Explosionsschutz – primäre, sekundäre und tertiäre Schutzmaßnahmen
- Wie entstehen Explosionen?
- Was bedeutet Explosionsschutz?
- Primäre, sekundäre und tertiäre Explosionsschutzmaßnahmen
- Gefährdungsbeurteilung zum Explosionsschutz durchführen
- Erstellung eines Explosionsschutzdokuments
- Warum ist die Einteilung in Zonen im Explosionsschutz sinnvoll?
- Welche gesetzlichen Vorschriften und Richtlinien gibt es zum Explosionsschutz?
Wie entstehen Explosionen?
Das Desaster von Beirut wirft die Frage auf, wie Explosionen zustande kommen. Der ausschlaggebende Punkt ist, dass folgende Bedingungen gleichzeitig passieren:
- Ein brennbarer Stoff mit einem hohen Dispersionsgrad (zum Beispiel als Staub, Nebel oder Dampf) ist vorhanden.
- Die Konzentration des brennbaren Stoffs liegt in einer sauerstoffreichen Umgebungsatmosphäre (Luft oder reiner Sauerstoff) innerhalb seiner Explosionsgrenzen.
- Eine Zündquelle mit ausreichender Zündenergie für den brennbaren Stoff ist vorhanden. Zündquellen sind beispielsweise heiße Oberflächen, die durch Reibungsenergie bewegter Teile oder durch die Nähe von Wärme abstrahlenden Geräten entstehen. Auch elektrostatische Aufladung und Entladung können zu einer Zündgefahr führen.
Sind diese drei Voraussetzungen gegeben und kommen sie zeitlich und örtlich zusammen, kann es zu einer Explosion kommen. Für die fachmännische Beurteilung des Explosionsschutzes ist es allerdings notwendig, nicht nur die physikalischen Grundlagen einer Explosion zu kennen und zu identifizieren, sondern auch zu bewerten, ob eine gefahrdrohende Menge vorliegt oder entstehen kann.
Was bedeutet Explosionsschutz?
Mit dem Begriff Explosionsschutz ist der Schutz vor Explosionsgefährdungen verbunden, die durch eine explosionsfähige Atmosphäre entstehen. Eine solche Atmosphäre besteht aus Gas-, Dampf-, Nebel-, Luft- sowie Staub- und Luft-Gemischen. Ein einzelner Funken reicht hier beispielsweise aus, um eine Explosion zu erzeugen.
Neben den Luft-Gas-Gemischen bilden auch die sogenannten hybriden Gemische eine explosionsfähige Atmosphäre. Bei den hybriden Gemischen handelt es sich um Gemische von Luft und brennbaren Stoffen in unterschiedlichen Aggregatzuständen. Beispiele für die hybriden Gemische sind laut BG RCI (Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie) Gemische aus Methan, Kohlestaub und Luft oder Benzindampf sowie Gemische aus Benzintröpfchen und Luft.
Kurzum: Der Explosionsschutz umfasst alle Maßnahmen, um eine explosionsfähige Atmosphäre und damit Explosionen zu vermeiden. Darüber hinaus umfasst der Explosionsschutz alle gesetzlichen Vorschriften, die Unternehmen einhalten müssen.
Primäre, sekundäre und tertiäre Explosionsschutzmaßnahmen
In Bezug auf die Maßnahmen, die im Rahmen des Explosionsschutzes ergriffen werden müssen, wird der Explosionsschutz in folgende Arten unterteilt:
Primärer Explosionsschutz und seine Maßnahmen
Ziel des primären Explosionsschutzes ist die Verhinderung der Bildung von gefährlichen und explosionsfähigen Gemischen. Damit keine explosionsfähige Atmosphäre entsteht, sollte man deshalb auf brennbare Stoffe oder auf Gefahrstoffe mit einem hohen Flammpunkt verzichten. Ist der Verzicht auf diese Stoffe nicht möglich, empfiehlt es sich, die Konzentration zu verändern, so dass die brennbaren Bestandteile im Gemisch außerhalb der Explosionsgrenzen liegen.
Konkrete Maßnahmen des primären Explosionsschutzes sind:
- die Substitution,
- die Be- und Entlüftung,
- die Verringerung der Sauerstoffkonzentration durch eine gesteuerte Anreicherung der Konzentration mit Brenngasen oder
- durch Inertisierung.
Letzteres beschreibt die Zugabe von sogenannten Inertstoffen, wozu zum Beispiel Stickstoff gehört. Dadurch wird die Bildung explosionsfähiger Gemische verhindert.
Wichtig: In den meisten Fällen kann der primäre Explosionsschutz nicht allein realisiert werden – in der Regel in Kombination mit dem sekundären sowie dem tertiären Explosionsschutz.
Sekundärer Explosionsschutz
Der sekundäre Explosionsschutz greift dann, wenn sich trotz der Maßnahmen des primären Explosionsschutzes eine explosionsfähige Atmosphäre bildet. Die Maßnahmen des sekundären Explosionsschutzes bestehen darin, die Zündquellen, welche diese Atmosphäre entstehen lassen, zu verhindern.
Im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung im Unternehmen werden alle Zündquellen genau untersucht und beurteilt. Zudem werden entsprechende Schutzmaßnahmen entwickelt und angewendet.
Auch elektrostatische Aufladung und Entladung können zu einer Zündgefahr führen. Schließlich kann ein unbeabsichtigter Funkenflug, beispielsweise durch eine ungewollte schleifende Berührung von Teilen, zu einer gefährlichen Zündquelle werden.
Unternehmen, die den sekundären Explosionsschutz anwenden, sollten die explosionsgefährdeten Bereiche in Zonen aufteilen. Mit dieser Zoneneinteilung ist auch die Verwendung bestimmter Arbeitsmittel verbunden.
Zudem müssen neben der Aufteilung der explosionsgefährdeten Bereiche in Zonen seitens der Betriebe organisatorische Maßnahmen getroffen werden. Dazu gehören beim sekundären Explosionsschutz:
- das Rauchverbot in den einzelnen Bereichen sowie
- die regelmäßige Unterweisung der Mitarbeiter.
Tertiärer Explosionsschutz
Wenn die Maßnahmen des primären und sekundären Explosionsschutz nicht ausreichen, müssen Unternehmen zusätzliche Schritte einleiten, um das Leben und die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen. In diesen Fällen greift der tertiäre Explosionsschutz. Dessen Ziel ist es, die zum Teil dramatischen Auswirkungen der Explosion zu beschränken. Zu den konkreten Maßnahmen des tertiären Explosionsschutz gehören unter anderem:
- Sämtliche Behälter und technische Apparaturen müssen der Druckwelle einer Explosion standhalten und eine explosionsfähige Bauweise haben.
- Der Einsatz von sogenannten Berstscheiben und Explosionsklappen zählen zu den Maßnahmen des tertiären Explosionsschutzes. Bei Entstehen einer Explosion öffnen sie sich in eine ungefährliche Richtung und bewirken, dass die Anlage selbst nicht über die eigene Explosionsfestigkeit hinaus beansprucht wird.
Gefährdungsbeurteilung zum Explosionsschutz durchführen
Der erste Schritt zu einem erfolgreichen Explosionsschutz, ist die Analyse potenzieller Auslöser. Mit einer Gefährdungsbeurteilung identifizieren und analysieren Unternehmen die Gefährdung, führen eine Bewertung der Gefährdung durch, beschreiben die notwendigen Maßnahmen und können auch den Erfolg Ihrer Maßnahmen kontrollieren.
Folgende Leitfragen sollten zur Identifizierung und Analyse gestellt werden:
- Ist ein brennbarer Stoff vorhanden?
- Liegt die Konzentration oberhalb der oberen Explosionsgrenze?
- Ist die Konzentration unterhalb der unteren Explosionsgrenze?
- Sind brennbarer Stoff und Zündquelle zur gleichen Zeit am gleichen Ort vorhanden?
- Ist die explosionsfähige Konzentration oder Zündquelle nur zeitweise vorhanden?
- Kann die brennbare Flüssigkeit gekühlt, die Atmosphäre verdünnt werden?
- Kann die Gefährdung an einem anderen Ort entstehen?
Erstellung eines Explosionsschutzdokuments
Das Explosionsschutzdokument dient als Nachweis, dass das Unternehmen Maßnahmen beziehungsweise Vorkehrungen zur Sicherung des Explosionsschutzes getroffen hat. Das Ziel des Dokuments ist, Explosionsgefährdungen zu bewerten sowie individuelle Schutzmaßnahmen für jede Gefährdung festzuschreiben.
Wann ist ein Explosionsschutzdokument zu erstellen?
Das Explosionsschutzdokument muss dann erstellt werden, wenn die Ermittlung nach § 6 Abs.4 GefStoffV ergibt, dass Gefährdungen für Beschäftigte sowie für Dritte durch gefährliche explosionsfähige Gemische auftreten oder entstehen können.
Das Explosionsschutzdokument wird von Unternehmen gemäß § 6 Abs.9 GefStoffV auch dann gefordert, wenn ohne entsprechende Maßnahmen explosionsfähige Gemische entstehen oder bereits vorhanden sind. Darüber hinaus ist das Explosionsschutzdokument nach § 6 Abs.9 GefStoffV eine gesonderte Form der Gefährdungsbeurteilung.
Für Unternehmen, die weitgehende Maßnahmen des Explosionsschutzes ergreifen müssen, ist die Erstellung des Explosionsschutzdokuments verpflichtend – und das unabhängig von der Zahl der Beschäftigten.
Welche Inhalte umfasst das Explosionsschutzdokument?
Das Dokument stellt das Explosionsschutzkonzept des Unternehmens dar – alle technischen und organisatorischen Maßnahmen, die auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung beschlossen wurden.
Wesentliche Inhalte des Explosionsschutzdokuments sind:
- Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung (Nachweis darüber, dass Explosionsgefährdungen entsprechend ermittelt und bewertet wurden,
- bereits getroffene Schutzmaßnahmen, um den Explosionsschutz im gefährdeten Bereich zu erhöhen
- Einteilung in Explosionsschutzzonen,
- allgemeine Informationen über das Arbeitsumfeld,
- Angaben zu den verwendeten Arbeitsmitteln,
- Informationen über die Arbeitsstoffe und die durchzuführenden Tätigkeiten
- Angaben zu den allgemeinen Maßnahmen, die erforderlich sind (zum Beispiel: die Kennzeichnung der Fluchtwege).
Wichtiger Hinweis: Zu den Inhalten des Explosionsschutzdokuments gehören die technischen sowie die organisatorischen Maßnahmen zur Vermeidung der explosionsfähigen Atmosphäre.
Zu den technischen Maßnahmen gehören unter anderem Absaugungen sowie die Installation von weiteren Lüftungsanlagen. Organisatorische Maßnahmen in Betrieben sind zum Beispiel Unterweisungen, Betriebsanweisungen oder Kennzeichnungen von Fluchtwegen in Unternehmen.
Darüber hinaus muss das Explosionsschutzdokument mit Blick auf das Explosionsschutzkonzept für alle Beschäftigten nachvollziehbar sein – beispielsweise durch eine sinnvolle Gliederung. Weiterführende Informationen können unter anderem in Anhänge des Konzepts abgelegt werden.
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) veröffentlichte im Juni 2021 die DGUV Information 213-016 und gibt Unternehmen eine Hilfestellung für die Erstellung eines Explosionsschutzdokument.
Warum ist die Einteilung in Zonen im Explosionsschutz sinnvoll?
Die Einteilung von Zonen zur Vermeidung von Zündquellen hat sich in der Praxis für Unternehmen als sinnvolles Hilfsmittel bewährt.
Werden die einzelnen Zonen eingeteilt, nimmt man eine Klassifizierung nach der Wahrscheinlichkeit des Auftretens von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre vor. Die Zuweisung einer Zone erfolgt aufgrund der Häufigkeit und Dauer der gefährlichen explosionsfähigen Atmosphäre.
Folgende Zonen gibt es:
0, 1, 2: In diese Zonen werden die Bereiche eingeteilt, in denen eine explosionsfähige Atmosphäre durch brennbare Gase, Flüssigkeit oder Nebel auftritt.
20, 21, 22: Bei diesen Zonen handelt es sich um Bereiche, in denen einen gefährliche explosionsfähige Atmosphäre durch brennbare Stäube entsteht.
Laut Angaben der DGUV steigt die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre von 2 über 1 zu 0 sowie von 22 über 21 zu 20 an.
Gemäß Anhang 1 Nr.1.6 Abs.3 GefStoffV ist die Einteilung in Zonen für Unternehmen nicht verpflichtend. Dies gilt besonders für die Fälle, die in Anhang 1 Nr. 1.8 Abs.4 GefStoffV aufgeführt werden:
- zeitlich und örtlich begrenzte Tätigkeiten, bei denen nur für die Dauer dieser Tätigkeiten mit dem Auftreten gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre gerechnet werden muss.
- An- und Abfahrprozesse in Anlagen, die nur selten und ausnahmsweise durchgeführt werden bei Errichtungs- und Instandhaltungsarbeiten.
Welche gesetzlichen Vorschriften und Richtlinien gibt es zum Explosionsschutz?
Sowohl die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) als auch die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) bilden die rechtlichen Grundlagen für den Explosionsschutz im Betrieb. Darüber hinaus regelt § 5 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) mit der Gefährdungsbeurteilung den betrieblichen Explosionsschutz. Gemäß ArbSchG können sich Gefährdungen durch physikalische, chemische und biologische Einwirkungen Gefährdungen für die Beschäftigten am Arbeitsplatz ergeben.
Darüber hinaus spielen die verschiedenen Technischen Regeln beim Explosionsschutz eine große Rolle. Vor allem die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) sowie die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) stehen im Fokus des betrieblichen Explosionsschutzes. Die nachfolgende Tabelle listet alle relevanten Technischen Regeln für den Explosionsschutz:
TRGS | TRBS |
---|---|
407: Tätigkeiten mit Gasen – Gefährdungsbeurteilung | 1111: Gefährdungsbeurteilung |
720: Gefährliche explosionsfähige Gemische – Allgemeines | 1112 Teil 1: Explosionsgefährdungen bei und durch Instandhaltungsarbeiten – Beurteilung und Schutzmaßnahmen |
721: Gefährliche explosionsfähige Gemische – Beurteilung der Explosionsgefährdung | EmpfBS 1114: Anpassung an den Stand der Technik bei der Verwendung von Arbeitsmitteln |
722: Vermeidung oder Einschränkung gefährlicher explosionsfähiger Gemische | 1122: Änderungen von Gasfüllanlagen, Lageranlagen, Füllstellen, Tankstellen und Flugfeldbetankungsanlagen – Ermittlung der Prüfpflicht nach Anhang 2 Abschnitt 3 BetrSichV und der Erlaubnispflicht gemäß § 18 BetrSichV |
723: Gefährliche explosionsfähige Gemische – Vermeidung der Entzündung gefährlicher explosionsfähiger Gemische | 1123: Prüfpflichtige Änderungen von Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen – Ermittlung der Prüfnotwendigkeit gemäß § 15 Absatz 1 BetrSichV |
724: Gefährliche explosionsfähige Gemische – Maßnahmen des konstruktiven Explosionsschutzes, welche die Auswirkung einer Explosion auf ein unbedenkliches Maß beschränken | 1201: Prüfungen und Kontrollen von Arbeitsmitteln und überwachungsbedürftigen Anlagen |
725: Gefährliche explosionsfähige Atmosphäre – Mess-, Steuer- und Regeleinrichtungen im Rahmen von Explosionsschutzmaßnahmen | 1201 Teil 1: Prüfungen von Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen |
727: Vermeidung von Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen | 1201 Teil 3: Instandsetzung an Geräten, Schutzsystemen, Sicherheits-, Kontroll- und Regelvorrichtungen im Sinne der Richtlinie 2014/34/EU |
800: Brandschutzmaßnahmen | 1203: Zur Prüfung befähigte Personen |
3151: Vermeidung von Brand-, Explosions- und Druckgefährdungen an Tankstellen und Gasfüllanlagen zur Befüllung von Landfahrzeugen |