Heben und Tragen von Lasten

Heben und Tragen von Lasten: Gefährdung, Schutzmaßnahmen und Unterweisung

Arbeitnehmer wie beispielsweise Maurer, Dachdecker, Gerüstbauer oder Möbelpacker müssen in ihrem Arbeitsalltag schwere Lasten heben und tragen. Ihr Körper und besonders ihr Rücken und ihre Wirbelsäule stehen während der Arbeitszeit demnach unter einer hohen Belastung. Um gesundheitliche Schäden sowie chronische Folgen zum Beispiel an den Bandscheiben zu verhindern, sind Arbeitgeber gemäß der Lastenhandhabungsverordnung dazu verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und alle Arbeitnehmer im rückenfreundlichen Heben und Tragen von Lasten zu unterweisen.
Inhaltsverzeichnis

Warum ist das richtige Heben und Tragen von Lasten wichtig?

Arbeitnehmer, die regelmäßig schwere Lasten heben und tragen müssen, sind einer großen körperlichen Belastung ausgesetzt. Diese Belastungen können kurz- bis langfristig zu gesundheitlichen Schäden und sogar chronischen Erkrankungen führen. Damit diese Erkrankungen erst gar nicht auftreten, kommt es auf das richtige Tragen der Lasten an. Die Gefährdungsbeurteilung und Unterweisung im richtigen Heben und Tragen von Lasten ist daher essenziell für den Arbeitsschutz in Unternehmen.

Was sind die Folgen von falschem Heben und Tragen?

Wer Lasten falsch anhebt und trägt, strapaziert vor allem den eigenen Rücken, wodurch sich kurzfristig Rückenbeschwerden wie Schmerzen oder Verspannungen entwickeln können. Zudem wird die Wirbelsäule und die Bandscheiben infolge des falschen Hebens und Tragens von Lasten stark in Mitleidenschaft gezogen. Bandscheibenvorfälle oder Bänder- und Sehnenüberlastungen und chronische Erkrankungen sind daher häufig die Folge falschen Tragens. 

Was ist die Lastenhandhabungsverordnung?

Im Jahr 1996 hat der Gesetzgeber die Lastenhandhabungsverordnung (LasthandhabV) auf den Weg gebracht – eine nationale Umsetzung einer EU-Richtlinie. Die offizielle Bezeichnung ist “Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der manuellen Handhabung von Lasten bei der Arbeit”.

In der Lastenhandhabungsverordnung werden explizit Gefährdungen für die Lendenwirbelsäule erwähnt (§ 1 Art.1 LasthandhabV). In der Verordnung ist außerdem von der sogenannten „manuellen Handhabung“ die Rede. Diese Handhabung umfasst also nicht nur die Beförderung, sondern auch das Abstützen der Lasten mithilfe menschlicher Kraft. Auch das Ziehen, Tragen und Bewegen einer Last fällt unter die manuelle Handhabung.

Was ist das Ziel der Lastenhandhabungsverordnung? 

Das Ziel der Lastenhandhabungsverordnung ist, negative gesundheitliche Folgen, die sich aus dem Heben und Tragen von Lasten ergeben können, im Sinne des Arbeitsschutzes zu verhindern. 

Für wen gilt die Lastenhandhabungsverordnung? 

Grundsätzlich gilt die Lastenhandhabungsverordnung sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer – für alle diejenigen, die am Arbeitsplatz manuell Lasten heben und absetzen, schieben, ziehen sowie tragen und bewegen (§ 1 LasthandhabV). Überall dort, wo Güter manuell getragen und von einem Ort zum anderen bewegt werden, greift die Lastenhandhabungsverordnung.

Welche Pflichten schreibt die Lastenhandhabungsverordnung Arbeitgebern vor?

Die Lastenhandhabungsverordnung schreibt konkrete Vorschriften für Arbeitgeber vor. Es sind hier drei wesentliche Aspekte, die für Vorgesetzte relevant sind:

• Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes

• Berücksichtigung der körperlichen Belastbarkeit des oder der Beschäftigten

• Unterweisung der Mitarbeiter

Wo erhalten Arbeitgeber Hilfe bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung?

Vor dem Hintergrund der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung – einem Instrument, mit dem der Arbeitsschutz im Betrieb konkret umgesetzt wird – gibt die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) Hilfestellungen in Form von Checklisten. Die DGUV Information 208-033 hilft Arbeitgebern ganz konkret bei der Entscheidung darüber, welche körperlichen Belastungsarten am Arbeitsplatz eine Gefährdung für Mitarbeiter darstellen können. 

Die Fragen der Checkliste helfen bei der Beurteilung, ob sich beispielsweise Gefährdungen für Beschäftigte beim manuellen Heben, Halten und Tragen von Lasten ergeben oder beim Ziehen und Schieben. Zudem unterstützt die DGUV-Information Arbeitgeber dabei, ob sich Gefährdungen aus Körperzwangshaltungen sowie aus Vibrationen ergeben – besonders aus Ganzkörper- oder Hand-Arm-Vibrationen.

Welche Gefahren gehen vom Tragen und Heben von Lasten aus?

Im Anhang der Lastenhandhabungsverordnung (LasthandhabV) sind Merkmale gelistet, aus denen sich Gesundheits- und Sicherheitsgefährdungen für die Beschäftigten ergeben können. Diese Merkmale sind nochmals untergliedert – mit Blick auf:

  • die Last, 
  • die Arbeitsaufgabe der Beschäftigten sowie 
  • die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes und der Arbeitsumgebung. 

Demnach können sich Gefährdungen für die Mitarbeiter aus dem Gewicht, der Form und der Größe der Last ergeben. Aber auch die Schwerpunktlage sowie die Möglichkeit unvorhergesehener Bewegungen von Lasten bergen Gefahrenpotenzial für die Gesundheit und Sicherheit. 

Gefährdungen für die Gesundheit und die Sicherheit ergeben sich zudem oft aufgrund der falschen Entfernung zum Körper sowie durch die Entfernung, über die die Last bewegt wird. Darüber hinaus bergen auch folgende Faktoren Gefahrenpotenzial beim Heben und Tragen von Lasten:

  • die jeweilige Temperatur, 
  • Luftfeuchtigkeit und 
  • die Luftgeschwindigkeit. 

Nicht zuletzt beeinflussen die Bekleidung – Oberbekleidung und Schuhe – die Gefahrenlage bei der Bewegung von Lasten. Die genannten Punkte müssen Arbeitgeber in die Gefährdungsbeurteilung mit einfließen lassen.

Welche Schutzmaßnahmen sind beim Heben und Tragen von Lasten einzusetzen?

Auf der Grundlage der Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung müssen Arbeitgeber Maßnahmen treffen, durch die eine Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter auf ein Minimum reduziert und im optimalen Fall ganz vermieden wird.  Vor diesem Hintergrund schreibt die Lastenhandhabungsverordnung Arbeitgebern vor, organisatorische Maßnahmen zu treffen und geeignete Arbeitsmittel einzusetzen, damit Gefährdungen für die Gesundheit – speziell für den Rücken – und die Sicherheit der Beschäftigten nicht auftreten (§ 2 LasthandhabV).

Folgende organisatorische Maßnahmen können Arbeitgeber treffen:

  • wiederholende manuelle Handhabung schwerer Lasten vermeiden
  • Reduzierung und wenn möglich gänzliche Vermeidung von Lastgewichten, um den Rücken zu schonen
  • Hilfsmittel wie Hebehilfen und spezielle Transportvorrichtungen verwenden
  • darauf achten, dass es weniger Zwischenlager gibt. Optimierung der Logistik im Betrieb
  • Möglichkeiten zur Bewegung für Mitarbeiter schaffen sowie Möglichkeiten für verbesserte Ergonomie bzw. günstigere Körperhaltungen
  • Schaffung der Möglichkeit von körpernaher Lastenhandhabung
  • ausreichend Fuß- und Beinraum bereitstellen
  • Schaffung sicherer Arbeitsbedingungen im Betrieb – Beispiele hierfür sind unter anderem ein rutschfester Boden, keine bzw. nur wenig Schwellen, kein Heben und Tragen von Lasten über Treppen, Rampen und Absätze
  • Optimierung des Arbeitspensums der Mitarbeiter und der zeitlichen Verteilung der Belastungen. Dazu zählen insbesondere die Verringerung des Arbeitstempos sowie ausreichende Ruhepausen zur Erholung.

Neben den organisatorischen Schutzmaßnahmen gibt es ebenfalls personenbezogene Maßnahmen, die das Gefahrenpotenzial für Beschäftigte verringern, die manuell Lasten heben, tragen, ziehen und schieben. Zu diesen personenbezogenen Maßnahmen gehört die Unterweisung der Mitarbeiter. Im Rahmen der Unterweisungen müssen Arbeitgeber auf die Gefährdungen eingehen, die mit der manuellen Lasthandhabung verbunden sind. 

Was muss die Unterweisung zum Heben und Tragen von Lasten beinhalten? 

Folgende Punkte müssen Arbeitgeber in die Sicherheitsunterweisung mit einfließen lassen:

  • Praxisübungen für die Beschäftigten, die speziell auf die Tätigkeit bezogen sind. Bestandteil der Übungen sollte sein, die Gewichte der Lasten zu verringern und die zur Verfügung stehenden Hilfsmittel zu benutzen.
  • Arbeitgeber sollten die Mitarbeiter vor allem auf die richtige Körperhaltung beim Heben und Tragen von Lasten aufmerksam machen. Die korrekte Körperhaltung ist vor allem dafür verantwortlich, dass es nicht zu Schäden an der Wirbelsäule kommt.
  • Das richtige Verhalten bei der Lastenhandhabung sollte Teil der Unterweisung für die Mitarbeiter sein.
  • Unterweisungen sollten zudem Ausgleichsübungen für den Rücken enthalten.
  • Die Mitarbeiter müssen im Rahmen der Unterweisungen auf die Möglichkeit der arbeitsmedizinischen Vorsorge aufmerksam gemacht werden.

Die Lastenhandhabungsverordnung schreibt den Arbeitgebern explizit die Unterweisung der Beschäftigten vor (§ 4 LasthandhabV) und verweist auf § 12 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG). Demnach müssen Arbeitgeber die körperliche Eignung der Beschäftigten berücksichtigen, wenn sie Lasten heben und tragen. Gemäß der LasthandhabV müssen Arbeitgeber den Beschäftigten genaue Angaben dazu machen in Bezug auf die sachgemäße Handhabung von Lasten und über die Gefahren, die damit verbunden sind.

Wann muss die Unterweisung für das Heben und Tragen erfolgen?

Wichtig ist, dass Vorgesetzte die Unterweisung vor der Aufnahme der Tätigkeit durchführen und dann, wenn es zu Veränderungen im jeweiligen Aufgabenbereich kommt. Unterweisungen sind auch dann notwendig, wenn neue Arbeitsmittel oder eine neue Technologie zum Einsatz kommen und in Verbindung mit der manuellen Handhabung von Lasten stehen.

Gibt es Grenzwerte für das Heben und Tragen von Lasten?

Die Verordnung selbst nennt keine Grenzwerte, wie schwer Lasten maximal sein dürfen. Allerdings verweist der Gesetzgeber auf die Pflicht zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung. Die gesetzliche Grundlage der Gefährdungsbeurteilung ist wiederum § 5 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG). 

Obwohl die Lastenhandhabungsverordnung keine Grenzwerte für Lasten nennt, gibt es dennoch sogenannte Richtwerte von manuell zu handhabenden Lastgewichten, an denen sich Unternehmen bzw. Arbeitgeber orientieren können. Für Frauen und Männer gelten unterschiedliche Richtwerte. Darüber hinaus sind die Richtwerte unterschiedlichen Tätigkeiten zugeordnet, wie die folgende Tabelle verdeutlicht.

TätigkeitFrauenMänner
beidhändiges Heben10 kg 20 kg
einhändiges Heben5 kg10 kg
beidhändiges Umsetzen20 kg30 kg
einhändiges Umsetzen5 kg 10 kg
beidseitiges Tragen neben dem Körper, auf den Schultern oder dem Rücken20 kg30 kg 
Tragen vor oder einseitig neben dem Körper15 kg25 kg
Quelle: Berufskrankheiten-Verordnung 2018

Wie es in der Berufskrankheiten-Verordnung heißt, definiert sich der Begriff „schwere Lasten“ nicht allein durch das Lastgewicht. Vielmehr sind eine Reihe weiterer Faktoren wie zum Beispiel die Körperhaltung, die Häufigkeit sowie die allgemeinen Ausführungsbedingungen der Lastenhandhabung relevant. Darüber hinaus handelt es sich bei den Richtwerten um die Lastgewichte, die in Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für die Verursachung bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule stehen. Außerdem müssen Arbeitgeber die individuelle Leistungsfähigkeit der einzelnen Mitarbeiter berücksichtigen.

Gibt es auch internationale und europäische Richtwerte?

Ja. Es gibt eine europäische Norm, die EN DIN 1005. Diese Norm trägt den Titel Menschliche körperliche Leistung, Teil 2: manuelle Handhabung von Gegenständen in Verbindung mit Maschinen und Maschinenteilen. Sie spezifiziert die ergonomischen Anforderungen an die Gestaltung von Maschinen, welche die manuelle Handhabung von Gegenständen betreffen. Eine Forderung der Norm ist, dass Hebehilfen zum Einsatz kommen müssen, wenn regelmäßig Objekte mit einem Gewicht von mehr als 25 Kilogramm bewegt werden. Diese 25 Kilogramm sind gleichzeitig der Grenzwert.  Zudem gibt es auch eine internationale Norm – die „ISO 11228-1 Ergonomie – Manuelles Handhaben von Lasten – Teil 1 Heben und Tragen 05/2003“. Die internationale Norm geht von einem Maximallastgewicht von 23 Kilogramm aus.

Wie viel dürfen Jugendliche und Schwangere tragen und heben?

Auch für Jugendliche gibt es Richtwerte, wie schwer die Last im Rahmen der manuellen Lastenhandhabung sein darf. Für Frauen und Männer gibt es unterschiedliche Grenzwerte, nach denen sich Arbeitgeber richten können. Als jugendlich gelten Arbeitnehmer im Alter von 15 bis 18 Jahren.

Art des LasttrabsportesFrauenMänner
Heben8 kg20 kg 
Tragen8 kg15 kg
Quelle VBG (Verwaltungs-Berufsgenossenschaft)

Die Lastgewichte beziehen sich auf die häufige manuelle Lasthandhabung während der Arbeitszeit bzw. während einer Schicht. Für Schwangere dagegen gelten geringe Werte. Diese Arbeitnehmergruppe dürfen nicht mehr als 5 Kilogramm regelmäßig heben und tragen. Wenn sie gelegentlich heben und tragen dürfen es nicht mehr als 10 Kilogramm sein. 

Was ist die Leitmerkmalmethode?

Die Leitmerkmalmethode der BAuA (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) ist ein für Arbeitgeber entwickeltes Werkzeug, das ihnen bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung helfen soll. Wenn Mitarbeiter eines Betriebs manuell Lasten heben und tragen, eignet sich die Leitmerkmalmethode zur Beurteilung ergonomischer Belastungen. Ergonomische Fachkenntnisse müssen Arbeitgeber dabei nicht mitbringen. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat die Leitmerkmalmethode entwickelt.

Für die Beurteilung von Lasten ist die erweiterte Leitmerkmalmethode zur Beurteilung und Gestaltung von Belastungen relevant – die LLM-HHT-E beim manuellen Heben, Halten und Tragen von Lasten. Die Methode berücksichtigt Lasten von mehr als 3 Kilogramm und dient zur Erfassung des Umsetzens, Haltens und zum reinen Transport von Lasten. 

Was wird mit der Leitmerkmalmethode beurteilt?

Tätigkeiten, die anhand dieser Leitmerkmalmethode beurteilt werden, sind beispielsweise die Sortierung von Paketen oder manuelle Richtarbeiten am Dach. Aber auch das Auf- und Abladen von Säcken sowie der manuelle Krankentransport werden mithilfe dieser Leitmerkmalmethode beurteilt. 

Wie funktioniert die Leitmerkmalmethode?

Mit der Leitmerkmalmethode wird das Heben und Tragen am Arbeitsplatz auf vier Merkmale hin untersucht:

1. Häufigkeit und Dauer der Belastungen für die Beschäftigten

2. Gewicht der Lasten, die bewegt werden

3. Körperhaltung der Beschäftigten

4. Bedingungen der Lastenhandhabung (beispielsweise die Arbeitsplatzumgebung)

Mithilfe der gewonnenen Einschätzungen können Arbeitgeber dann in einem nächsten Schritt die Grenzwerte berechnen. Dafür stellt die BAuA eine Formel zur Verfügung. Die Lastwichtung, die Haltungswichtung sowie die Ausführungsbedingungswichtung werden zusammenaddiert.

  • Lastwichtung: Das Gewicht des Gegenstands, der bewegt wird
  • Haltungswichtung: Richtung, in die der Gegenstand bewegt wird
  • Ausführungsbedingungswichtung: Wie muss die Bewegung ausgeführt werden?

Diese Summe wird mit der Zeitwichtung – wie viel Zeit für das Heben und Tragen benötigt wird – multipliziert. Dies ergibt einen Punktwert zwischen 2 und 80. Bis 25 gilt als Normalbereich. Ab 50 Punkten müssen Arbeitgeber von einem hohen Risiko ausgehen.