichen Gefahrenbereich und in der Regel zugleich der Rettung von Personen dienen.
  • Rettungswege: Verkehrswege, die der Fremdrettung dienen.
  • Verpflichtung zum Flucht- und Rettungsplan: Wenn Lage, Ausdehnung und Art der Benutzung der Arbeitsstätte dies erfordern. (§ 4 ArbStättV)
  • Verpflichtung für zwei getrennte Rettungswege: In den meisten Fällen und vor allem, wenn kein Sicherheitstreppenraum im Gebäude existiert. 
  • Maximale Länge des Fluchtweges: Für Räume mit maximaler Brandgefährdung bis 35 Meter (Je nach Brandgefährdung gelten alternative Angaben).
  • Mindestbreite des Rettungsweges: Bis 20 Mitarbeiter 1 Meter (Je nach Anzahl der Mitarbeiter und Art des Gebäudes alternative Angaben). 
  • Kennzeichnung von Fluchtwegen: Hinweisschild Notausgang mit Zusatzzeichen Richtungspfeil.
  • Bauliche Gestaltung des Flucht- und Rettungsweges: Brandvorbeugend, schnell von Rettungskräften begeh- oder befahrbar, tragende Wände feuerbeständig und standsicher, Außenwände bekämpfen die Brandausbreitung, Oberflächen und Dämmstoffe sind schwer entflammbar, Decken widerstandsfähig gegen Feuer. 
  • Notwendige Flure: Ausreichend in Bezug auf die Größe, in Rauchabschnitte unterteilbar, Höchstlänge 15 Meter. Nicht notwendig in Wohngebäuden der Klassen 1 und 2 und weiteren Gebäuden.
  • Treppen- und Treppenhäuser: Jedes nicht zu ebener Erde liegende Geschoss muss über eine Treppe erreichbar sein. Fester Handlauf, gut beleuchtet und belüftet und nicht direkt an Türen anschließend.
  • Notausgänge und Fluchttüren: Führen ins Freie oder einen gesicherten Bereich, müssen freigehalten werden, müssen ohne Hilfe zu öffnen sein, Türen sollten in Fluchtrichtung öffnen. Mindestens 0.90 Meter lichte Breite und 1,20 Meter Höhe.