Arbeitsschutzkleidung: Pflichten, Notwendigkeit und Typen von Schutzkleidung
- Was ist Schutzkleidung?
- Ist Schutzkleidung Pflicht?
- Welche Pflichten haben Arbeitgeber bei Schutzkleidung?
- Welche Typen von Arbeitsschutzkleidung gibt es?
- Die 6 gefährlichsten Fehler beim Einsatz von Schutzkleidung
- Corporate Identity plus Sicherheit: Geht das zusammen?
- UV-Outdoor-Bekleidung: Wie erkennt man hochwertigen UV-Schutz?
- Intelligente Bekleidung: Nützlich oder gefährlich?
- Fazit
Was ist Schutzkleidung?
Schutzkleidung oder Arbeitsschutzkleidung ist jede Form von Kleidung, die ihre Träger vor Verletzungen schützt. Das kann ein Schutz vor mechanischen, chemischen, biologischen oder anderen Gefährdungen sein, aber auch vor Gesundheitsschäden, etwa durch Regen, Kälte oder UV-Strahlung.
Schutzkleidung dient nicht immer nur dem Körperschutz. Sie kann auch die Funktion haben, ein Produkt oder einen Arbeitsplatz vor dem Träger zu schützen. Denken Sie an Reinraumbereiche in der Elektronikfertigung oder das sterile Abfüllen von Lebensmitteln oder Medikamenten. Hier dient Schutzkleidung oft weniger dem Arbeitsschutz als der Produktsicherheit.
Ist Schutzkleidung Pflicht?
Schutzkleidung ist immer dann Pflicht, wenn bei der Arbeit Gefahren für die Gesundheit oder Sicherheit der Mitarbeiter bestehen, die durch geeignete Schutzmaßnahmen gemindert oder vermieden werden können. Zur Überprüfung, ob eine Schutzkleidung verpflichtend ist, ist eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Können Gefahren identifiziert sein, die eine Schutzkleidung zum Schutz der Arbeitnehmer erfordern, ist die Anschaffung verpflichtend für Betriebe.
Hinweis: Ergibt sich aus der Gefährdungsbeurteilung, dass keine Schutzkleidung erforderlich ist, braucht sie auch nicht vom Arbeitgeber beschafft zu werden. Trotzdem können Ihre Mitarbeiter verpflichtet werden, Arbeitskleidung zu tragen, die nicht die Schutzfunktion analog der Schutzkleidung (PSA) besitzt. Auch Schutzbrillen, Schutzhandschuhe und Arbeitsschutzschuhe zählen zur Arbeitsschutzkleidung.
Welche Pflichten haben Arbeitgeber bei Schutzkleidung?
Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, ihren Mitarbeitern die notwendige Schutzkleidung bereitzustellen und sicherzustellen, dass diese auch getragen wird. Die Pflicht umfasst nicht nur die Bereitstellung, sondern auch die Schulung der Mitarbeiter im richtigen Gebrauch der Schutzkleidung sowie deren regelmäßige Wartung und Erneuerung.
Die wichtigsten Arbeitgeberpflichten auf einen Blick:
- Der Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflicht. Sobald aus Sicherheits- oder Gesundheitsgründen Schutzkleidung getragen werden muss, muss er dafür sorgen, dass diese vorhanden ist und auch benutzt wird.
- Für die Beschaffung von Schutzkleidung sowie deren Reinigung, Pflege und Reparatur muss der Betrieb aufkommen.
- Der Arbeitgeber muss zum Einsatz von Schutzbekleidung informieren und unterweisen. Das sicherheitsgerechte Verwenden muss er ggf. einüben lassen.
Viele weitere Regelungen und Empfehlungen zum Einsatz von Schutzbekleidung für bestimmte Tätigkeiten finden sich in Arbeitsschutzverordnungen sowie im Berufsgenossenschaftlichen und im Technischen Regelwerk.
Welche Typen von Arbeitsschutzkleidung gibt es?
Bei Arbeitsschutzkleidung denkt man häufig an knallig gelbe Ganzkörper-Anzüge. Dabei gibt es viele verschiedenen Kategorien von Arbeitsschutzkleidung, die Sie je nach Tätigkeit und potenzieller Gefahr wählen können.
- Typ 1 – Gasdichte Schutzkleidung: Vollschutz-Anzüge mit oder ohne Druckluftversorgung zum Schutz gegen hochtoxische flüssige und gasförmige Medien jeder Art.
- Typ 2 – Nicht gasdichte Schutzkleidung: Flüssigkeitsdichte Vollschutz-Anzüge mit oder ohne Druckluftversorgung zum Schutz gegen hochtoxische flüssige Medien jeder Art.
- Typ 3 – Flüssigkeitsdichte Schutzkleidung: Ganzkörper-Schutzanzüge oder Vollschutz-Anzüge zum Schutz gegen flüssige Chemikalien. Nähte und Anzug-Verschlüsse erfüllen die Anforderungen der Spritz-Prüfung nach EN 468.
- Typ 4 – Sprühdichte Schutzkleidung: Ganzkörper-Schutzanzüge zum Schutz gegen flüssige Chemikalien. Nähte und Anzugverschlüsse erfüllen die Anforderungen der Sprühprüfung nach EN 468.
- Typ 5 – Partikeldichte Schutzkleidung: Ganzkörper-Schutzanzüge zum Schutz gegen feste Partikel. Der Anzug erfüllt die Minimum-Innenleckage-Werte für staubförmige Partikel.
- Typ 6 – Begrenzt sprühdichte Schutzkleidung: Ganzkörper-Schutzanzüge zum Schutz gegen Sprühnebel (flüssige Partikel). Der Anzug erfüllt die Anforderungen der reduzierten Sprüh-Prüfung nach EN 468. Ganzkörper-Schutzanzüge verfügen immer über eine Kapuze oder Haube. Teilkörperschutz – Jedes Kleidungsstück, das nur einen Teil des Körpers bedeckt, jedoch die Anforderungen der reduzierten Sprühprüfung nach EN 468 erfüllt.
Ihre Schutzkleidung kann gleichzeitig mehrere Kriterien erfüllen. Die jeweils niedrigere Typenklasse beinhaltet immer die Merkmale der höheren Typenklassen. So beinhaltet Typ 4 – Schutzkleidung automatisch Typ 5 und 6. Dieser Schutzanzug ist sprüh- und partikeldicht sowie begrenzt spritzdicht.
Die 6 gefährlichsten Fehler beim Einsatz von Schutzkleidung
- Schutzkleidung wurde falsch ausgewählt. Schutzkleidung muss stets zur Gefährdung passen (Schutzfunktion) und zur Person (Größe).
- Arbeitsschutzkleidung wird falsch benutzt. Das Hosenbein eines Chemikalienschutzanzugs z. B. sollte nicht in die Stiefel gesteckt werden, sondern darüber.
- Schutzkleidung wird nicht konsequent getragen. Das Anziehen von Schutzkleidung vor einer Tätigkeit sollte so selbstverständlich sein wie das morgendliche Zähneputzen. Wo Mitarbeiter Schutzkleidung nur tragen, wenn der Chef oder die Fachkraft für Arbeitssicherheit in der Nähe sind, gehört das Thema unverzüglich in eine Unterweisung.
- Schutzkleidung wird in der falschen Situation getragen. Weite Ärmel z. B. mögen beim An- und Ausziehen bequem sein, beim Umgang mit Chemikalien oder an einer Bohrmaschine sind sie untauglich und werden selbst zur Gefahr.
- Schutzkleidung wird nicht auf korrekte Art an- und ausgezogen. Beim Umgang mit infektiösen Biostoffen z. B. besteht das Risiko einer Kontamination beim Ausziehen der Schutzhandschuhe vor dem Kittel (Trick: 2 Handschuhe übereinander tragen, die oberen zuerst ausziehen, dann die übrige Schutzkleidung, dann die inneren Handschuhe).
- Mit Schutzkleidung werden technische oder organisatorische Mängel kaschiert. Schutzkleidung darf laut T OP-Grundsatz nur „dritte Wahl“ sein, zuerst müssen Sie stets technische und organisatorische Maßnahmen ausschöpfen.
Corporate Identity plus Sicherheit: Geht das zusammen?
Arbeits-, Berufs- und Schutzkleidung werden immer öfter unter dem Begriff „Corporate Fashion“ angeboten. Dies zeigt, dass der Wunsch nach werbewirksamem Auftritt der Mitarbeiter auch vor Persönlicher Ausrüstung (PSA) nicht haltmacht. Als Fachkraft für Arbeitssicherheit können Sie sich dem Wunsch der Werbestrategen Ihres Unternehmens kaum entziehen. Sehen Sie die Sache aber positiv: Eine optisch einheitliche Schutzkleidung
- wirkt professionell und stärkt die Verbundenheit mit den Kollegen.
- kann die Tragebereitschaft erhöhen.
- ermöglicht Ihnen, auf einen Blick zu sehen, wer seine PSA nicht trägt.
Erheben Sie jedoch Einspruch, sobald rein optische Effekte zulasten der Sicherheit und des Arbeitsschutzes zu gehen drohen. Verhindern Sie die folgenden Fehlentwicklungen durch zusätzliche Elemente wie Logos, Werbung, Aufdrucke, Stickereien usw.:
- Die Mindestflächen von Warnfarben werden unterschritten.
- Die Wirkung von reflektierenden oder fluoreszierenden Elementen wird vermindert oder verdeckt.
- Die Zusatzelemente weisen nicht den mindestens gleich hohen Schutz auf wie die PSA, z. B. muss das Garn, mit dem ein Emblem aufgenäht wird, bei vor Hitze schützender PSA flammhemmend sein.
- Modische Aspekte oder Corporate Identity werden bei einer Kaufentscheidung stärker gewichtet als Schutzaspekte oder Tragekomfort.
Ob mit oder ohne Corporate Identity, vergessen Sie nicht, bei der Einführung einer neuen Kollektion von Berufs- und Arbeitskleidung Ihren Betriebsrat einzubeziehen. Denn das Einführen neuer Berufskleidung unterliegt gemäß dem Betriebsverfassungsgesetz der Mitbestimmung. Solange dieser nicht zustimmt, müssen Sie die neue Kollektion im Schrank liegen lassen.
UV-Outdoor-Bekleidung: Wie erkennt man hochwertigen UV-Schutz?
Grundsätzlich schützt jede Bekleidung besser vor gefährlicher UV-Strahlen als die nackte Haut. Je feiner ein Stoff gewebt ist, desto weniger UV-Strahlung lässt er durch. Doch dieser Schutz geht z. B. durch Nässe oder Schweiß schnell verloren. Daher gibt es für den Sportbereich extra Sonnenschutztextilien, die es ihrem Träger erlauben, sich längere Zeit im Sonnenlicht aufzuhalten. Inzwischen findet man auch immer mehr Arbeitsschutzkleidung mit UV-Schutz.
Ein Maß für den UV-Schutz von Textilien ist der Ultraviolet Protection Factor. Sie finden ihn in Katalogen oder auf dem Etikett meist mit dem Kürzel UPF. Die Skala reicht von 0 bis 80 und ist die gleiche wie für Sonnencremes. Das heißt: Je höher der Wert, desto besser der UV-Schutz. Ein UPF 40+ bedeutet z. B., dass die Textilie weniger als ein Zwanzigstel der UV-Strahlung durchlässt. Damit soll man seinen Aufenthalt in der Sonne um das Vierzigfache verlängern können, ohne Hautschäden zu provozieren. Leider gilt der angegebene UPF meist für den ungedehnten, trockenen und neuen Stoff und weniger unter realistischen Arbeitsbedingungen. Doch Hautärzte warnen: Ein elastischer Stoff lässt bei Dehnung viel mehr Strahlung durch und nasse Baumwolle wirkt wie ein Brennglas.
Achten Sie beim Kaufen von Sonnenschutztextilien daher auf das Label „UV Standard 801“. Dieses steht für eine unabhängige Prüfung der UV-Schutzwirkung gemäß der Internationalen Prüfgemeinschaft für angewandten UV-Schutz. Bei einem UPF von 50 aufwärts, deklariert nach dem UV-Standard 801, können Sie von einem guten UV-Schutz ausgehen.
Intelligente Bekleidung: Nützlich oder gefährlich?
Die Beispiele für sogenannte intelligente Textilien werden immer zahlreicher. Die Miniaturisierung von Elektronik, Funktechnik und drahtloser Kommunikation ermöglicht spannende Anwendungen auch für Berufs- und Schutzkleidung:
- Sensoren überwachen Gesundheitsparameter des Trägers und starten bei kritischen Werten automatisch einen Notruf (z. B. für Alleinarbeitsplätze oder Feuerwehr).
- T-Shirts oder Warnwesten mit aktiver Kühlfunktion imitieren den natürlichen Verdunstungseffekt und reduzieren so die Wärmebelastung, z. B. für Hitze- oder Outdoor-Arbeitsplätze.
- Mit RFID-Chips ausgerüstete PSA-Komponenten erlauben es z. B. dem Polier oder Sicherheits- und Gesundheitskoordinator, per Tablet festzustellen, wer gerade die Baustelle ohne Helm betritt.
- Ein in eine Manschette am Unterarm eingenähter Mikrokontroller mit Mini-Display erkennt falsche Handgriffe, z. B. bei Wartungsarbeiten, und warnt seinen Träger durch Piepen, Blinken oder Vibrieren.
- Berufskleidung mit eingebauten künstlichen Muskeln (Endoskelette) zur Arbeitserleichterung wird z. B. in Japan bereits von Polizisten getragen.
Derartige Produkte sind keine Science-Fiction, sondern bereits in der Erprobung oder sogar auf dem Markt. Sie zeigen, dass neue intelligente Funktionen durchaus der Arbeitssicherheit und dem Gesundheitsschutz zugutekommen. Verfolgen Sie die Entwicklung und testen Sie ggf. für Ihren Betrieb interessante Produkte. Aber bleiben Sie auch stets wachsam und fragen Sie kritisch mit Blick auf den Arbeitsschutz:
- Welche neuen Gefährdungen können durch intelligente Bekleidung entstehen? Z. B. durch die Wirkungen von Elektrosmog?
- Welche Risiken bestehen bei einem Ausfall der Technik? Inwiefern besteht die Gefahr, dass man sich allein auf technische Lösungen verlässt? Kann ein sensorgesteuerter Schutzanzug wirklich z. B. eine Personen-Notsignal-Anlage mit Totmannfunktion ersetzen?
- Inwiefern können neue Funktionen in der Kleidung zu noch mehr Stress durch noch mehr Erreichbarkeit und Arbeitsdichte führen?
Darüber hinaus können neue Funktionen von Schutzkleidung auch Fragen von Ergonomie, Hygiene und Datenschutz betreffen. Vor einer Anschaffung sollten Sie sich daher stets mit anderen Akteuren wie Betriebsarzt, Datenschutzbeauftragtem, Hygienefachkraft usw. absprechen.