Gefährdungsbeurteilung Baustelle – in 8 Schritten durchführen
- Ist eine Gefährdungsbeurteilung für Baustellen Pflicht?
- Wie wird eine Gefährdungsbeurteilung für eine Baustelle durchgeführt?
- Schritt 1: Wie wird eine Gefährdungsbeurteilung für die Baustelle vorbereitet?
- Schritt 2: Wie werden Gefährdungen auf der Baustelle ermittelt?
- Schritt 3: Wie werden die Gefährdungen auf der Baustelle beurteilt?
- Schritt 4: Wie werden die Maßnahmen der Baustellen-Gefährdungsbeurteilung festgelegt?
- Schritt 5: Wie werden die Maßnahmen der Baustellen-Gefährdungsbeurteilung umgesetzt?
- Schritt 6: Wie werden die Maßnahmen der Baustellen-Gefährdungsbeurteilung überprüft?
- Schritt 7: Wie erfolgt die Fortschreibung der Baustellen-Gefährdungsbeurteilung?
- Schritt 8: Wie wird die Baustellen-Gefährdungsbeurteilung dokumentiert?
- Wann muss die Gefährdungsbeurteilung für die Baustelle durchgeführt werden?
- Wer führt die Gefährdungsbeurteilung einer Baustelle durch?
- Warum ist die Gefährdungsbeurteilung für Baustellen so wichtig?
Ist eine Gefährdungsbeurteilung für Baustellen Pflicht?
Arbeitgeber sind zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung einer Baustelle verpflichtet. Welcher Gesetzestext und welche Empfehlungen auch immer herangezogen werden (ArbSchG, GetStoffV, AStV, DGUV etc.): Die Gefährdungsbeurteilung einer Baustelle ist obligatorisch.
Bei all den Tätigkeiten, die tagtäglich am Bau durchgeführt werden, besteht eine nicht unerhebliche Unfallgefahr. Und die gilt es zu minimieren. Nach erfolgter Überprüfung sind Unternehmen dazu angehalten, baustellenspezifische Arbeitsschutzmaßnahmen in die Wege zu leiten und Arbeitshilfen zu verfassen.
Als Basis dienen unter anderem das Arbeitsschutzgesetz (insbesondere § 5 ArbSchG), die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) und die Arbeitsstättenverordnung (AStV). Ebenso beinhaltet die Vorschrift 1 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) diese Pflichten.
Wie wird eine Gefährdungsbeurteilung für eine Baustelle durchgeführt?
Eine Gefährdungsbeurteilung einer Baustelle ist ein umfangreiches Unterfangen. Unzählige Dinge müssen bedacht, unzählige Eventualitäten abgewogen werden. Grundsätzlich lässt sich der Vorgang der Baustellen-Gefährdungsbeurteilungen in sieben Schritte unterteilen.
- Vorbereitung der Baustellen-Gefährdungsbeurteilung
- Ermittlung der Gefährdungen auf der Baustelle
- Beurteilung der Gefährdungen auf der Baustelle
- Festlegung konkreter Maßnahmen für die Baustelle
- Umsetzung der Maßnahmen auf der Baustelle
- Überprüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen
- Fortschreibung der Baustellen-Gefährdungsbeurteilung
- Dokumentation
Schritt 1: Wie wird eine Gefährdungsbeurteilung für die Baustelle vorbereitet?
Im ersten Schritt der Gefährdungsbeurteilung für Baustellen steht die Vorbereitung. Bei den Vorbereitungen der Gefährdungsbeurteilung ist es wichtig, den Ist-Zustand der Baustelle im Betrieb genau zu erfassen. Unter anderem beeinflusst vor allem die Baustellengröße, wie umfangreich die Gefährdungsermittlung werden wird. Ist beispielsweise die Zusammenfassung der gesamten Baustelle in einer Analyse denk- und machbar? Oder dienen vielleicht doch eher die unterschiedlichen Gewerke als Richtschnur für eine Aufgliederung? Mögliche Kategorien sind beispielsweise Erdarbeiten, Installationsarbeiten, Dacharbeiten oder Maurer- und Montagearbeiten.
Schritt 2: Wie werden Gefährdungen auf der Baustelle ermittelt?
Im zweiten Schritt der Baustellen-Gefährdungsbeurteilung geht um die Ermittlung der Gefährdungen. Hierbei ist es wichtig, nach spezifischen Gefährdungspotenzialen Ausschau zu halten, die bei Bauarbeiten auftreten können. Die Gefährdungslage ist nicht nur abhängig vom jeweiligen Gewerbe. Sie stellt sich auch baustellenbezogen stets anders dar. Keine Baustelle gleicht der anderen, die eingesetzten Arbeitsmittel unterscheiden sich. Folgende Fragen sollte man sich bei der Gefährdungsermittlung stellen:
- Handelt es sich um eine Hoch- oder Tiefbaustelle?
- Kommen schwere Maschinen zum Einsatz?
- Gibt es besonders gefährliche Arbeitsmittel?
- Wie sicher sind die Gerüste verankert?
- Besteht auf den Gerüsten eventuell Absturzgefahr?
- Welche Art von Staubentwicklung kann auftreten?
- Welche Gefahrstoffe sind im Einsatz?
Schritt 3: Wie werden die Gefährdungen auf der Baustelle beurteilt?
Sind alle Gefährdungen auf der Baustelle ermittelt, erfolgt in einem dritten Schritt die eigentliche Beurteilung der Gefährdungen. Konkret heißt das, dass Arbeitgeber oder externe Gutachter – zum Beispiel von der Berufsgenossenschaft oder von der DGUV – einschätzen müssen, ob sich aus den ermittelten Gefährdungen tatsächlich Gefahren für die Arbeiter auf der Baustelle ergeben können. Welche Gefährdungen müssen unbedingt beseitigt werden, welche sind unter Umständen sogar hinnehmbar?
Wer sich unsicher ist, ob tatsächlich eine Gefährdung vorliegt, kann sich an seine Berufsgenossenschaft wenden. Die Berufsgenossenschaft (BG) Bau bietet umfangreiches Informationsmaterial und Handlungshilfen hinsichtlich baustellenbezogener Gefahrenquellen.
Schritt 4: Wie werden die Maßnahmen der Baustellen-Gefährdungsbeurteilung festgelegt?
Um festgestellte Gefährdungen zu beseitigen, müssen im vierten Schritt Schutzmaßnahmen in die Wege geleitet werden. Je konkreter die Schutzmaßnahmen formuliert werden, desto einfacher ist ihre Wirksamkeit im Baustellenalltag. Bei der Erstellung empfiehlt es sich, nach dem TOP-Prinzip vorzugehen. Damit ist sichergestellt, dass folgende Bereiche inkludiert sind:
- Technische Maßnahmen (z.B. Absturzsicherung)
- Organisatorische Maßnahmen (z.B. Anweisungen vom Betrieb und Unterweisungen)
- Personenbezogene Maßnahmen (z.B. individuelle Schutzausrüstung wie Sicherheitsschuhe und Schutzhelm)
Schritt 5: Wie werden die Maßnahmen der Baustellen-Gefährdungsbeurteilung umgesetzt?
Um eine möglichst reibungslose Umsetzung der Schutzmaßnahmen zu garantieren, ist es unbedingt notwendig im fünften Schritt der Baustellen-Gefährdungsbeurteilung, Prioritäten und Verantwortliche festzulegen. Typische Zuständigkeitsbereiche sind beispielsweise die Baustellenbeleuchtung, die Notfallmaßnahmen, die Abfallentsorgung oder die Brandschutzmaßnahmen. Drei einfache Fragen sind es, deren Beantwortung in diesem Zusammenhang ausgesprochen hilfreich ist:
- WER ist verantwortlich?
- WAS ist zu tun?
- WANN muss es getan werden?
In weiterer Folge müssen die Bauarbeiter über die getroffenen Maßnahmen bzw. Einzuhaltenden Regeln in Kenntnis gesetzt werden. Die Mitarbeiter müssen die Baustellenordnung kennen und hinsichtlich etwaiger Gefährdungssituationen aufgeklärt werden. Über die aufgestellten Handlungshilfen werden sie im Rahmen einer Unterweisung informiert. Beantworten Sie die Fragen:
- Welche Tätigkeiten sind zu unterlassen, um Unfälle zu vermeiden?
- Welche Gefahrstoffe sind auf der Baustelle im Einsatz?
- Welchen potenziellen Gesundheitsbelastungen sind sie ausgesetzt?
Die Unterweisung dient außerdem dazu, das Vertrauen der Mitarbeiter in den Betrieb zu stärken. Ihnen wird versichert, dass der Arbeitgeber das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) einhält und das Unternehmen die baustellenspezifischen Gesundheitsbelastungen für die Arbeiter so weit wie möglich minimiert. Die Gefährdungsbeurteilung und die dazugehörige Unterweisung als vertrauensbildende Maßnahmen.
Schritt 6: Wie werden die Maßnahmen der Baustellen-Gefährdungsbeurteilung überprüft?
Sind die Maßnahmen implementiert, müssen sie im 6. Schritt in regelmäßigen Abständen auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. Die Bilanz setzt sich dabei aus den Ergebnissen dreier unterschiedlicher Kontrollen zusammen:
- Durchführungskontrolle: Wurden alle Aufträge (Wer? Wann? Was?) entsprechend den Vorgaben durchgeführt?
- Wirksamkeitskontrolle: Wurden die Gefährdungen tatsächlich beseitigt? Sind durch die Maßnahmen eventuell neue Gefährdungen entstanden?
- Erhaltungskontrolle: Bleibt die Gefährdungslage stabil oder müssen weitere Schritte gesetzt werden?
Bei der Überprüfung hilfreich sind genau festgelegte Termine und regelmäßige Abstände. Manche Gefährdungen machen es notwendig, die Lage über einen längeren Zeitraum hinweg im Auge zu behalten.
Schritt 7: Wie erfolgt die Fortschreibung der Baustellen-Gefährdungsbeurteilung?
Die Situation auf Baustellen ist dynamisch, die baustellenspezifische Gefährdungslage kann sich jederzeit ändern. Entsprechend ist die Gefährdungsbeurteilung im Rahmen des siebten Schrittes fortzuschreiben. Befindet sich beispielsweise neues Gerät im Einsatz? Werden in den nächsten Tagen/Wochen Stoffe verarbeitet, die zuvor noch nicht auf der Baustelle zu finden waren? Oder sind im Zuge der Bauarbeiten einfach neue Gefährdungsquellen ersichtlich geworden, die auf den ersten Blick nicht augenscheinlich waren? Müssen Handlungshilfen eventuell angepasst werden?
Während der Fortschreibung muss nicht mehr die komplette Gefährdungsbeurteilung neu durchgespielt werden. Die erarbeiteten Grundlagen werden ja von einem auf den anderen Tag nicht weniger treffsicher. Auch dann nicht, wenn sich da und dort neue Situationen und Ausgangslagen ergeben. Die Aufmerksamkeit muss sich lediglich auf etwaige Veränderungen konzentrieren.
Schritt 8: Wie wird die Baustellen-Gefährdungsbeurteilung dokumentiert?
Jeder Arbeitgeber, der Arbeitnehmer beschäftigt, muss nicht nur eine Gefährdungsbeurteilung durchführen, sondern diese aus Gründen der Nachvollziehbarkeit auch ordentlich dokumentieren. In den Unterlagen müssen folgenden Punkte klar ersichtlich sein:
- Durchführung und Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung
- Durchgeführte Maßnahmen
- Ergebnis der Maßnahmen-Überprüfung
Abgesehen von der gesetzlichen Verpflichtung zur Durchführung und Dokumentation der baustellenspezifischen Gefährdungsbeurteilung und der daraus entstehenden Baustellenverordnung, ist eine Dokumentation für die betriebsinterne Nachvollziehbarkeit ebenfalls mehr als ratsam. Außerdem dient sie als Beweis für die Erfüllung der Vorgaben seitens des Gesetzgebers und schafft Rechtssicherheit, falls ein Unfall passiert.
Wann muss die Gefährdungsbeurteilung für die Baustelle durchgeführt werden?
Grundsätzlich muss die Gefährdungsbeurteilung vor Aufnahme der Tätigkeit vom Arbeitgeber durchgeführt werden. Darüber hinaus sind sie dazu verpflichtet, Gefahren an ihrer Quelle zu bekämpfen (§ 4 ArbSchG). Da auf einer Baustelle oft verschiedene Gewerke gleichzeitig arbeiten, bestehen unterschiedliche Gefahren – abhängig vom Baufortschritt. Aus diesem Grund muss einerseits die sogenannte “Grundgefährdungsbeurteilung” vor dem Beginn der Arbeiten erfolgen. Andererseits muss diese Grundgefährdungsbeurteilung um die speziellen Gefahren auf der Baustelle ergänzt werden.
Wer führt die Gefährdungsbeurteilung einer Baustelle durch?
Für die Gefährdungsbeurteilung der Baustelle ist der sogenannte Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator, kurz: SiGeKo. Dieser Mitarbeiter sorgt für die Baustellenordnung, erlässt also baustellenbezogene Arbeitsschutzmaßnahmen. Ernannt wird er in der Regel vom Bauherren. Ein SiGeKo sollte folgende Grundvoraussetzungen erfüllen bzw. folgenden Wissenstand mitbringen:
- Umfangeiche baufachliche Kenntnisse
- Mindestens zwei Jahre Berufserfahrung
- Kenntnisse zum Arbeitsschutz
- Fähigkeit zur Koordination
Während sich die ersten beiden Punkte durch den Arbeitsalltag (nach einer gewissen Zeit) von selbst ergeben, werden die Kenntnisse zu den letzten beiden Punkten in speziellen SiGeKo-Lehrgängen vermittelt. Diese mehrtägigen Seminare stehen bei diversen Instituten auf dem Lehrplan.
Warum ist die Gefährdungsbeurteilung für Baustellen so wichtig?
Auf dem Bau besteht eine erhöhte Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter. Dies belegen nicht nur die jüngst veröffentlichten Zahlen zu den tödlichen Unfällen auf Baustellen, sondern auch die hohe Zahl der Berufskrankheiten mit tödlichem Ausgang, die in Zusammenhang mit Tätigkeiten auf dem Bau stehen.
Mit einer Gefährdungsbeurteilung können Arbeitgeber nicht nur Mängel in puncto Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz aufdecken, sondern auch Arbeitsabläufe verbessern und die allgemeine Qualität der Arbeit steigern. Von der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten auf dem Bau hängt zudem der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens ab.